13.04.2016

TALKIN` BOUT A REVOLUTION

Young Academics: Die ÖAW-Sozialanthropologin Sabine Bauer erforscht, wie junge Intellektuelle mit den sozialen und kulturellen Veränderungen nach dem „Arabischen Frühling“ in Ägypten umgehen.

Bild: Sabine Bauer/ÖAW
Bild: Sabine Bauer/ÖAW

Als Anfang 2011 tausende Ägypter/innen für „Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit“ auf die Straße gingen, war die Jugend die treibende Kraft. Bilder der jungen Revolutionäre gingen um die Welt. Die anfängliche Euphorie verflog jedoch angesichts der nicht abreißenden politischen Unruhen. Nachdem General Abdelfattah al-Sisi im Sommer 2013 die Macht übernahm, war es mit der Aufbruchsstimmung des „Arabischen Frühlings“ endgültig vorbei. Al-Sisi schlug einen zunehmend autoritären Kurs ein. Freie Meinungsäußerung wird seitdem weitestgehend zensiert. Davon sind nicht nur Revolutionäre und säkulare Aktivist/inn/en betroffen, sondern auch Muslimbrüder, Journalist/inn/en, Menschenrechtler/innen und Wissenschaftler/innen. „Die während der Revolution erstarkten Stimmen der Jugend drohen, zum Schweigen gebracht zu werden“, erklärt die 28-jährige Forscherin Sabine Bauer vom Institut für Sozialanthropologie (ISA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). „Silencing“ heißt das in der Fachsprache.   

No Country for Young Men

Ihre Doktorarbeit, die vom Wittgenstein-Preisträger und Direktor des ISA Andre Gingrich betreut wird, hat Sabine Bauer in den vergangenen vier Jahren mehrfach für Feldforschungen nach Ägypten geführt. Dort hat sie über 24 Monate hinweg intensiv am Leben junger Intellektueller in Kairo teilgenommen, um deren Handlungsspielräume und –strategien innerhalb der repressiven Atmosphäre des Landes zu erforschen. Ihr Dissertationsprojekt „No country for young men – Young Egyptian Intellectuals between self-expressions and demands of their interests“ wird durch ein DOC-Stipendium der ÖAW gefördert.

„Mich interessiert, welche Strategien entwickelt werden, um dem „silencing“ zurecht zu kommen – von Online-Aktivismus bis Graffiti“, erklärt Bauer. Bei „Colouring Thru Corruption“ beispielsweise kennzeichneten Aktivist/inn/en öffentliche Orte mit bunten Farben, um auf das hohe Ausmaß von Korruption in Ägypten hinzuweisen. Anschließend wurden die Fotos der bunten Orte auf Facebook geteilt, um eine breitere Masse zu erreichen. Inzwischen ist öffentliches Graffiti jedoch verboten und die Kampagne gestoppt.

Hacktivism, Protestsongs und Flashmobs

Soziale Medien sind daher ein zentraler Ort, um Kritik zum Ausdruck zu bringen. „Hier können Politiker indirekt durch sarkastische Foto- und Videomontagen ihrer Ernsthaftigkeit beraubt werden, wie dies etwa in der „as7be sarcasm society“ geschieht. „Diese Form von Online-Aktivismus wird „Digital Clowning“ oder „Hacktivism“ genannt und bedient sich vor allem intertextueller und intervisueller Repertoires der Populärkultur der letzten 60 bis 80 Jahre“, erklärt Bauer. Sie berichtet auch von einer informellen Musikszene, die ihre kritischen Lieder anonym auf YouTube veröffentlicht. Manche dieser Songs erreichen eine beachtliche Popularität und werden dann sogar in Kairos hippen Innenstadtclubs gespielt.

Reclaim the Streets

Von Youtube geht es aber auch zurück auf die Straße – und zwar in Form von Flashmobs, bei denen junge Ägypter/innen plötzlich in der Öffentlichkeit beginnen, ihre Musikinstrumente auszupacken, kritische Lieder zu singen und zu tanzen. In den Texten geht es um die Unterdrückung der Revolution, wobei sowohl Präsident al-Sisi als auch sein Vorgänger, der Muslimbruder Mohammed Mursi, kritisiert werden.

Bauer konnte solche Auftritte selbst mitverfolgen, eine Selbstbeschreibung einer Tanzenden prägte sich ihr dabei besonders ein: „Wir sind die Jugend Ägyptens und wir holen uns unsere Rechte zurück!“ Nach zirka zehn Minuten kam jedoch die Polizei, um den Trubel aufzulösen. Es war nicht das einzige Mal, dass Bauer während ihrer Feldforschung das Eingreifen der Staatsgewalt beobachten musste.

 

ÖAW-INSTITUT FÜR

SOZIALANTHROPOLOGIE