09.01.2020 | In memoriam

ÖAW trauert um Wolfgang Brezinka

Der Erziehungswissenschaftler Wolfgang Brezinka ist mit 91 Jahren verstorben. Er war einer der meist rezipierten pädagogischen Denker des Landes und langjähriges Mitglied der ÖAW.

Wolfgang Brezinka beim Festakt zu seinem 90. Geburtstag an der ÖAW. Dabei hielt er den Vortrag „Pädagogik als Universitätsfach. Krisen und Zukunft“ © ÖAW/Elia Zilberberg

Kaum ein Forscher oder eine Forscherin hat in der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft  ein Werk von gleichem Umfang und gleicher Wirkung verfasst: Wolfgang Brezinkas Bücher sind in zahlreichen Auflagen und in elf Sprachen in Europa, Amerika und Asien übersetzt worden. Nun nimmt die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Abschied von ihrem Mitglied: Am 3. Jänner 2020 starb der hoch geschätzte Wissenschaftler im Alter von 91 Jahren.

International herausragender Vertreter der Pädagogik

Wolfgang Brezinka, geboren am 9. Juni 1928 in Berlin, wurde ab den 1970er Jahren zum international bekanntesten deutschsprachigen Erziehungswissenschaftler seiner Generation. Zunächst studierte er Philosophie, Psychologie und Pädagogik an den Universitäten Salzburg und Innsbruck. 1954 habilitierte er sich an der Universität Innsbruck und erhielt, nach Forschungsaufenthalten an der Columbia- und der Harvard-Universität, bereits 1958, im Alter von 30 Jahren, den Ruf auf einen Lehrstuhl an der Pädagogischen Hochschule Würzburg. Ab 1960 war er ordentlicher Professor der Erziehungswissenschaft an der Universität Innsbruck und ab 1967 an der Universität Konstanz. Rufe an die Universitäten Hamburg, Marburg, Tübingen und München hat er abgelehnt. Nach seiner Emeritierung im Jahr 1996 lebte er in Telfes im Stubai (Tirol).

Für seine wegweisenden Beiträge zur Pädagogik erfuhr Brezinka internationale und nationale Beachtung, was eine Reihe von Ehrungen und Auszeichnungen bezeugen. So wurden ihm 2001 an der Technischen Universität Braunschweig und 2014 an der Università Cattolica del Sacro Cuore in Mailand der Titel eines Ehrendoktors verliehen. Er war Träger des deutschen Bundesverdienstkreuzes am Bande und wurden u.a. mit dem Tiroler Adler-Orden in Gold sowie mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien ausgezeichnet.

Akademische Verankerung der Erziehungswissenschaften

Die wissenschaftliche Pädagogik, deren Geschichte und akademische Verankerung war sein Lebensthema. Mit Werken wie „Grundbegriffe der Erziehungswissenschaft“ trug er wesentlich zur Systematisierung seines Faches und zur Klärung von Grundbegriffen der Erziehungswissenschaft bei. Nach seiner Emeritierung arbeitete er an einem vierbändigen Werk zur „Pädagogik in Österreich“ – ein Standardwerk zur „Geschichte des Faches an den Universitäten vom 18. bis zum 21. Jahrhundert“, das auch kritisch die methodischen und theoretischen Probleme von Pädagogik und Erziehungswissenschaft im Allgemeinen analysiert. Anlässlich seines 90. Geburtstages, der an der Akademie mit einem Festakt begangen wurde, ist seine Autobiografie „Vom Erziehen zur Kritik der Pädagogik. Erfahrungen aus Deutschland und Österreich“ erschienen. 

Wolfgang Brezinka zählte seit 1997 zu den wirklichen Mitgliedern der ÖAW. Zudem war er Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte sowie Ehrenmitglied der Tschechischen pädagogischen Gesellschaft (Česka pedagogická společnost).

Die ÖAW trauert um ihr wirkliches Mitglied. Mit Wolfgang Brezinkas Tod verliert sie einen herausragenden Wissenschaftler.