26.04.2019

Hoher Wissenschaftspreis Chinas an fünf ÖAW-Mitglieder

Die Quantenphysiker Rainer Blatt, Anton Zeilinger und Peter Zoller sowie Juan Ignacio Cirac und Jian-Wei Pan werden mit dem Micius-Preis ausgezeichnet, der heuer zum ersten Mal verliehen wird.

© Micius Quantum Foundation
© Micius Quantum Foundation

Die chinesische Micius Quantum Foundation vergibt in diesem Jahr zum ersten Mal Preise zur Förderung herausragender anwendungsoffener Forschung in der Quantenphysik. Die mit bis zu 1 Million Yuán (rund 150.000 US-Dollar) dotierten Auszeichnungen gehen heuer an zwölf Physiker, die mit ihren Arbeiten wichtige Grundlagen in der Quantenforschung geschaffen haben, mit denen weltweit neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnet werden. Das gab die Foundation am 26. April bekannt. Allein fünf der Preisträger sind Mitglieder der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und forschen oder forschten an der Universität Innsbruck, der Universität Wien und der ÖAW.

Rainer Blatt (Universität Innsbruck und ÖAW) erhält einen Micius-Preis für seine wegweisenden Experimente zu Quantencomputern, Peter Zoller (Universität Innsbruck und ÖAW) gemeinsam mit seinem ehemaligen Innsbrucker Kollegen Juan Ignacio Cirac (Max-Planck-Institut für Quantenoptik) für entscheidende theoretische Arbeiten zu Quantenrechnern. Anton Zeilinger (Universität Wien und ÖAW) wird zusammen mit seinem ehemaligen Doktoranden Jian-Wei Pan (Chinesische Universität der Wissenschaften und Technik) für bahnbrechende Experimente zu sicherer Quantenkommunikation über lange Distanzen ausgezeichnet.

Erfolg der Grundlagenforschung in Österreich

„Mit dieser internationalen Auszeichnung wird der Beitrag der österreichischen Physik zur Entwicklung von Quantentechnologien eindrücklich bestätigt“, freut sich der Experimentalphysiker Rainer Blatt. „Dieser Erfolg beruht auch darauf, dass wir in Österreich von Anfang an die Kräfte gebündelt und gemeinsam an den grundlegenden Fragen der Quantenphysik geforscht haben, so im Rahmen von Spezialforschungsbereichen des FWF oder an den Akademie-Instituten für Quantenoptik und Quanteninformation.“

„Österreich mag geografisch ein kleines Land sein, in der Quantenphysik ist es eine internationale Größe. Das machen gleich drei Micius-Preise des Forschungsgiganten China eindrucksvoll deutlich“, sagt Anton Zeilinger, der auch Präsident der ÖAW ist. „Diese Preise sind ein Erfolg der österreichischen Grundlagenforschung, die früh das große Potential von Quantentechnologien erkannt hat. Zugleich hoffe ich, dass die Preise auch ein Impuls sind: Für die Politik, die Quantenforschung in Österreich weiter zu unterstützen und für junge Menschen, ihre mutigen Ideen in diesem Fach zu verfolgen“, so Zeilinger.

„Die österreichische Quantenphysik genießt weltweit einen sehr guten Ruf, was durch diese Auszeichnungen unterstrichen wird“, sagt Peter Zoller. „Was uns aber besonders freut, ist dass inzwischen viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachdrängen und die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre mit Begeisterung fortsetzen. Ich hoffe, dass die österreichische Forschungspolitik dieses Potential erkennt und diese jungen Menschen ebenso nachhaltig fördert, wie dies bisher geschehen ist.“

Die drei österreichischen Preisträger im Porträt

Rainer Blatt (Jg. 1952) promovierte 1981 an der Universität Mainz, danach forschte er bei Physik-Nobelpreisträger John L. Hall am Joint Institute for Laboratory Astrophysics (JILA) der University of Colorado in den USA. 1983 ging er an die Freie Universität Berlin und von dort an die Universität Hamburg, wo er sich im Fach Experimentalphysik habilitierte. Nach einer Professur an der Universität Göttingen folgte er 1995 einem Ruf an die Universität Innsbruck. Seit 2003 ist Blatt auch Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW. Er ist zudem wirkliches Mitglied der Akademie. Bei seinen Forschungen ist ihm u.a. erstmals die Quantenteleportation mit Atomen gelungen, zudem realisierte er in den vergangenen Jahren die wesentlichen Bausteine eines Quantencomputers.

Anton Zeilinger (Jg. 1945) promovierte 1971 an der Universität Wien und habilitierte sich 1979 an der TU Wien. Nach Forschungen am Massachusetts Institute of Technology (MIT), wo er mit Physik-Nobelpreisträger Clifford G. Shull zusammenarbeitete, wurde er 1990 an die Universität Innsbruck berufen. Es folgten Gastprofessuren an der Humboldt-Universität zu Berlin, am Merton College an der Oxford University und der Chaire International am Collège de France. 1999 wechselte er an die Universität Wien. 2003 wurde er Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW und ist seit 2013 Präsident der ÖAW. Bekannt wurde er u.a. mit seinen Experimenten zur Quantenverschränkung. 1997 konnte er die erste Quantenteleportation demonstrieren. Er realisierte zahlreiche Bauteile eines optischen Quantencomputers und publizierte theoretische und experimentelle Arbeiten zur Vielteilchenverschränkung. Zuletzt war Zeilinger am ersten quantenkryptografisch verschlüsselten Video-Telefonat über zwei Kontinente maßgeblich beteiligt, das mithilfe des chinesischen Quantensatelliten Micius 2017 zwischen Wien und Peking geführt wurde.

Peter Zoller (Jg. 1952) promovierte 1977 an der Universität Innsbruck. Seine Forschungen führten ihn an die University of Southern California und nach Auckland in Neuseeland bevor er sich 1981 in Innsbruck habilitierte. Er war Visiting Fellow und später Fellow am JILA sowie ab 1991 Full Professor an der University of Colorado. 1994 folgte er einem Ruf der Universität Innsbruck. Seit 2003 ist das wirkliche Mitglied der ÖAW zudem Wissenschaftlicher Direktor am Innsbrucker Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW. Gastprofessuren führten ihn in nahezu alle wichtigen Physikzentren der Welt, darunter an die Harvard University, die Tsinghua Universität oder das Max-Planck-Institut für Quantenoptik. Zoller leistet mit seiner Forschung Pionierarbeit in der Quantenoptik und -informationsverarbeitung. So basiert das bisher erfolgversprechendste Modell eines Quantencomputers auf einem von ihm gemeinsam mit Quantenphysiker Juan Ignacio Cirac entworfenen Konzept der Wechselwirkung von Lasern mit kalten, in einer elektromagnetischen Falle gespeicherten Ionen.

Die ausländischen ÖAW-Mitglieder Cirac und Pan im Porträt

Juan Ignacio Cirac (Jg. 1965) studierte an der Universidad Complutense de Madrid, wo er 1991 auch promovierte. Danach lehrte er an der Universidad de Castilla-La Mancha und forschte u.a. an der University of Colorado. Von 1996 bis 2001 war er Professor für Theoretische Physik an der Universität Innsbruck. Seit 2001 ist er wissenschaftlicher Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und seit 2002 zudem Professor an der TU München. Er ist ausländisches Mitglied der ÖAW seit 2003. Zu seinen am meisten zitierten Arbeiten gehört der gemeinsam mit Peter Zoller ausgearbeitete Vorschlag eines Ionenfallen-Quantencomputers.

Jian-Wei Pan (Jg. 1970) studierte an der Universität der Wissenschaften und Technik im chinesischen Hefei. 1996 ging er für sein Doktorat nach Österreich, zunächst an die Universität Innsbruck und dann an die Universität Wien, wo er 1999 bei Anton Zeilinger promovierte. An der Universität Heidelberg baute er eine Forschungsgruppe zu Quantenoptik und Quanteninformation auf, bevor er 2008 nach China zurückkehrte. Er ist Professor an der Chinesischen Universität der Wissenschaften und Technik, deren Vizepräsident er auch seit 2014 ist. Pan wurde 2016 zum ausländischen Mitglied der ÖAW gewählt. Einer seiner bisher bekanntesten Forschungserfolge ist der Start des weltweit ersten Quantensatelliten Micius, der 2016 mit österreichischer Beteiligung von China ins All befördert wurde.

Preisverleihung im September in China

Der Preis wird den Preisträgern am 20. September 2019 in der chinesischen Stadt Hefei verliehen. Er ist benannt nach dem chinesischen Philosophen Micius, der im fünften Jahrhundert v. Chr. lebte und entdeckte, dass sich Licht geradlinig ausbreitet. Das Preiskomitee setzt sich zusammen aus Vertretern großer und international renommierter chinesischer Wissenschaftsinstitutionen wie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, der Pekinger Tsinghua-Universität, der Chinesischen Universität der Wissenschaften und Technik oder der Zhejiang-Universität in Hangzhou.

Alle Micius-Preisträger im Überblick

Theoretische Arbeiten zum Quantencomputer:

  • David Deutsch
  • Peter Shor
  • Juan Ignacio Cirac und Peter Zoller

Experimentelle Arbeiten zum Quantencomputer:

  • Rainer Blatt
  • David J. Wineland

Theoretische Arbeiten zur Quantenkommunikation:

  • Stephen Wiesner
  • Charles H. Bennett und Gilles Brassard
  • Artur Ekert

Experimentelle Arbeiten zur Quantenkommunikation:

  • Jian-Wei Pan und Anton Zeilinger

 

Pressebilder

Micius Prize

 

Rückfragehinweis

Sven Hartwig
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