12.07.2017

Wie Weichmacher über Mikroplastik in die Umwelt gelangen

Sommerserie Young Academics: Ist Mikroplastik die primäre Quelle für die gefundenen Weichmacher in der Umwelt? Elisabeth Kolar will mit einem DOC-Stipendium der ÖAW toxische Komponenten und den Alterungsprozess von Mikroplastik untersuchen.

©ÖAW/Daniel Hinterramskogler
©ÖAW/Daniel Hinterramskogler

Bilder von toten Tieren, deren Mägen mit Plastikteilen gefüllt sind oder auch Fotos von Plastikmüll, der an die Strände gespült wird, geraten immer wieder in die Schlagzeilen. Schätzungen zufolge schwimmen derzeit über 140 Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren. 

Die Umweltbelastung durch Kunststoff ist hoch – nicht zuletzt auch deshalb, weil die langkettigen Kohlenwasserstoffe einige hundert Jahre benötigen, um abgebaut zu werden. „Das betrifft vor allem aus Erdöl hergestelltes Plastik“, erzählt Elisabeth Kolar vom Department für Umweltgeowissenschaften der Universität Wien. Bei der Zersetzung spielt außerdem die Sonne eine große Rolle: Plastik, das im Sediment landet, wird langsamer abgebaut, weil das Sonnenlicht fehlt.

Mit einem DOC-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erforscht Kolar ab Herbst die Auswirkungen von Plastik auf die Umwelt. Konkret untersucht sie kleine Kunststoffteilchen im Millimeterbereich, das so genannte Mikroplastik. Dieses entsteht nicht nur als „sekundäres Mikroplastik“ bei der Zersetzung von Plastikmüll oder findet sich im Abrieb von Fahrzeugreifen oder Schuhen, sondern wird auch bewusst in Alltagsgegenständen hinzugefügt, wie etwa in Peelings, Duschgels, Zahnpasta oder Shampoos. Kolar konzentriert sich auf zwei Forschungsfragen: Welche toxischen Komponenten, wie etwa Weichmacher, gelangen aus dem Mikroplastik ins Wasser und wie altert Mikroplastik?

Toxische Komponenten im Wasser

Um Plastik elastischer zu machen, werden nämlich Weichmittel wie etwa Diethylhexylphthalat (DEHP) zugesetzt. Diese toxischen Zusatzstoffe gelten als krebserregend und können das Erbgut verändern. Weichmacher wurden praktisch überall in der Umwelt gefunden – bis heute fehlt allerdings ein direkter Nachweis, welche Rolle Mikroplastik dabei spielt. „Ich gehe daher der Frage nach, ob Mikroplastik eine wichtige Quelle für die in der Umwelt anzutreffenden Weichmacher ist“, erzählt Kolar. Immerhin seien 90 Prozent der Weichmacher auf Plastikprodukte zurückzuführen, die übrigen zehn Prozent sind in Baumaterialien sowie Farben oder Lacken zu finden.

Weichmacher wurden praktisch überall in der Umwelt gefunden – bis heute fehlt allerdings ein direkter Nachweis, welche Rolle Mikroplastik dabei spielt.


Forschungen rund um das Thema Plastik und Mikroplastik werden derzeit vielerorts gemacht, doch nur sehr wenige befassen sich auch mit dem Austreten von Zusatzstoffen aus Mikroplastik in das Wasser. Im Labor der Umweltgeowissenschaften untersucht Kolar kleine Plastikpartikel aus unterschiedlichen Kunststoffprodukten: Sie taucht einzelne Proben in wässrige Medien und analysiert einerseits die strukturellen Veränderungen im Plastik, andererseits chemische Veränderungen im Wasser. Kolar arbeitet hauptsächlich mit verschiedenen physikalischen Trennmethoden, um einzelne Komponenten aus dem Plastik und dem Wasser zu isolieren, etwa mit Hilfe von Gas- und Flüssigkeitschromatographie und der Massenspektrometrie. Spannend dabei ist auch die Frage nach möglichen Unterschieden abhängig vom Wasser: „Bislang gibt es keine vergleichenden Untersuchungen in Süß- und Salzwasser“, sagt die Forscherin.

Geplant ist, Plastik in der Donau zu fixieren und drei Jahre lang dort zu lassen, um den natürlichen Zersetzungsprozess mit dem Laborexperiment zu vergleichen.


Der Alterungsprozess dieser Versuchsproben wird zum einen unter Sonnenlicht im Freien durchgeführt und zum anderen in einer UV-Kammer im Labor in verschiedenen Zeiträumen von einem Monat bis zu einem Jahr. „Das UV-Licht in der Kammer ist intensiver als das Sonnenlicht, weil wir uns die strukturellen Veränderungen im Mikroplastik in einer vergleichsweise kurzen Zeit anschauen“, erzählt Kolar. Parallel dazu plant sie, Plastik in der Donau zu fixieren und drei Jahre lang dort zu lassen, um den natürlichen Zersetzungsprozess mit dem Laborexperiment zu vergleichen.

Mikroplastik in Tiermägen

Mit ihrer Forschung über die Auswirkungen von Mikroplastik arbeitet Kolar am Puls der Zeit, denn eine Welt ohne Plastik ist heute nicht mehr vorstellbar. Plastikverpackungen, Plastiksackerln oder Plastikflaschen sind alltägliche Produkte. Vielerorts wird mittlerweile versucht, den Plastikverbrauch zu reduzieren: Supermärkte werben mit biologisch abbaubaren Tragetaschen statt herkömmlichen Kunststoffsackerln und in Großbritannien startete erst kürzlich eine Supermarktkette eine Initiative mit den so genannten „Lasertattoos“: Avocados werden nicht mehr in Plastik verpackt, sondern erhalten die relevanten Informationen auf die oberste Hautschicht gelasert – weitere Früchte sollen folgen. „Das sind alles wichtige Schritte, um das aktuelle Umweltproblem mit dem Plastikmüll besser in den Griff zu bekommen“, sagt Kolar.


Derzeit ist es noch unklar, welchen konkreten Einfluss die im Mikroplastik enthaltenen toxischen Komponenten auf das Ökosystem haben und inwiefern Mikroplastik in die Nahrungskette kommt. In Fischen, Muscheln und anderen Meeresfrüchten konnte Mikroplastik bereits nachgewiesen werden. Die Tiere nehmen diese feinen Kunststoffpartikel irrtümlich als Nahrung auf. Weil diese die Mägen füllen, fehlt den Tieren jedoch die richtige Nahrung, bis durch das Ausscheiden der Plastikpartikel wieder Platz im Magen ist. Die fatale Folge: Viele Tiere verhungern aufgrund ihrer vollen Plastikmägen.

 

Elisabeth Kolar ist seit Juni 2016 Doktorandin am Department für Umweltgeowissenschaften der Universität Wien. Die Chemikerin erhielt am 9. Juni 2017 ein DOC-Stipendium der ÖAW für ihr Projekt mit dem Titel „Weathering of Microplastics: Effects on the Release of Additives“.

Mit dem Stipendienprogramm DOC fördert die ÖAW hoch qualifizierte Dissertant/innen aus allen Gebieten der Forschung. Die Stipendien, die in kompetitiven Ausschreibungen vergeben werden, ermöglichen Nachwuchswissenschaftler/innen, sich in konzentrierter Weise und mit klarem zeitlichen Rahmen der Erstellung ihrer Dissertation zu widmen.

Stipendien der ÖAW