04.07.2016

IMPERIALE PARADIESE

Von Blumenkaisern und dem grünen Daumen der Adeligen: Der ÖAW-Kunsthistoriker Richard Kurdiovsky untersucht die Gärten der Habsburger als Orte zwischen öffentlicher Erholung und fürstlicher Repräsentation.

Bild: ÖAW/Sammlung Woldan
Bild: ÖAW/Sammlung Woldan

Gärten und Parks sind heute idyllische Oasen, die zum Verweilen und Lustwandeln einladen. Aber nicht nur: Seit der Renaissance wurden sie von Herrschern und Adeligen auch als prestigeträchtige Prunkstücke und Orte der Repräsentation angelegt. Die Habsburger galten als besonders gartenvernarrt. Schon Franz II., Napoleons Schwiegervater, wurde seines grünen Daumens wegen „Blumenkaiser“ genannt.

Das Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) veranstaltete am 29. Juni 2016 den Workshop „Gärten und Freiräume der Habsburger Monarchie“. Mit dabei war der ÖAW-Wissenschaftler Richard Kurdiovsky. Im Interview erklärt er den „typisch habsburgischen“ Zug der österreichischen Gartenkultur und erzählt, wie Joseph II. dem Volk seine Zuneigung durch die Blume mitgeteilt hat.

Volksgarten, Augarten, Schönbrunn – welche geistige Haltung lag der habsburgischen Gartengestaltung zugrunde?

Das hängt ganz davon ab, welchem Zweck ein Garten dienen sollte. Beim Wiener Augarten beispielsweise ging es darum, innerhalb kurzer Zeit und möglichst ökonomisch einen ab 1775 öffentlich zugänglichen Erholungsraum für die Bevölkerung zu schaffen. Allerdings nicht für die gesamte Bevölkerung, sondern nur für höhere soziale Schichten. Der „Pöbel“ war automatisch ausgeschlossen. Wohl deshalb wurde hier kein „moderner“ Landschaftsgarten angelegt, sondern eine bestehende kaiserliche Gartenanlage mit wenigen, vor allem architektonischen Eingriffen neu interpretiert, die nach meiner Auffassung für später entstandene Gartenanlagen in Wien, wie etwa den Volksgarten, formal Vorbild war.

Bei der zeitgleichen Neudekoration des Schönbrunner Gartenparterres wiederrum hat es sich anders verhalten: Hier wurde für den Garten der kaiserlichen Sommerresidenz Maria Theresias ein traditionell strukturiertes Figurenprogramm verwirklicht. Erst nach einer Änderung des inhaltlichen Konzepts, das sich nicht wie ursprünglich geplant verwirklichen ließ, fiel der Entschluss, auch diesen Garten 1778 öffentlich zugänglich zu machen.

Man sagt: Gartenkunst spiegele immer auch die weltanschaulichen Strömungen der jeweiligen Zeit wieder. Gibt es typische Merkmale der österreichischen Gartenkultur?

Was wir uns unter einer linearen stilistischen Entwicklung heute gerne vorstellen, also etwa dass der strenge Barockgarten als Verkörperung des Absolutismus in der Aufklärung vom „freien“ Englischen Landschaftsgarten abgelöst wird, ist im Grunde nur eine Konstruktion der Kunstgeschichte, um Orientierung zu bieten. Die Realität ist komplexer gewesen. Das Beispiel der Gärten der Habsburgermonarchie zeigt das.

Während in der Umgebung Wiens ab ungefähr 1770 eine Reihe von „klassischen“ Landschaftsgärten neu entstanden sind, gab es gleichzeitig noch Gärten wie den Augarten, dessen typische Barockmerkmale – gerade Achsen, geometrische Gartenraumfigurationen – nicht grundlegend verändert werden mussten. Übrigens auch aus funktionalen Überlegungen, nämlich um viel Raum zum Promenieren zur Verfügung zu haben.

Von einer „österreichischen Gartenkultur“ würde ich nicht sprechen – deshalb haben wir bei unserem Workshop auch kroatische Gärten ins Programm aufgenommen, um Unterschiede und Parallelen innerhalb des habsburgischen Herrschaftsgebietes zeigen zu können.

Nicht nur die Habsburger haben Gärten angelegt. Welche Rolle spielte der Hofadel? 

Man könnte vielleicht einen „typisch habsburgischen“ Zug darin sehen, dass der Hofadel zu einem früheren Zeitpunkt innovativere, modernere Anlagen geschaffen hat als die Herrscherdynastie selber. In Laxenburg beispielsweise haben die Habsburger erst ab den frühen 1780er Jahren begonnen, die barocken Gartenstrukturen dem neuen ästhetischen Ideal der „frei“ wachsenden Natur entsprechend umzugestalten, was bei den Landschaftsgärten des Adels schon längst umgesetzt wurde – etwa im heutigen Schwarzenbergpark des Feldmarschalls Moritz Graf Lacy. Ähnlich wie bei den stattlichen Adelspalästen wurden diese Gärten weniger als Konkurrenz zu den habsburgischen Anlagen gesehen, sondern lassen sich als Abglanz ihrer Herrschaft interpretieren: Der Glanz des Hauses Habsburg wird durch den Glanz seines Hofes noch gesteigert.

Wurden die österreichischen Gärten ausschließlich von der höfischen Elite geprägt?

Wenn wir einen vergleichenden Blick auf England werfen, scheint Gartenkultur in den habsburgischen Ländern tatsächlich vor allem eine Sache der Hocharistokratie gewesen zu sein. Während in England viele Landschlösser und Gärten von vermögenden Bankiers oder Juristen errichtet wurden, wie zum Beispiel durch die Bankiersfamilie Hoare in Stourhead, stammen in Österreich die bekanntesten Gärten vor allem von der höfischen Elite der Habsburgermonarchie, wie etwa der Landschaftsgarten der Familie Harrach in Bruck an der Leitha.

Dennoch gab es auch in Österreich eine – wenn auch kleine – vermögende Gruppe mit bürgerlicher Abstammung, die sich ausgedehnte Landschaftsgärten anlegen ließ. Als Beispiel sei etwa der k. u. k. Hof- und Kammerjuwelier Franz Mack genannt, der Grundstücke in Kalksburg aufgekauft hat und einen Landschaftsgarten anlegen ließ.

Was unterscheidet die ursprünglich exklusiv für den Hofadel reservierten Parkanlagen von jenen, die von vornherein für die Bevölkerung angelegt wurden?

Der Prater und der Augarten sind schöne Beispiel dafür, dass für die Benützung durch die Öffentlichkeit keine Gärten „neu“ angelegt, sondern nur bereits bestehende Anlagen für öffentlich zugänglich erklärt wurden. Wobei wir einschränkend sagen müssen, und das wissen wir aus zeitgenössischen Schriftquellen, dass diese beiden Anlagen schon vor ihrer offiziellen Öffnung von der Wiener Bevölkerung genutzt worden sind, nur eben ohne offizielles Anrecht darauf. Der Volksgarten ist tatsächlich die erste, ab 1817 völlig neu geschaffene Anlage für das Volk.

Im Prater hat es im Großen und Ganzen keine baulichen oder gartenkünstlerischen Änderungen gegeben. Im Augarten dagegen wurden wenige Jahre später Umbauten vorgenommen, um neue Funktionen zu erfüllen, wie zum Beispiel die Verpflegung durch einen Gastronomiebetrieb, aber auch, und das erscheint mir besonders bemerkenswert, um konkrete Botschaften vermitteln zu können.

So ließ Joseph II., der den Augarten für die Wiener Bürger geöffnet hat, im Zuge der Umbauten auch seine Botschaft „Allen Menschen gewidmeter Erlustigungs-Ort von ihrem Schätzer“ auf dem Eingangsportal anbringen, um seiner Bevölkerung seine „Zuneigung“ mitzuteilen. Das zeigt: Nicht die Gartenkunst allein konnte diese Botschaften transportieren.

 

 

 

Richard

Kurdiovsky ist Kunst- und Architekturhistoriker am ÖAW-Institut für kunst- und

musikhistorische Forschungen. Er unterrichtet zudem an der Universität Wien und

der Technischen Universität Wien. Sein Forschungsschwerpunkt liegt aktuell im

Bereich der „Habsburgischen Repräsentation“.

 

ÖAW-Institut für kunst- und musikhistorische

Forschungen