23.10.2020 | Klimawandel

Wien ist überproportional stark von Hitze betroffen

Hohe Temperaturen in den Sommermonaten können die Gesundheit gefährden. Das gilt vor allem in Großstädten wie Wien. Welche Bevölkerungsgruppen besonders unter der Hitze leiden, untersucht das sozialwissenschaftliche Projekt „Climate, Health and Population“. Es ist eines von drei Forschungsvorhaben, die vom ÖAW-Programm „Klimawandel: Leben mit den Folgen in einer Metropolregion wie Wien“ gefördert werden.

Wiens Bevölkerung leidet im Sommer unter immer höheren Temperaturen.
Wiens Bevölkerung leidet im Sommer unter immer höheren Temperaturen. © Shutterstock

Nun wo die Tage im Herbst kühler werden, scheint der Sommer schon weit weg. Dementsprechend fällt es einem gerade schwer, sich vorzustellen, dass Österreichs Bundeshauptstadt eine wahre Hitzeinsel sein kann – mit dramatischen Konsequenzen: Ein Drittel aller österreichischen Hitzetoten entfällt auf Wien. Und auch in Zukunft wird die Stadt ein „Hotspot“ des Klimawandels bleiben: „Wien wird im Jahr 2050 Bedingungen haben, wie wir sie heute in weit südlicheren Städten vorfinden“, erklärt Roman Hoffmann vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW)

Der Demograph untersucht gemeinsam mit Kolleg/innen, wie sich extreme Temperaturschwankungen auf Sterbe- und Erkrankungsraten in der österreichischen Hauptstadt auswirken und welche Handlungsanleitungen sich daraus ergeben. Im Interview erklärt Hoffmann, welche Bezirke Wiens besonders von Hitze betroffen scheinen und welche Rolle Bevölkerungsstruktur und Stadtplanung beim Kampf gegen die Folgen extremer Temperaturen spielen.

Inwiefern können Temperaturextreme für die Bevölkerung in Wien und Umgebung zur Gefahr werden?

Roman Hoffmann: Städtische Räume wie die Metropolregion Wien sind überproportional stark von extremen Temperaturen, insbesondere von extremen Hitzeepisoden, betroffen. Diese können sich in vielfältiger Weise auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken. Die direkten Folgen reichen von Dehydrierung über Hitzschläge bis hin zu Erkrankungen des Herzkreislaufsystems.

Extreme Hitzeepisoden können sich in vielfältiger Weise auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken. Die direkten Folgen reichen von Dehydrierung über Hitzschläge bis hin zu Erkrankungen des Herzkreislaufsystems.

Welche Faktoren beeinflussen die Temperaturen in einem Ballungsraum wie Wien?

Hoffmann: Für uns sind neben meteorologischen Faktoren städtebauliche und infrastrukturelle Aspekte von Interesse. Wir arbeiten eng mit der ZAMG, der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, zusammen, die uns historische Wetteraufzeichnungen für Niederösterreich und Wien in einem relativ kleinräumigem Raster zur Verfügung stellt. Diese Daten wollen wir mit Informationen zur Bebauungsweise in einzelnen Regionen sowie mit Bevölkerungsdaten und Gesundheitsindikatoren kombinieren.

Die Innenstadt-Bezirke weisen ein deutlich höheres Hitzevolumen auf als die Randbezirke.

Lässt sich schon abschätzen, welche Wiener Bezirke besonders von Hitzeextremen betroffen sind?

Hoffmann: Mit Gewissheit können wir das noch nicht sagen, aber es gibt sehr interessante Tendenzen. So weisen die Innenstadt-Bezirke ein deutlich höheres Hitzevolumen auf als die Randbezirke. Ich war selbst überrascht, wie drastisch die Unterschiede ausfallen. Zwischen der Donauinsel und der Inneren Stadt können diese Unterschiede mehrere Grad ausmachen. Diese klimatischen Besonderheiten muss man jedoch in Relation zur in den Bezirken lebenden Bevölkerung setzen.

Weil zum Beispiel ältere Menschen stärker unter der Hitze in der Innenstadt leiden als Jüngere?

Hoffmann: Genau. Hietzing ist mit Blick auf die Bevölkerung ein tendenziell eher älterer Bezirk, der jedoch pro Jahr weniger Hitzetage und Tropennächte aufweist, als zum Beispiel Mariahilf. Dafür wohnen aber im sechsten Bezirk eher jüngere Menschen, die gesundheitlich weniger unter Hitze leiden. In unserem Projekt wollen wir beide Dynamiken, also Klimawandel und Bevölkerungsentwicklung, zusammenbringen und uns anschauen, inwieweit diese beiden Prozesse einander verstärken und was man tun kann, um die daraus entstehenden Effekte abzumildern. Stadtplanerische Maßnahmen, insbesondere die Schaffung von Grünraum, spielen hier eine sehr wichtige Rolle.

Wir wollen beide Dynamiken, also Klimawandel und Bevölkerungsentwicklung, zusammenbringen und uns anschauen, inwieweit diese beiden Prozesse einander verstärken und was man tun kann, um die daraus entstehenden Effekte abzumildern.

In welchen Bereichen neben der Stadtplanung besteht zusätzlicher Handlungsbedarf?

Hoffmann: In erster Linie natürlich im Gesundheitsbereich, vor allem mit Blick auf eine bessere Planbarkeit des Gesundheitswesens und der Vorsorge. Aber es wird langfristig auch darum gehen, zum Beispiel die sozialen Dienste auf einen möglicherweise größeren Bedarf für Hausbesuche vorzubereiten. Ältere Menschen sind schließlich in besonderem Maße von Hitzewellen betroffen und werden durch die Hitze in ihrer Mobilität eingeschränkt.

Wien ist nicht die einzige europäische Metropole, die vom Klimawandel betroffen ist. Lässt sich die Situation in Wien mit anderen Städten in Europa vergleichen?

Hoffmann: Direkte Vergleiche zwischen Städten sind schwierig, weil die Bevölkerungen ganz andere geografische, bauliche oder infrastrukturelle Voraussetzungen vorfinden, um mit Hitze umzugehen, und sich auch in ihrer Demographie deutlich unterscheiden können. Aber das Thema der Auswirkungen extremer Temperaturen ist auch für andere Städte von großer Relevanz. Aufgrund des Klimawandels ist zu erwarten, dass sich das klimatologische Profil von Städten weiter verändern wird. Wien wird im Jahr 2050 Bedingungen haben, wie wir sie heute in weit südlicheren Städten vorfinden. Da warten in der Zukunft also noch große Herausforderungen auf uns.

 

AUF EINEN BLICK

Das Forschungsprojekt Climate, Health and Population wird von Roman Hoffmann (ÖAW), Erich Striessnig (Universität Wien) und Raya Muttarak (International Institute for Applied Systems Analysis, IIASA) geleitet. Es ist eines von drei Projekten, die sich in einem kompetitiven Wettbewerb zum Thema „Klimawandel: Leben mit den Folgen in einer Metropolregion wie Wien“ durchsetzen konnten und nun ein Jahr lang vom Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die ÖAW gefördert werden.

DIE GEFÖRDERTEN PROJEKTE IM ÜBERBLICK