23.01.2017

Wie sich Pflanzen schützen

Um gesund zu bleiben, müssen Pflanzen ihre Wurzeln gegen die Umgebung abdichten und sich gegen eindringende Erreger wehren. Daran beteiligte Signalstoffe konnten nun Pflanzenforscher/innen der ÖAW identifizieren, wie sie in zwei Publikationen in „Science“ berichten.

© ÖAW/Klaus Pichler

„Pflanzen müssen oft zwischen Wachstum und Selbstverteidigung entscheiden: Beides sind Aktivitäten, die viel Energie verbrauchen und sich daher gegenseitig ausschließen“, erklärt Youssef Belkhadir vom GMI – Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Belkhadir und sein Team haben nun in einer internationalen Zusammenarbeit für die Schutzfunktion von Pflanzen zwei wichtige Signalwege genauer aufgeklärt und fanden ein neues Muster wie Rezeptoren Signale empfangen können. Darüber berichten sie in gleich zwei Publikationen in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Science“.

Damit Lebewesen auf Veränderungen reagieren können, müssen sie die Fähigkeit haben ihre Umwelt mit Sensoren wahrzunehmen. Diese Sensoren sind sowohl bei Pflanzen als auch bei Tieren eine Familie von Proteinen, die sogenannten Rezeptor-Kinasen. Diese erkennen chemische Signale, die von außerhalb der Zelle kommen und leiten sie ins Innere der Zelle weiter. Solche Signale können zum Beispiel Wachstumshormone oder Teile von Krankheitserregern, sogenannte Pathogene, sein.

Zehnmal mehr Sensoren als Menschen

Die Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) – eine kleine, unscheinbare und oft als Unkraut bezeichnetet Pflanze – enthält mehr als 600 dieser Rezeptor-Kinasen und damit zehnmal so viele wie der Mensch. Solche Rezeptoren steuern das Pflanzenwachstum und liefern Informationen an das Immunsystem weiter.

Zwei solcher Rezeptoren namens Schengen 1 und 3 sind in Pflanzen für die Bildung des sogenannten Casparischen Streifens verantwortlich. Dieser hindert von den Wurzeln gesammelte Nährstoffe und Wasser daran wieder in die Umwelt zurückzufließen. Die Forscher/innen untersuchten die Rolle, die dabei die Rezeptor-Kinasen spielen und entdeckten das Protein CIF2 (Casparian Strip Integrity Factor 2). Überraschenderweise zeigte sich, dass dieses ganz alleine an Schengen 3 binden kann. Alle anderen bekannten Rezeptoren brauchen einen zweiten Co-Rezeptor für eine enge Bindung und Signalverstärkung. Gemeinsam mit Kolleg/innen der Universität Lausanne konnten die Forscher/innen somit eine bisher unbekannte Form der Rezeptor-Signalisierung darstellen.

Doch auch der andere Rezeptor Schengen 1 ist laut den Wissenschaftler/innen für einen voll funktionsfähigen Casparischen Streifen notwendig. CIF2 wird ausschließlich im Inneren der Wurzel gebildet, während Schengen 1 und 3 an speziellen Stellen innerhalb jener Zellen vorkommen, die den Casparischen Streifen bilden. Bei einem nicht intakten Streifen kann CIF2 zwischen den Zellen, die den Streifen bilden, ausrinnen, dabei Schengen 3 binden, das wiederum mit Schengen 1 interagiert und so die Zelle anstößt, den Streifen zu bilden bzw. zu reparieren. Nach der Reparatur rinnt CIF2 nicht mehr aus und die Wurzel erkennt, dass sie intakt ist.

Pilze tricksen Immunabwehr aus

Für die zweite Publikation haben die Autor/innen gemeinsam mit dem Sainsbury Laboratory im britischen Norwich weitere Details des Immun-Signalwegs einer Pflanze ausgearbeitet. Bekannt ist, dass die Rezeptor-Kinase FLS2 chemische Signale bindet, die von Krankheitserregern produziert werden, und mit dem Co-Rezeptor BAK1 interagiert, um Infektionen durch Bakterien zu bekämpfen.

Die Forscher/innen entdeckten nun, dass eine weitere Rezeptor-Kinase namens „Feronia“ die Interaktion zwischen FLS2 und BAK1 und dadurch die Immunität gegen Bakterien regelt. Feronia bindet verschiedene kleine Proteine, die von der Pflanze produziert werden, sogenannte RALFs. Abhängig davon, welches dieser Proteine Feronia bindet, kann es das Zusammenspiel von FLS2 und BAK1 zur Verteidigung gegen Bakterien entweder verstärken oder hemmen. Wie die Forscher/innen zeigen konnten, ahmen krankheitserregende Pilze solche Signale nach und könnten damit die Immunabwehr austricksen: Die Pflanze glaubt dann, dass sie ihre Verteidigungsmechanismen nicht aktivieren soll.

ÖAW-Forscher Belkhadir: „Diese zwei Studien haben zwei neue Wirkungsweisen entdeckt und beschreiben, wie Rezeptor-Kinasen in verschiedenen Prozessen funktionieren. Sie zeigen auch wie wichtig es ist, die chemischen Signale zu identifizieren, die von Rezeptor-Kinasen erkannt werden. Wir haben entdeckt, dass Schengen 3 seine Signale ohne Co-Rezeptor extrem gut binden kann.“ Dadurch sei es möglich gewesen, ein Modell zu entwickeln, wie eine Wurzel feststellt, ob sie intakt oder beschädigt ist.

„Erstaunlicherweise haben wir herausgefunden, dass ein ansonsten gut erforschtes Rezeptor-/Co-Rezeptor-Paar durch eine andere Rezeptor-Kinase manipuliert werden kann. Die Entdeckung, dass Feronia an beiden Prozessen beteiligt ist zeigt, dass es eine Art molekularer Kapitän ist, der die zelluläre Entscheidung zwischen Wachstum und Selbstverteidigung trifft“, so Studienautor Belkhadir.

 

Publikationen:

„Root diffusion barrier control by a vasculature-derived peptide binding to the SGN3 receptor”. Verónica G. Doblas, Elwira Smakowska-Luzan, Satoshi Fujita, Julien Alassimone, Marie Barberon, Mathias Madalinski, Youssef Belkhadir, Niko Geldner. Science, 2017
DOI: 10.1126/science.aaj1562

„The receptor kinase FER is a RALF-regulated scaffold controlling plant immune signaling”. Martin Stegmann, Jacqueline Monaghan, Elwira Smakowska-Luzan, Hanna Rovenich, Anita Lehner, Nicholas Holton, Youssef Belkhadir, Cyril Zipfel. Science, 2017
DOI: 10.1126/science.aal2541