Wann TA? Technikfolgenabschätzung im Zeitalter der Technowissenschaften

Neunte österr. TA-Konferenz, 8. Juni 2009, Wien

Der britische Chemiker und Philosoph David Collingridge formulierte bereits 1980 ein grundlegendes Dilemma der Technikfolgenabschätzung (TA): Werden technologische Entwicklungen ‚zu früh' aufgegriffen, ist die konkrete Ausgestaltung ihrer Anwendungen noch unklar. Es lässt sich wenig über den Anwendungskontext und dementsprechend über die zu erwartenden Folgen aussagen. Werden technologische Entwicklungen aber erst aufgegriffen, wenn es bereits konkrete Anwendungen gibt, ist der "Zug schon abgefahren". Die späte Einflussnahme auf den sozio-technischen Innovationsprozess ist dann schwierig.

Gegenwärtig werden Veränderung im Innovationsprozess beobachtet: Das Konzept der Technowissenschaften beschreibt die zunehmende Verschränkung von Grundlagenforschung und Technikentwicklung. In der Forschung werden neue Artefakte mit gesellschaftlicher Relevanz geschaffen (z.B. in der Stammzellforschung), die technische Anwendung wird in der Forschung bereits mitgedacht.

TA, die sich an gesellschaftlicher Relevanz orientiert, kann vor diesem Hintergrund kaum zu früh ansetzen. Das Dilemma der Ungewissheit über die letztendliche Umsetzung technologischer Anwendungen und deren Folgen bleibt jedoch bestehen (z.B. in der Nanotechnologie oder in Bezug auf die sogenannten Converging Technologies).

Die TA'09 stellt sich vor diesem Hintergrund neuen Herausforderungen. Sie widmet sich der Technologieentwicklung, der Technowissenschaft und der Programmberatung entlang folgender Fragestellungen:

  • Die Ansätze der constructive TA und der real-time TA reagieren auf das Collingridge-Dilemma mit einer Prozeduralisierung von TA. Was lässt sich daraus für die Frage "Wann TA?" lernen?
  • Der Ansatz der diskursiven TA setzt direkt bei der gesellschaftlichen Bedeutung neuer Technowissenschaften an, selbst wenn diese noch nicht ausgereift sind. Wie lässt sich hier mit der Ungewissheit über zukünftige technische Realisierungen umgehen?
  • Im Zusammenhang mit TA zu Nanotechnologie wurde der Begriff der ‚anticipatory governance' geprägt. Welchen Beitrag leistet TA hier? Welche Rolle übernimmt sie im Governance-Prozess?
  • TA-Institutionen widmen sich zunehmend auch der Beratung von problemorientierten Forschungsförderungsprogrammen. Wie gehen solche Projekte mit der Ungewissheit technischer Entwicklungen und mit Bewertungsfragen um?
  • Das Bild, das wir von Technik haben, beeinflusst auch, wann Technikfolgenanschätzung eingesetzt wird. Welche Eigenschaften charakterisieren Technowissenschaften? Was können theoretische Ansätze, wie insbesondere feministische Theorien, hier beitragen? Welche besonderen Erfordernisse ergeben sich daraus für TA-Projekte?

->Keynote-Speaker zum Thema "Technowissenschaft": Alfred Nordmann, Professor für Philosphie, TU Darmstadt.
->Außerdem: Diskussions-Panel zum Thema "Technowissenschaft und Technikfolgenabschätzung".