10.08.2022 | Gender-Gap

JOURNALISMUS: WENIG WEIBLICHE STIMMEN IN POLITIKBERICHTERSTATTUNG

Frauen kommen in der medialen Politikberichterstattung deutlich weniger vor als Männer. Eine Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat nun erstmals auf breiter Basis journalistische Einflüsse auf die Repräsentation von Frauen in der politischen Berichterstattung reichweitenstarker österreichischer Medien untersucht. Die Arbeit, die in der Fachzeitschrift „Journalism and Mass Communication Quarterly” veröffentlicht wurde, zeigt ein komplexes Geflecht aus Einflüssen.

© Sam McGhee/Unsplash

Frauen kommen in der medialen Politikberichterstattung deutlich weniger vor als Männer. Eine Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat nun erstmals auf breiter Basis journalistische Einflüsse auf die Repräsentation von Frauen in der politischen Berichterstattung reichweitenstarker österreichischer Medien untersucht. Die Arbeit, die in der Fachzeitschrift „Journalism and Mass Communication Quarterly” veröffentlicht wurde, zeigt ein komplexes Geflecht aus Einflüssen.

Weibliche Stimmen sind in der politischen Berichterstattung in österreichischen Medien deutlich unterrepräsentiert. „In lediglich 25 Prozent der Beiträge kommen Frauen mit einer Meinung oder Einschätzung vor, während Männer in 68 Prozent zu Wort kommen. Nur durch die Unterrepräsentation von Frauen in gesellschaftlichen Schlüsselpositionen lässt sich dieser eklatante Unterschied nicht erklären“, sagt Andreas Riedl vom Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der mit seinen Kolleg*innen journalistische Einflüsse auf dieses Ungleichgewicht im Rahmen einer von der Stadt Wien geförderten Studie untersucht hat.

Die Forscher*innen haben mehr als 3.500 politische Beiträge verschiedener reichweitenstarker österreichischer Medien analysiert. Zudem wurden den Autor*innen der Beiträge ein Fragebogen vorgelegt und zwei Dutzend Tiefeninterviews geführt, um die Entstehung der Berichte zu rekonstruieren. „Auf dieser Basis haben wir ein Modell erstellt, das viele Einflussfaktoren berücksichtigt, von der journalistischen Kultur über die Rolle der Redaktion bis zur Gender-Identität der Journalist*innen“, sagt Co-Autor Tobias Rohrbach. Damit stellen die Forschenden der ÖAW erstmals eine breit gefächerte Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Repräsentation von Frauen in der Politikberichterstattung zur Verfügung.

Journalistische Kultur und Gender von Journalist*innen als Einflüsse

Wie häufig die Perspektiven von Frauen abgebildet werden, hängt mit den Selbstverständnissen der Journalist*innen zusammen. „Je nachdem, wie Medienschaffende sich und ihre journalistische Arbeit begreifen und welche professionellen Werte sie vertreten, variiert der Anteil von Frauen in ihren Beiträgen“, so die Autor*innen. Einen statistisch klar nachweisbaren Effekt hat auch die Genderidentität der Journalist*innen. In Beiträgen mit weiblicher Urheberschaft kommen deutlich mehr Frauen zu Wort, wenn auch in nach wie vor geringerem Umfang als Männer. „Das bedeutet nicht, dass es schlicht zu wenig Frauen im Journalismus gibt, das Geschlechterverhältnis ist in Österreich ziemlich ausgeglichen. Weitere Forschung muss sich vielmehr fragen, welche Rolle Gender im Redaktionen spielt“, so Riedl. So könnte es zum Beispiel sein, dass Frauen und Männer unterschiedlich mit Quellen interagieren oder dass das Geschlecht von Redakteur*innen Einfluss darauf hat, welche Aufgaben sie im Redaktionsalltag übernehmen.

Die Analyse zeigt zudem, dass schriftliche Leitlinien innerhalb von Redaktionen bisher kaum Auswirkungen auf die Repräsentation von Frauen haben. „Solche Regeln greifen eher, wenn es um ein ausgeglichenes internes Geschlechterverhältnis, zum Beispiel auf Kommentar- und Kolumnenseiten geht, spielen aber für die Repräsentation weiblicher Stimmen in einzelnen Beiträgen noch kaum eine Rolle“, sagt Riedl. Wichtig sei es hier, genau in den Blick zu nehmen, wie solche Leitlinien entwickelt und in Organisationen implementiert werden.

Strukturelle Gründe

Aus Tiefeninterviews schließen die Forschenden, dass die journalistischen Gründe für die Unterrepräsentation von Frauen vielschichtig sind. „Es gibt gewachsene Quellennetzwerke, die Männer bevorzugen und auf die Journalist*innen gerade unter Zeitdruck gerne zurückgreifen. Frauen werden zudem als schwerer zu erreichen beschrieben, weil sie neben ihrem Beruf häufig auch noch Care-Arbeit übernehmen. Außerdem haben Männer oft weniger Hemmungen, mit Ihrer Meinung an die Öffentlichkeit zu gehen“, sagt Co-Autorin Christina Krakovsky. Daneben spielen natürlich auch gesellschaftliche Normen und Werte außerhalb des Journalismus eine Rolle. „Geschlechterrollen sind in unserem Denken sehr tief verankert. Hier gibt es für die Forschung noch viel zu tun“, so das Studienteam.

 

PUBLIKATION

"'I Can’t Just Pull a Woman Out of a Hat': A Mixed-Methods Study on Journalistic Drivers of Women’s Representation in Political News", Andreas A. Riedl, Tobias Rohrbach, Christina Krakovsky, Journalism & Mass Communication Quarterly, 2022
DOI: https://doi.org/10.1177/10776990211073454