16.10.2017

Käfer statt Pestizide

Anders als beispielsweise Schmetterlinge werden Käfer häufig nicht für sonderlich attraktiv gehalten. Trifft man jedoch auf den Goldlaufkäfer, kann das die Meinung schnell ändern. Denn nicht nur das Aussehen macht Käfer wie diesen so besonders, sondern vor allem dessen Leistung für Ökosysteme, wie ÖAW-Biologin Corinna Wallinger schildert.

©Shutterstock.com/Aleksandr Nizienko
©Shutterstock.com/Aleksandr Nizienko

Als Ökosystemleistung wird jener Nutzen bezeichnet, den die Natur für die Menschen erbringt. Der Speiseplan der Laufkäfer ist sehr vielfältig, anders als jener der beliebten Marienkäfer, die nur auf Blattläuse spezialisiert sind. Laufkäfer hingegen fressen alle möglichen Insekten, Unkrautsamen, Spinnentiere, Schadschnecken – ja mitunter sogar Mäusebabys. Damit haben diese Käfer das Potential, regulierend in landwirtschaftlichen Ökosystemen zu wirken. Sie können ein Massenaufkommen von Schädlingen verhindern, oder aber einen entscheidenden Einfluss auf den Unkrautbestand haben. Laufkäfer liefern also gleich zwei dieser Ökosystemleistungen: die Regulation von Schädlingen und das Fressen von Unkrautsamen.

„Noch wissen wir aber wenig über die tatsächliche Nahrungswahl der verschiedenen Laufkäfer in unseren Feldern. Welche Arten etwa sind hier besonders effektiv in der Regulation von Unkraut oder von Nacktschnecken? Um das zu verstehen und gegebenenfalls auch im landwirtschaftlichen Kontext gezielt nutzen zu können, haben wir die verschiedenen Arten von Laufkäfern in Getreidefeldern untersucht und auch Feldexperimente durchgeführt“, sagt Corinna Wallinger, vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Sie analysiert seit vergangenem Jahr die Ökosystemleistungen von Laufkäfern in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt.

Erstmals Feldforschungen außerhalb des Labors

Derzeit gibt es entscheidende Wissenslücken, welche die Nutzbarmachung von Laufkäfern in der Landwirtschaft erschweren. Einerseits wissen die Wissenschaftler/innen zu wenig über die konkrete Ernährungsweise der verschiedenen Käferarten. Andererseits ist die saisonale Umstellung zwischen unterschiedlichen Ernährungsformen, welche bei vielen Käfern beobachtet werden kann, bislang unzureichend untersucht. „Es wurde niemals zuvor vor Ort analysiert, welche Unkrautsamen die Käfer wirklich im Feld fressen. Bislang gab es dazu nur Fütterungsexperimente im Labor oder korrelative Analysen. Diese zeigten nur so viel: wo viele Laufkäfer leben, gibt es wenig Unkraut“, so Wallinger.

Es wurde niemals zuvor vor Ort analysiert, welche Unkrautsamen die Käfer wirklich im Feld fressen.


In verschiedenen Getreidefeldern in Frankreich, in Tirol und im Wiener Raum wurden im Sommer 2016 Becherfallen installiert, um die Käfer zu fangen. „Laufkäfer sind sehr mobile und relativ kleine Tiere und somit ist es schwer, diese in einem dicht bestandenen Feld beim Herumkrabbeln oder gar Fressen zu beobachten. Deshalb wenden wir molekularbiologische Methoden an“, so Wallinger. Ziel ist es, den Nahrungsinhalt der Käfer zu analysieren.


„Um sich zu verteidigen würgen Laufkäfer im Stress ihre Nahrung hoch. Dies ist Teil ihres natürlichen Abwehrverhaltens. Es war nicht ganz einfach herauszufinden, wie man diese Käfer am effektivsten künstlich stressen kann, um diese Reaktion zu stimulieren. Am besten funktioniert es, wenn wir die Tiere kopfüber in ein kleines Gefäß geben und dieses ganz kurz in heißes Wasser tauchen. Die Tiere versuchen, möglichst rasch von der Hitzequelle weg zu kommen und übergeben sich dabei“, erklärt Wallinger. So ist es möglich, die Nahrung der Tiere zu analysieren, die Käfer selbst jedoch wieder an ihren Fundort zurückzusetzen.

Nutzen für die Landwirtschaft

Die ersten Ergebnisse der molekularen Analysen zeigen, dass um die 70 Prozent der Käfer Unkrautsamen gefressen haben. Der nächste Schritt ist es, nun detailliert zu analysieren, welche der verschiedenen Laufkäferarten welche Unkrautsamenarten frisst. „Schließlich möchten wir untersuchen, welche Käferarten an der Regulation der dominanten Unkrautarten beteiligt sind. Die Experimente, die wir im Sommer 2017 durchgeführt haben, sollen darüber hinaus zeigen, inwiefern Laufkäfer saisonal in Abhängigkeit vom Futterangebot ihre Nahrungswahl umstellen – von Samenfraß auf die Ernährung mit Nacktschecken und umgekehrt“, so Wallinger.

Die ersten Ergebnisse der molekularen Analysen zeigen, dass um die 70 Prozent der Käfer Unkrautsamen fressen.


Schlussendlich soll dieses Projekt dazu beitragen, die wissenschaftlichen Grundlagen zur Rolle der Laufkäfer bei der Regulation von Unkraut und Nacktschnecken zu liefern - speziell im Hinblick auf die angestrebte Reduktion der Verwendung von Pestiziden bei gleichbleibend hohem landwirtschaftlichen Ertrag.

„Ursprünglich bin ich Botanikerin – mittlerweile eine überzeugte Ökologin“, sagt Wallinger.  „Deshalb interessiere ich mich besonders für die Beziehung zwischen Tieren und Pflanzen. In meiner Arbeit habe ich mich dabei bereits mit verschiedenen Tiergruppen von Pflanzenfressern auseinandergesetzt. Was mich während meiner ersten Kontaktaufnahme mit Laufkäfern sehr überrascht hat, war, wie schön und vielfältig sie sind“, freut sich Wallinger darüber, dass ihr Forschungsobjekt nicht nur nützlich, sondern auch ästhetisch und abwechslungsreich ist. 

 

Corinna Wallinger studierte Biologie an den Universitäten Innsbruck und Wien. Nach ihrer Promotion an der Universität Innsbruck war sie von 2006 bis 2016 am dortigen Institut für Ökologie beschäftigt. Seit vergangenem Jahr ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der ÖAW in Innsbruck tätig.

Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der ÖAW


“Trophic assessment of ecosystem services provided by carabid beetles in agricultural land”
lautet der Titel ihres aktuellen Forschungsprojekts zu den Ökosystemleistungen von Laufkäfern, das vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wird. 

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