07.06.2021 | Journalismus & Social Media

Wie Journalismus auf YouTube funktioniert

Kann man auf YouTube Qualitätsjournalismus betreiben? Eine Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat jetzt das Rollenverständnis journalistischer YouTuber/innen untersucht. Sie sehen sich als Modernisierer des Journalismus. Davon haben auch klassische Medien etwas: Wenn YouTuber/innen mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kooperieren, profitieren beide Seiten davon.

© Unsplash/William Bayreuther

YouTube ist nach Google die zweitgrößte Suchmaschine der Welt. Viele junge Menschen informieren sich direkt und zuallererst dort. Und YouTube ist die größte Videosharing-Plattform, auf der auch zahlreiche politische Kommentare zu finden sind. Traditionelle Medien nutzen YouTube oft als zusätzlichen Verbreitungskanal oder zur Markenpflege – ohne gezielt an die Social-Media-Kultur anzuknüpfen.

Eine Ausnahme ist „Funk“, ein eigens für Social-Media-Kanäle entwickeltes Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland. Mit unterschiedlichen Videoformaten zum politischen und gesellschaftlichen Tagesgeschehen sollen hier Menschen zwischen 14 und 29 Jahren erreicht werden. Eine Forschungsgruppe rund um die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat nun das Rollenverständnis journalistischer YouTuber/innen untersucht. Die Ergebnisse sind im britischen Fachmagazin Journalism Studies erschienen.

Sie heißen „MrWissen2go“ oder „Die da oben!“, experimentieren mit Social Media und Apps und probieren aus, wie man auf YouTube Wissen rund um Politik, Geschichte und das aktuelle Zeitgeschehen vermitteln kann. Dass Qualitätsjournalismus und YouTube kein Widerspruch sein müssen und alte wie neue Medienmacher/innen einiges voneinander lernen können, das legt die aktuelle Interviewstudie nahe. Konkret wurden 16 journalistische YouTuber/innen in- und außerhalb des Funk-Netzwerkes nach ihren Motivationen, Strategien und Professionalisierungstendenzen befragt.

Witzig und gut recherchiert

Eines der Ergebnisse fasst Dennis Lichtenstein, Erstautor der Studie und Forscher am Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der ÖAW zusammen: „Journalistische YouTuber/innen nehmen eine Brückenfunktion ein, um ein jüngeres Publikum an politische Berichterstattung heranzuführen und sie in den medialen Diskurs zu integrieren“, sagt er.

Und wie machen sie das? Journalist/innen auf YouTube geht es dabei weniger um nüchterne Berichterstattung. Im Gegenteil. Mit einer Mischung aus Information, Faktencheck, Kommentar und Humor werden Nachrichten zum politischen und gesellschaftlichen Tagesgeschehen emotional und mitunter auch spielerisch vermittelt. Lichtenstein erklärt das so: „Für einen generationenspezifischen Journalismus ist Gamification ein Thema. Information darf unterhaltend sein und Emotionalisierung soll zur Diskussion anzuregen. Es geht darum, die User/innen zur Meinungsbildung anzuregen.“ Journalistische YouTuber/innen sehen das als Beitrag zur Modernisierung des Journalismus. So ein Befund der Studie.

Enger Austausch auf Augenhöhe

Was die Journalist/innen auf YouTube den meisten traditionellen Medienmacher/innen voraushaben, ist der Austausch auf Augenhöhe mit dem Publikum. So pflegen auch die Studienteilnehmer/innen den direkten Kontakt mit den User/innen und betreiben professionelles Audience-Management. Und: Die journalistischen YouTuber/innen passen ihre Nachrichtenformate der Netzwerklogik an. Indem sie versuchen, das Publikum dazu zu bringen über ihre privaten Netzwerke die Inhalte zu teilen, erreichen sie maximale Reichweite.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Qualitätsjournalismus auf YouTube funktioniert dann am besten, wenn die Nachrichtenmacher/innen in öffentlich-rechtliche Netzwerke eingebunden sind. Lichtenstein: „Die im Funk-Netzwerk integrierten YouTuber/innen können sich die redaktionelle Unterstützung und die professionellen Standards der Medienorganisationen zunutze machen. Das hebt die Qualität der Recherche.“

Doppelter Nutzen

Davon profitieren aber nicht nur die Journalist/innen auf YouTube, sondern auch die öffentlich-rechtlichen Sender. Während etablierte Medien vor allem bei den Jungen immer mehr an Publikum verlieren, können sie durch innovative Formate auf YouTube Jugendliche dort erreichen, wo sie nach Informationen suchen. Anders als schlecht recherchierte oder populistische Meinungsvideos leisten journalistische YouTuber/innen einen wichtigen Beitrag zur Information und Meinungsbildung online: „Wir dürfen das Feld nicht den Populisten und Verschwörungstheoretikern überlassen. Unsere Studie zeigt: Qualitätsjournalismus auf YouTube funktioniert, mit entsprechender Förderung im Hintergrund“, so ÖAW-Forscher Lichtenstein.

 

Publikation:

„Journalistic YouTubers and Their Role Orientations, Strategies, and Professionalization Tendencies“, Dennis Lichtenstein, Martin R. Herbers, Halina Bause, Journalism Studies, 2021
DOI: https://doi.org/10.1080/1461670X.2021.1922302