02.11.2017

Mit künstlichen CRISPR-Gendefekten Erbkrankheit auf der Spur

Die Fanconi-Anämie ist eine seltene Erbkrankheit, die statistisch bei einem von 130.000 Menschen auftritt. ÖAW-Forscher/innen konnten herausfinden, dass bestimmte, durch CRISPR/Cas9 künstlich erzeugte Gendefekte den Auswirkungen dieser Erbkrankheit in Zellkulturen entgegenwirken, und dabei einen dafür verantwortlichen Proteinkomplex identifizieren. Das berichten sie nun in „Nature Communications“.

Zellen mit doppeltem Gendefekt (∆FANCC∆BLM) bei der Reparatur künstlich zugefügter DNA Schäden © Michelle Owusu/CeMM
Zellen mit doppeltem Gendefekt (∆FANCC∆BLM) bei der Reparatur künstlich zugefügter DNA Schäden © Michelle Owusu/CeMM

Sonnenlicht, Stoffwechselprodukte, oder schlicht Kopierfehler bei der Zellteilung – die riesigen DNA-Moleküle, mit denen jede Zelle ihre Erbinformationen speichert, nehmen auch ohne zusätzliche Belastungen wie Tabakrauch ununterbrochen Schaden. Ein ganzes Arsenal an molekularen Maschinerien steht daher bereit, um die Beschädigungen schnellstmöglich zu beheben und den normalen Betrieb der Zelle aufrecht zu erhalten. Versagen diese Reparaturmechanismen, kann das dramatische Folgen haben. So etwa im Falle des Fanconi-Anämie-Signalwegs: Ist er defekt, können Quervernetzungen der DNA-Stränge, die mitunter durch Stoffwechselvorgänge verursacht werden, während der Zellteilung nicht mehr gelöst werden. Die Betroffenen leiden unter Fehlbildungen, Blutarmut und einem hohen Krebsrisiko.

Wissenschaftler/innen um Joanna Loizou vom CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben nun anhand der Fanconi-Anämie demonstriert, dass mit einer sogenannten „synthetic viability“-Analyse Gene identifiziert werden können, die einer Erbkrankheit entgegenwirken, sobald man sie ausschaltet. Die Studie wurde im der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Künstlich hervorgerufener Gendefekt: Feuer mit Feuer bekämpft

Für die Studie wurde mit Hilfe der „Genschere“ CRSIPR/Cas9 eine Sammlung an Viren hergestellt, die jeweils ein bestimmtes Gen gezielt ausschalten können – für nahezu jedes Gen im menschlichen Genom waren passende Viren dabei. Millionen Fanconi-Anämie-Zellen wurden mit diesen Viren infiziert, pro Zelle wurde dabei nur ein einziger Gendefekt zusätzlich zum ohnehin vorhandenen Fanconi-Anämie-Defekt künstlich eingeführt.

Anschließend wurden in der DNA der modifizierten Zellen jene Quervernetzungen hervorgerufen, die bei Fanconi-Anämie nicht mehr repariert werden können und daher zum Zelltod führen sollten. In einer Hochdurchsatzanalyse ermittelten die Forscher/innen schließlich, welche der modifizierten Zellen besser überleben als Kontrollzellen ohne zusätzlichen Gendefekt – und wurden fündig: Jene Zellen, deren Gene für einen bestimmten Proteinkomplex, den BLM Helikasekomplex, zerstört waren, verhielten sich eher wie gesunde Zellen ohne Fanconi-Anämie-Defekt.

„Diese Resultate zeigen, dass der BLM Helikasekomplex eine bisher völlig unbekannte Rolle im Zusammenspiel mit einem defekten Fanconi-Anämie-Signalweg einnimmt“, erklärt Martin Moder, Co-Erstautor der Studie und PhD-Student am CeMM der ÖAW. „Darüber hinaus demonstriert unsere Arbeit, dass sich diese genomweiten CRISPR/Cas9-Analysen – die synthetic viability screens – dazu eignen, genetische Interaktionspartner zu identifizieren, die das Überleben von Zellen mit defekten DNA Reparaturmechanismen fördern“, ergänzt Georgia Velimezi, ebenfalls Co-Erstautorin der Studie und PostDoc in der Forschungsgruppe von Joanna Loizou.

Die genaue Wirkungsweise des BLM Helikasekomplexes in Verbindung mit dem Fanconi-Anämie-Signalweg ist weitgehend unbekannt. Die vorliegende Studie zeigt jedoch, dass der Verlust beider Komponenten für Zellen weniger schädlich ist, als der Verlust des Fanconi-Anämie-Signalweges alleine, was einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der seltenen Erbkrankheit leistet.

 

Publikation:
Parallel genome-wide screens identify synthetic viable interactions between the BLM helicase complex and Fanconi anemia. Martin Moder, Georgia Velimezi, Michel Owusu, Abdelghani Mazouzi, Marc Wiedner,  Joana Ferreira da Silva, Lydia Robinson-Garcia, Fiorella Schischlik, Rastislav Slavkovsky, Robert Kralovics, Michael Schuster, Christoph Bock, Trey Ideker, Stephen P. Jackson, Jörg Menche und Joanna I. Loizou. Nature Communications, 2017
DOI: 10.1038/s41467-017-01439-x

Förderung:
Die Studie wurde von der European Molecular Biology Organization (EMBO) und dem Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF gefördert.

 CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW