15.05.2019

Suche nach der Transistoren-Revolution

Der Transistor hat zwar die Welt revolutioniert und Dinge wie Handy und das Internet ermöglicht, er verbraucht aber zu viel Energie. Die Suche nach Alternativen läuft. Die vielversprechendsten Ansätze stellte der Physiker Eli Yablonovitch am 23. Mai bei einer Akademievorlesung an der ÖAW vor.

© Adam Lau/UC Berkeley

Jedes Mal, wenn man einen Buchstaben auf der Tastatur drückt, bedient man zugleich unzählige Transistoren. Also jene Schalter, die das Signal verstärken und somit Buchstaben auf dem digitalen Dokument aufscheinen lassen. Dafür braucht es eine Spannung von einem Volt. Das ist für sich nicht viel. „Man muss aber bedenken, dass in einem Computer Milliarden von Transistoren verbaut sind – das summiert sich“, erklärt Eli Yablonovitch.

Der US-amerikanische Physiker stellt sich daher in seiner Forschung die Frage: „Was kommt nach dem Transistor?“. Welche Antworten er bisher gefunden hat, erklärte er bei einer Akademievorlesung am 23. Mai im Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Man hat Transistoren in den letzten Jahrzehnten immer kleiner und auch ein wenig energieeffizienter gemacht. Wäre das nicht weiterhin eine Möglichkeit, um das Energieproblem in den Griff zu bekommen?

Eli Yablonovitch: Nein, hinsichtlich der Miniaturisierung haben wir die Grenzen des Möglichen beinah ausgeschöpft. Im Jahr 2003 konnten die Stromkreise der Transistoren auf ein Volt reduziert werden. Zwanzig Jahre später konnte man die benötigte Spannung nur um ein Zehntel reduzieren. Es gibt einfach kaum noch Luft nach oben. Wir brauchen also eine komplett neue Idee. Dabei reicht es nicht, nur an den Materialien zu schrauben oder irgendwo einen noch besseren Kniff zu finden. Wir benötigen ein neues Konzept.

Gibt es dieses neue Konzept bereits?

Yablonovitch: Es gibt ein paar Ansätze – sie funktionieren alle nicht, ansonsten hätten wir das Problem gelöst. Vielversprechend ist aber der „Quantentunnel-Transistor“, an dem auch ich arbeite. Der Name bezieht sich auf das Prinzip des Tunneleffekts aus der Quantenmechanik von Erwin Schrödinger. Demnach können Teilchen zum Teil eine Barriere überwinden, obwohl sie zu wenig Energie dafür besitzen. Wann und wie sie die Barriere überwinden, sieht man dabei nicht. Es ist, als ob sie diese Barriere einfach untertunneln. Gleichermaßen fließt auch beim Quantentunnel-Transistor der Strom quasi unterirdisch und braucht somit weniger Energie. Ich denke, man könnte damit die Spannung sogar auf zehn Millivolt reduzieren. Dafür müssen wir aber einen wesentlich sensibleren Transistor bauen.

 

Aktuelle Transistoren folgen dem Prinzip von Ludwig Boltzmann. Wir hingegen versuchen, einen Transistor nach den Prinzipien der Quantenmechanik zu bauen.

 

Wie würde ein solcher Transistor aussehen?

Yablonovitch: Er muss dem Original von heute sehr ähnlich sein. Wenn wir zu viele Veränderungen machen, würde es niemand akzeptieren. In der Technologie mag man keine großen Veränderungen. Allein das Herstellen von Computerchips ist weltweit ein 400 Milliarden US-Dollar schweres Geschäft. Es geht also um viel Geld.

 

In der Technologie mag man keine großen Veränderungen. Allein das Herstellen von Computerchips ist weltweit ein 400 Milliarden US-Dollar schweres Geschäft.

 

Der Quantentunnel Transistor ist im Grunde wie ein herkömmlicher Transistor aufgebaut. Ein Draht führt hinein und heraus und dann gibt es noch einen dritten Draht, mit dem man den Strom kontrollieren kann. Abgesehen davon ist es aber natürlich nicht mit einem herkömmlichen Transistor vergleichbar. Er wäre nicht nur wesentlich sensibler, sondern würde über ein anderes physikalisches Prinzip funktionieren. Aktuelle Transistoren folgen dem Prinzip von Ludwig Boltzmann, wonach es eine bestimmte Spannung braucht, um etwas ein- und auszuschalten. Wir hingegen versuchen, einen Transistor nach den Prinzipien der Quantenmechanik zu bauen. Diese Prinzipien wiedersprechen sich zum Teil. Man könnte also sagen, wir versuchen Boltzmanns Prinzipien mit Schrödingers Ideen zu überwinden. 

Das klingt knifflig.

Yablonovitch: Ja, ich wurde für diese Idee auch scharf kritisiert. Man warf mir Überheblichkeit vor, überhaupt daran zu denken, Boltzmanns Prinzipien überwinden zu können.

Angenommen, Sie würden es schaffen, einen Transistor zu bauen, der nur zehn Millivolt benötigt. Wie würde sich das tatsächlich auf den Energieverbrauch auswirken?

Yablonovitch: Zehn Millivolt ist 100 Mal weniger als herkömmliche Transistoren benötigen, um ein- und ausgeschaltet zu werden. Auf den Stromverbrauch umgemünzt würde das bedeuten, dass der neue Transistor 10.000 Mal weniger Energie braucht. Also angenommen eine Suche auf Google benötigt 10.000 Joule Energie, könnten wir denselben Vorgang mit einem Joule bereitstellen. Dabei geht es nicht nur um den Energiebedarf für den eigenen PC, sondern vor allem auch um jenen der Datenzentren – die brauchen viel Energie.

 

Angenommen eine Suche auf Google benötigt 10.000 Joule Energie. Wir könnten denselben Vorgang mit einem Joule bereitstellen.

 

Würde der neue Transistor auch die Funktion eines Smartphones, Laptops usw. verändern?

Yablonovitch: Ja, das würde alle elektronischen Geräte beeinflussen. Es ist dann beispielsweise möglich, kleinere Batterien zu bauen. Diese wiederum stellen die notwendige Energie für zusätzliche, heute noch unvorstellbare Anwendungen bereit.

 

Eli Yablonovitch, 1946 in Puch bei Hallein geboren, studierte an der McGill University in Montreal und an der Harvard University, an der er 1972 in angewandter Physik promovierte. Seit 1993 ist er Professor of Electrical Engineering and Computer Sciences an der University of California, Berkeley. Er ist Mitglied der US-National Academy of Sciences und der Royal Society und erhielt 2019 die Benjamin Franklin Medaille, mit der u.a. bereits Thomas Edison, Marie Curie, Max Planck und Stephen Hawking geehrt wurden.

„What will replace the transistor?“ lautet der Titel der Erwin Schrödinger Lecture, die Eli Yablonovitch im Rahmen der Akademievorlesungen der ÖAW am 23. Mai 2019 im Festsaal der Akademie in Wien hielt.