Exklusive Technik? Neue Technologien zwischen erweiterten Handlungsspielräumen und eingeschränktem Zugang, Vierte österr. TA-Konferenz, 7. Juni 2004, Wien
Hochinnovative Medizin, patentrechtlich geschützte Wissensmonopole, digitalisierte Kommunikation: Technische Entwicklungen werfen aus Perspektive der TA immer auch die Frage nach sozialer Inklusion und Exklusion auf. Vor dem Hintergrund eines beschleunigten technologischen Wandels, der sich in gängigen Schlagworten wie "Informationsgesellschaft" oder "Wissensgesellschaft" manifestiert, stellen sich diese Fragen in verschiedenen Technikfeldern neu.
So versprechen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) eine erweiterte Teilhabe an politischen Gestaltungsprozessen und einen vereinfachten Zugang zu öffentlichen Diensten. Andererseits droht im Zuge der umfassenden Digitalisierung der Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen. Der biotechnologische Fortschritt verspricht jedem Menschen individuell maßgeschneiderte Medikamente, die aber aufgrund hoher Kosten und gesundheitsökonomischer Zwänge exklusiv bleiben könnten. Es sind jedoch nicht immer nur Exklusionsprozesse, die problematisch werden können. So bietet die moderne Gendiagnostik die Möglichkeit von Massenscreenings, die IKT ermöglichen ubiquitäre Überwachung und Kontrolle.
"Exklusive Technik" ist jedoch nicht nur ein Produkt ökonomischer Zwänge. Auch die zunehmende Komplexität im Kontext von Technikanwendungen kann zu faktischem Ausschluss führen. So ist der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen eben an die Fähigkeit (und die Bereitschaft) gekoppelt, sich selbständig und interaktiv in der digitalen Welt zu bewegen. An dieser Stelle wird auch die Frage virulent, inwiefern und aus welchen Gründen Technikverweigerung, also "Selbstausschließung", stattfindet - oder überhaupt möglich wird. Schließlich lassen sich auf regulatorischer Ebene jene Tendenzen der Restriktion und Zugangsbeschränkung erkennen, die über den Schutz geistigen Eigentums vermittelt werden und immer größere Bereiche von Wissen und Wissensproduktion absichern.
Im Mittelpunkt der TA'04 sollen empirische und theoriegeleitete Analysen jener Mechanismen stehen, die bestimmte technische Anwendungen exklusiv machen oder Inklusion fördern; außerdem soll die Diskussion um potentielle bzw. bereits realisierte Strategien und Maßnahmen geführt werden, die sich gegen unerwünschte Nebenfolgen richten.
Wir stellen damit folgende Themen zur Diskussion:
Digital Divide – Eine neue Exklusion durch Technik?
Herbert KUBICEK, Institut für Informationsmanagement GmbH, Universität Bremen
Ethik und Technikfolgenabschätzung: Herausforderungen für Theorie und Praxis
Cyberwissen und digitale Spaltung
Soziale Aspekte quelloffener Software
Gibt es die public domain? Institutionen und ihre Grenzen in der Wissensgesellschaft
Ursula HOLTGREWE, Institut für Soziologie, Universität Duisburg
Unser aller Individualität gib uns heute ... aber bitte gleich biometrisch
Peter BITTNER, Institut für Informatik, Humboldt Universität Berlin
Genetik als Gegenstand öffentlicher Gesundheitspolitik – Überlegungen zu einer TA-Strategie
Patienten als Anwender von Telemedizin – Zwischen Selbstbestimmung und Autonomieverlust
Exklusiv oder inklusiv? Internet für alle und alles
Ulrich RIEHM, Bettina-Johanna KRINGS, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse, Forschungszentrum Karlsruhe
Der lange Arm des „Real Life“: Inklusions- und Exklusionspotentiale netzbasierter Kommunikation