11.12.2020 | Leukämie

Hämatoxylin killt mutierte Blutzellen

Der in der Histologie gebräuchliche Farbstoff Hämatoxylin kann Zellen mit einer krebserregenden Mutation des Gens Calreticulin selektiv abtöten. Zu diesem Ergebnis kam ein Team um Molekularbiolog/innen der ÖAW. Die im Fachjournal „Blood“ erschienene Studie eröffnet einen neuen Therapieansatz, der bei bestimmten Blutbildungsstörungen verhindert, dass sich aus der chronischen Erkrankung eine akute Leukämie entwickelt.

Werden vom Körper zu viele rote oder bestimmte weiße Blutkörperchen produziert, kann das zu akuter Leukämie führen. Forscher/innen der ÖAW sind nun einem neuen Therapieansatz auf der Spur. © Shutterstock

Als „Myeloproliferative Neoplasien“ (MPN) wird in der Medizin eine Gruppe bösartiger Erkrankungen des Knochenmarks zusammengefasst. Diese spezielle Art von Blutkrebs geht einher mit exzessiver Produktion roter, bestimmter weißer Blutkörperchen und/oder Blutplättchen. Besonders problematisch ist, dass sich bei einem Teil der MPN-Patient/innen – speziell bei Primärer Myelofibrose – eine akute Leukämie entwickelt. Wie sich das verhindern ließe, ist eine Forschungsfrage, der Wissenschaftler/innen der Forschungsgruppe von Robert Kralovics am CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und Forschungsgruppenleiter an der Medizinischen Universität Wien, auf der Spur sind. In einer aktuellen Publikation im Fachjournal „Blood“ berichten sie, dass dem in der Histologie gebräuchlichen Farbstoff Hämatoxylin dabei eine neue Rolle zukommen könnte.

Kralovics und sein Team beschäftigen sich bereits seit mehreren Jahren mit Myeloproliverativen Neoplasien und mit genetischen und molekularbiologischen Zusammenhängen bei der Entwicklung hin zu einer akuten Leukämie. In der aktuellen Studie stand das bereits 2013 entdeckte Calreticulin-Gen (CALR) im Fokus, das bei MPN-Patient/innen häufig in mutierter Form als Onkogen funktioniert. Aktuelles Ziel war es, die krebsauslösende Wirkung an den Interaktionen in der Zelle festzumachen und geeignete Substanzen zu identifizieren, die die fatale Wirkung stoppen könnten.

Hämatoxylin-Verbindungen töten mutierte CALR-Zellen

„In unserer Studie haben wir versucht, kleine Moleküle zu identifizieren, die die Interaktion zwischen dem mutierten Calreticulin und dem Thrombopoietin-Rezeptor blockieren könnten“, erklärt Studienleiter Robert Kralovics. Dafür nutzten die Wissenschaftler/innen sogenannte in-silico-Docking-Studien. „Darunter versteht man virtuelle Screenings – computergestützte Simulationen biochemischer Prozesse –, die immer genauer werdende Vorhersagen ermöglichen“, so Studienerstautor Ruochen Jia. Solche Screenings führten auf die Spur von Chemikalien, die den Wachstumsvorteil von CALR-mutierten Zellen klar verhindern konnten. Als besonders effizient stellten sich dabei Hämatoxylin-Verbindungen heraus, die seit langem in histologischen Färbeverfahren im Einsatz sind. „Unsere Daten lassen den Schluss zu, dass solche Moleküle die CALR-mutierten Zellen selektiv töten können, indem sie die Interaktion zwischen Calreticulin und dem Thrombopoietin-Rezeptor unterbinden und die onkogene Signalübertragung hemmen“, so die Studienautoren.

Lichtblick für Therapie Primärer Myelofibrose

„Unsere Studie belegt das enorme therapeutische Potenzial einer CALR-Inhibitor-Therapie“, erklärt Kralovics, „Die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Primärer Myelofibrose (PMF) erzielt nach wie vor schlechte klinische Ergebnisse. Sie haben die deutlichste Tendenz dazu, eine akute myeloische Leukämie zu entwickeln. Da etwa ein Drittel der PMF-PatientInnen eine CALR-Mutation aufweisen, könnten diese besonders von dem neuen Therapieansatz profitieren.“

 

AUF EINEN BLICK

Publikation:

„Hematoxylin binds to mutant calreticulin and disrupts its abnormal interaction with thrombopoietin receptor“, Ruochen Jia et al., Blood,2020
DOI: doi.org/10.1182/blood.2020006264

Förderung:

Die Studie wurde vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützt.