05.02.2021 | Albedomessungen

Wie Gletscher ihre Strahlkraft verlieren

Am Jamtalferner untersuchen Forscher/innen um Lea Hartl von der ÖAW, wie sich die sich verändernde Oberfläche des Gletschers auf die Reflexion von Sonnenlicht und damit auf die Geschwindigkeit des Abschmelzens auswirkt.

Um zu klären, wie viel Sonnenlicht das Eis abschmelzender Gletscher reflektiert, sind Messungen vor Ort gegenüber Satellitendaten genauer.
Um zu klären, wie viel Sonnenlicht das Eis abschmelzender Gletscher reflektiert, sind Messungen vor Ort gegenüber Satellitendaten genauer. © ÖAW/Daniel Hinterramskogler

Wenn Gletscher zurückgehen, verschwindet auch die sommerliche Schneedecke. Das darunter liegende Eis reflektiert weniger Sonnenlicht, was zu einem schnelleren Abschmelzen führt. Wie viel Sonnenlicht das Eis tatsächlich reflektiert, hängt stark von seiner Zusammensetzung ab. Lea Hartl vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und ihre Kolleg/innen messen am Jamtalferner in Tirol die sogenannte Albedo des Eises, die besagt, wie viel Sonnenlicht reflektiert wird.

Bisher wenig Daten zu Gletschereis

“Für Schnee gibt es sehr viele Albedomessungen. Für Gletschereis haben wir weniger Daten, weil die Gletscher bisher eben meistens schneebedeckt waren. Das Eis am Jamtalferner kann sich manchmal von Schritt zu Schritt verändern, das macht die Erfassung komplizierter”, erklärt Hartl.

Die Forscher/innen haben in einem repräsentativen Bereich des Gletschers rund 250 Messungen mit einem Spektroradiometer durchgeführt. Dabei wird gemessen, wie viel Licht das Eis im sichtbaren Wellenlängenbereich zurückwirft. Die feinmaschigen Messungen im Abstand von 0,5 bis zwei Metern erlauben es den Wissenschaftler/innen, genau zu erfassen, wie sich die Albedo in verschiedenen Bereichen des erfassten Spektrums verändert.

“Das Eis kann einem Eiswürfel ähneln oder weiß sein, verschiedene Partikel enthalten oder von Wasser bedeckt sein, das alles führt zu großen Unterschieden in der Albedo”, sagt Hartl. Die ersten Ergebnisse der Messungen wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift The Cryosphere veröffentlicht. 

Langzeitmonitoring am Jamtalferner

Die Forscher/innen wissen, dass Wasser oder Staub die Albedo des Eises senken. Um genaue Rückschlüsse auf den Einfluss der verschiedenen Partikel auf die Massebilanz eines Gletschers ziehen zu können, ist es aber noch zu früh. “Es gibt noch viel Bedarf nach einer Erfassung der zeitlichen Veränderung. Bislang gibt es einfach noch zu wenige Daten. Es gibt Arbeiten, die sagen, dass das Eis auf vielen Gletschern insgesamt dunkler wird, was das Abschmelzen begünstigen würde, weil die Albedo generell zurückgeht. Aber das kann lokal sehr stark schwanken, etwa durch das Schmelzverhalten, Algenwachstum und andere Faktoren”, so ÖAW-Wissenschaftlerin Hartl. 

Neben den Messungen vor Ort am Jamtalferner hat das Team auch Satellitenmessungen in seine Arbeit einbezogen. Um die Daten vergleichen zu können, wurden die Messungen am Gletscher so geplant, dass sie mit Überflügen von Landsat- und Sentinel-Satelliten zusammenfielen. “Das erlaubt es, die Daten zu vergleichen und zu sehen, ob es Unterschiede gibt. Die Messungen direkt am Gletscher sind aber deutlich höher aufgelöst, sowohl örtlich als auch spektral”, sagt Hartl.

Der Vergleich zeigt, dass Satellitendaten, die häufig für großräumige Albedostudien - zum Beispiel in schwer zugänglichen Gebieten - verwendet werden, die Variabilität am Boden nicht vollständig wiedergeben. Um genauer zu bestimmen, welche Prozesse an der Gletscheroberfläche den Satelliten verborgen bleiben, sind daher weitere Messungen notwendig. “Wir machen Langzeitmonitoring am Jamtalferner und werden in Zukunft auch die Albedomessungen regelmäßig durchführen. Dann können wir modellieren, wie sich die großen Schwankungen in der Albedo des Eises auf die regionale Massebilanz des Gletschers auswirken”, blickt Hartl in die Zukunft. 

 

Auf einen Blick

Publikation:

„Small-scale spatial variability in bare-ice reflectance at Jamtalferner, Austria“, Lea Hartl, Lucia Felbauer, Gabriele Schwaizer, and Andrea Fischer, The Cryosphere, 2020
DOI: https://doi.org/10.5194/tc-14-4063-2020