Sicherheitsregulierung transgener Pflanzen und Binnenmarkt

Mit der Entwicklung transgener Nutzpflanzen entstand in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts das Problem, wie die Sicherheit von Produkten aus diesen Pflanzen nach einheitlichen Maßstäben zu beurteilen seien, um diese auf einem gemeinsamen europäischen Markt zu vertreiben zu können.

Zwar gab es die diesbezügliche EU-Richtlinie 90/220/EWG, es hat sich aber gezeigt, daß Markteinführungen zum Teil auf Widerstände in der Bevölkerung trafen, politisch heftig umstritten waren und die einzelnen Mitgliedsländer die Richtlinie unterschiedlich auslegten. Das hatte u.a. dazu geführt, daß solche Markteinführungen sehr lange dauerten oder in einzelnen Ländern unmöglich wurden. Ein Beispiel hierfür war das österreichische Einfuhrverbot für transgenen insektenresistenten und herbizidtoleranten Mais. Die EU-Kommission hatte die österreichische Haltung als nicht gerechtfertigt bezeichnet und Österreich aufgefordert, das Verbot aufzuheben, andernfalls eine Klage vor dem EuGH drohen würde.

Nicht zuletzt wegen der Schwierigkeiten beim Inverkehrbringen stand daher eine Novellierung der Richtlinie 90/220 an. Ein Kommissionsvorschlag sah u.a. eine einheitliche Vorgangsweise bei der Risikoabschätzung, die zeitliche Befristung der Genehmigung, ein obligatorisches Monitoring, eine Kategorisierung der einzelnen Anträge und eine erweiterte Entscheidungsbefugnis der Mitgliedsländer nach dem Mehrheitsprinzip vor.

Im Rahmen eines von der EU (DG XII) geförderten Projekt analysierte seit Mitte 1997 eine Forschergruppe aus sieben Ländern, der auch das ITA angehörte, wie das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Produkte in ihren jeweiligen Ländern gehandhabt wurde und welche Auswirkungen dies auf die EU-Politik in diesem Sektor hatte.

Obwohl extrem, warf das Beispiel Mais doch ein Licht auf die teilweise sehr unterschiedlichen Auffassungen und Argumentationslinien. Es ging u.a. um die Frage, was wissenschaftliche Evidenz ist, welche Kriterien anzulegen sind und wie z.B. das Vorsorgeprinzip zu interpretieren sei, letztlich also darum, welche Produkte akzeptabel wären, wie dies festzustellen wäre und wie eine gemeinsame, von allen getragene Position innerhalb der EU gefunden werden könnte. Das war umso dringlicher, als ein Handelskonflikt mit den USA drohte, aus denen die meisten gentechnischen Entwicklungen kamen und wo gentechnisch veränderte Nutzpflanzen bereits in großem Maßstab angebaut wurden, um u.a. nach Europa exportiert zu werden.

Die Gründe für die Schwierigkeiten, eine gemeinsame europäische Linie zu finden, lagen aber nicht nur in Auffassungsunterschieden, wie man die Akzeptabilität von Produkten feststellen kann, sondern auch in den Gründen für die Skepsis gegenüber letzteren. Länder wie Frankreich, in denen bis dahin kaum Widerstand zu bemerken war, hatten ihre Politik der eindeutigen Unterstützung gentechnologischer Entwicklungen auf dem Agrarsektor deutlich korrigiert, auch in Großbritannien und Dänemark, Griechenland und Irland wurde (wieder) kontrovers diskutiert. Ein Grund für diese Skepsis lag darin, daß im Gefolge der BSE-Krise das Vertrauen in die industrialisierte Landwirtschaft und die Lebensmittelsicherheit generell erschüttert wurde und diese Diskussion sich mit der Debatte um die Einfuhr von Soja und Mais überlagert hatte. Kontrollen wären demnach nicht nur der Industrie zu überlassen, aber welche Rahmenbedingungen sollten gelten, was sollte in staatlicher, was in EU-Verantwortung liegen? Wie stand es um die Frage der Kennzeichnung, der Abschätzung indirekter und langfristiger Effekte? Wie weit wären solche überhaupt möglich, und wo begänne der (unerlaubte) Bereich sozioökonomischer Kriterien? Daneben spielten zahlreiche meist länderspezifische Themen eine Rolle, denn obwohl es hier um eine Angelegenheit der gesamten EU ging, verliefen die nationalen Debatten erstaunlich abgegrenzt.

Das Wechselspiel zwischen diesen nationalen Debatten, der Politik der Regierungen der Mitgliedsländer und dem Entscheidungsfindungsprozeß auf EU-Ebene zwischen Kommission, Rat und Parlament war auch in diesem Fall äußerst komplex; direkte Effekte waren kaum nachzuweisen. So war auch die Frage, ob Österreich, wie oft kolportiert, als "Vorreiter" der Entwicklung oder, wie andere meinten, als unbeachteter "Außenseiter" zu gelten habe, nicht eindeutig zu beantworten.

Laufzeit

12/1996 - 12/1998