03.12.2018

Hyksos revolutionierten Bewässerung im Alten Ägypten

Die Hyksos regierten zwar nur rund 100 Jahre im Norden Ägyptens, prägten das Land aber für Jahrhunderte. Wie ein laufendes Forschungsprojekt an der ÖAW zeigt, brachten die Einwanderer Innovationen in Metallurgie, Töpferei und Waffentechnik mit sich – und revolutionierten die ägyptische Landwirtschaft

Gärtner mit Schaduf (© Norman de Garis Davies/Wikimedia Commons)

„Herrscher der Fremdländer“ – so lautet die wörtliche Übersetzung des gräzisierten ägyptischen Begriffs „Hyksos“. Diese stellen eine Herrscherdynastie nahöstlicher Herkunft dar, die sich zwischen 1640 und 1530 v.Chr. im östlichen Nildelta Ägyptens niedergelassen hatte. Ihre Herrschaft stützte sich auf Einwanderer aus dem Vorderen Orient, die bereits etwa 200 Jahre zuvor dorthin übersiedelt waren. Die Hintergründe dieser Migrationsbewegung, die Art der Machtübernahme der Hyksos sowie ihre Rolle in der altägyptischen Geschichte sind bis heute ein großes Rätsel geblieben, da diese Epoche nur spärlich in textlichen Quellen belegt ist.

Wie aktuelle Forschungen zeigen, haben die Hyksos in der sogenannten Zweiten Zwischenzeit, die zwischen dem Mittlerem und dem Neuem Reich (also etwa zwischen 1650 und 1550 v. Chr.) anzusetzen ist, Ägypten massiv geprägt. Das zeigt sich etwa in der Einführung von Pferden, Streitwagen, neuen Waffentechnologien und der schnellen Töpferscheibe in dieser Zeit. Wie sich nun im an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angesiedelten, vom Europäischen Forschungsrat (European Research Council – ERC) geförderten Forschungsprojekt „The Enigma of the Hyksos“ unter Leitung des Archäologen Manfred Bietak herausstellte, brachten die Hyksos auch Innovationen in der künstlichen Bewässerungswirtschaft wie etwa das sogenannte „Schaduf“ nach Ägypten.

Interkultureller Austausch in der Hauptstadt Auaris

Im Zentrum der Forschungen Manfred Bietaks stehen verschiedene Fundplätze des Vorderen Orients und Ägyptens und deren architektonische sowie materielle Hinterlassenschaften. Des Weiteren liegt ein Hauptaugenmerk auf der Auswertung in Museen befindlicher archäologischer Funde. Insbesondere Tell el-Dabʿa, wo Manfred Bietak vier Jahrzehnte lang die Grabungen geleitet hat und im Zuge dessen die alte Hyksos-Haupstadt Auaris entdeckte, steht im Fokus der Untersuchungen. Denn um 1600 v. Chr. war Auaris eine blühende Hafenmetropole mit regem Handel, Schiffsbau und Handwerksbetrieben und ein Ort des interkulturellen Austauschs: Handelsgüter, neue Technologien, kulturelle Traditionen, aber auch neue religiöse Konzepte fanden hier Eingang in das Land am Nil.

Als in der späten 12. Dynastie des Mittleren Reichs (etwa 1800 v.Chr.) Einwanderer aus Vorderasien – vermutlich wegen anhaltender, extremer Dürreperioden in den Herkunftsgebieten – nach Ägypten immigrierten, fanden sie in Auaris günstige Lebensbedingungen vor. Neben exzellenten Handwerksfähigkeiten brachten sie auch technische Innovationen mit, allen voran Hilfsmittel für die ganzjährige Bewässerungswirtschaft und in weiterer Folge Kanalsysteme zur Trinkwasserversorgung von Palästen. Wurden im Mittleren Reich, wie in Grabszenen abgebildet, Gärten noch mühsam mit Wasserträgern bewirtschaftet, so konnten mittels offener Kanalsysteme nun auch größere Flächen bestellt werden, was bei den Ausgrabungen in Tell el-Dabʿa nachgewiesen werden konnte.

Neu eingeführtes Wasserhebegerät

Dazu kam ein Wasserhebegerät zum Einsatz, welches bis dahin in Ägypten nicht bekannt gewesen war. Es handelt sich um den noch heute in Ägypten verwendeten „Schaduf“ – eine Art Hebebaum mit angehängtem Wassereimer von ca. 20 Litern auf der einen und einem Gegengewicht auf der anderen Seite. Die Verwendung des Schaduf ist anhand Grabreliefs erst ab dem Neuen Reich, um 1350 v. Chr. zu belegen, er musste aber bereits in der Zweiten Zwischenzeit eingeführt worden sein.

Ein Beleg dafür ist ein orthogonales System von Wassergräben in einer Gartenanlage neben einem palastähnlichen Herrenhaus, das Bietak und sein Team freilegen konnte. Das Volumen dieses Kanalsystems ist so groß, dass man es allein mit Wasserträgern nicht hätte bewässern können. Bei den Ausgrabungen traten auch aus gebrannten Ziegeln gemauerte Wasserkanäle zutage, die man vom Fassungsvermögen her nur mit einem Wasserhebegerät hätte befüllen können, was ebenfalls für die Einführung des Schaduf durch die Hyksos spricht. Dieses Hilfsmittel für die Landwirtschaft war bereits viele Jahrhunderte zuvor in Mesopotamien bekannt, wo der Schaduf bereits seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. nachzuweisen ist.

Mit dem in der Zweiten Zwischenzeit eingeführten, ganzjährig nutzbarem künstlichen Bewässerungssystems ging eine nicht unwesentliche Vergrößerung der Ernte von Agrarprodukten einher. Aufgrund dessen würde sich auch das Anwachsen der ägyptischen Bevölkerung von geschätzt zwei Millionen während des Mittleren Reiches auf etwa 4,5 Millionen Einwohner/innen zur Zeit des Neuen Reiches erklären lassen.

Auch die aus Tell el-Dabʿa bekannte Architektur von Tempeln vorderasiatischen Typs und die Bestattung von Eseln und Dienern vor dem Grabeingang sowie Bestattungen mit Waffen weisen auf einen Ursprung aus der Region von Nordsyrien und Mesopotamien hin, wo entsprechende Bräuche seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. gepflegt wurden. All diese Funde legen daher nahe, dass zumindest die Eliten der Hyksos und ihrer Vorgänger aus diesen Regionen in das östliche Nildelta zugewandert waren – und folgend das alte Ägypten nachhaltig geprägt haben.

 

 

Der ERC-Advanced-Grant „The Enigma of the Hyksos“ startete 2016 und wird von Manfred Bietak, dem früheren Obmann der ehemaligen Kommission für Ägypten & Levante an der ÖAW und Gründer und langjährigem ersten Direktor der Zweigstelle Kairo des Österreichischen Archäologischen Instituts der ÖAW, geleitet. In den nächsten zwei Jahren wird vor allem die Rekonstruktion der Migrationsbewegungen in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. im Mittelpunkt der Forschungen stehen.

Am Projekt sind aktuell 13 Mitarbeiter/innen beteiligt, ein Teil davon an der Bournemouth University/UK, wo bioarchäologische Analysen an menschlichen Überresten aus der nördlichen und südlichen Levante und Ägypten vorgenommen werden. Genetische und morphologische Untersuchungen sowie Strontium-Isotopen-Analysen sollen helfen, Migrationsströme mit naturwissenschaftlichen Methoden zu erfassen. Das ERC-Projekt läuft noch bis Ende 2020.

Projektwebsite "The Hyksos Enigma"