Das Solar Dynamics Observatory (SDO) befindet sich seit 2010 in der Erdumlaufbahn und behält dabei die Sonne rund um die Uhr im Auge. Moderne Instrumente an Bord des SDO, wie das Atmospheric Imaging Assembly (AIA), liefern einen Einblick in die Bedingungen in der Sonnenatmosphäre in zehn unterschiedlichen Wellenlängen. Täglich werden etwa 1,5 Terabyte an Bildern dieses Instruments in einer 4K-Auflösung an die Erde übermittelt. Die Auswertung dieser Sonnenbilder erfolgt mit einer Vielzahl an automatisierten Methoden, um beispielsweise die Quellen des schnellen Sonnenwindes zu überwachen. Diese sogenannten koronalen Löcher sind als dunkle Regionen in den Bildern sichtbar. Doch welchen Einfluss unterschiedliche automatisierte Methoden auf die physikalische Untersuchung von koronalen Löchern haben, war bisher unbekannt.
Ein internationales Team unter der Leitung des Grazer Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) konnte diesen Einfluss in Zusammenarbeit mit führenden Forschungsstätten wie NASA Goddard, NASA Ames und NOAA erstmals ermitteln. „Wir konnten zeigen, dass die Wahl der Methode zur Lokalisierung von koronalen Löchern die berechneten physikalischen Größen um den Faktor 4 beeinflussen kann“, erläutert Forscher Martin Reiss. Die Ergebnisse seien wichtig für die Auswertung derartiger Bilder, „da diese Unterschiede in der Sonnenforschung bisher unerforscht blieben und seit der Entdeckung dieses Phänomens nicht berücksichtigt wurden“, setzt Reiss fort, der kürzlich von einem FWF-Schrödinger-Stipendium am NASA Goddard Space Flight Center (Maryland, USA) an das Grazer IWF gewechselt ist.
„Am Beispiel der Fläche der Quellen des Sonnenwindes wären die Unterschiede so groß, dass die gesamte Oberfläche der Erde etwa 150-mal hineinpassen würde“, erklärt der Erstautor der Studie. Dieses Wissen ist wichtig, um offene Fragen in der Physik von koronalen Löchern, wie deren Beitrag zur Beschleunigung und Ausbreitung des Sonnenwindes, besser zu verstehen. Zudem sind die Ergebnisse wertvoll, um am IWF neue Modelle zur Ausbreitung des Sonnenwindes in unserem Sonnensystem zu entwickeln und damit die Auswirkungen des Sonnenwindes auf das Magnetfeld der Erde besser zu verstehen.