27.05.2019

Grundlagenforschung liefert neuen Ansatz für Kombi-Therapien bei Krebs

Molekularmediziner/innen der ÖAW konnten ein bisher unbekanntes Zusammenspiel eines genregulierenden Proteins mit einem Vitamin-Stoffwechsel-Enzym entdecken. Die Hemmung von beiden gemeinsam könnte das Wachstum von Tumoren eindämmen. Das berichten die Forscher/innen nun im Fachjournal „Nature Genetics“.

© CeMM_Franzi Kreis

Epigenetische Prozesse ermöglichen es Zellen, auf Veränderungen in ihrer Umgebung zu reagieren, indem sie die Aktivität ihrer Gene regulieren. Eines der Proteine, die dabei eine zentrale Rolle spielen, ist BRD4. Schon 2016 hatten Wissenschaftler/innen rund um Stefan Kubicek am CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zu dieser spezifischen Wirkungsweise von BRD4 publiziert.

Nun gelang es den Forscher/innen, in diesem Zellmodell systematisch zu testen, wie sich der Verlust jedes einzelnen der rund 23,000 menschlichen Gene auf die Aktivität von BRD4 auswirkt. Überraschenderweise wurde dabei das Zusammenspiel eines Enzyms aus dem Stoffwechsel des Vitamins „Folsäure“ mit der Genregulation entdeckt. Die Ergebnisse der Studie, an der auch das Institut für Molekulare Pathologie (IMP) und die Medizinische Universität Wien mitgewirkt haben, wurden nun im Fachblatt „Nature Genetics“publiziert.

Neue Einblicke in Genregulation und Tumorwachstum

„Wir hätten erwartet, einen der klassischen epigenetischen Faktoren zu finden“, so ÖAW-Forscher Kubicek, „umso mehr hat es uns überrascht, dass der beste Treffer MTHFD1 war.“ Dieses Enzym ist in den Folsäure-Zyklus involviert, einem Vorgang, der – wie man bisher dachte – nichts mit BRD4 zu tun hat. Zumal MTHFD1 hauptsächlich im Zellplasma vorkommt, während BRD4 im Zellkern arbeitet. Laborversuche zeigten nun jedoch, dass sich ein kleiner Teil des MTHFD1-Proteins auch im Zellkern findet. Durch die Interaktion mit BRD4 trägt MTHFD1 zur Genregulation bei.

Klinische Relevanz erhält diese Erkenntnis für Tumore, bei denen die Fehlregulation von BRD4 eine Rolle spielt. Einerseits sind Tumore bekannt, die direkt durch genetische Veränderungen am BRD4-Gen angetrieben werden, andererseits trägt BRD4 in einer Vielzahl weiterer Krebserkrankungen über seine Rolle in der Genexpression zum Zellwachstum bei. Dementsprechend haben Pharmafirmen hochaktive BRD4-Inhibitoren entwickelt, die momentan gerade in klinischen Studien getestet werden. Doch in der Praxis reicht eine Therapie, die auf nur einer Substanz basiert, oft nicht aus.

Therapien zielgerichteter einsetzen

Die Entdeckung des Zusammenspiels von BRD4 und MTHFD1 verspricht neue Ansätze in der Krebstherapie, insbesondere bei der Behandlung besonders aggressiver Tumore. Antifolate, also Stoffe, die den Folsäurezyklus hemmen, werden schon seit mehr als 70 Jahren in der Krebstherapie und auch gegen Krankheiten wie rheumatoide Arthritis eingesetzt. Die neue Studie zeigt, dass die Antifolate mit BRD4-Inhibitoren kombiniert, und so Tumore noch effektiver bekämpft werden können.

Die Ergebnisse könnten auch dazu beitragen, Therapien zielgerichtet einzusetzen. „Allenfalls können aufgrund unserer Erkenntnisse auch Patienten ausgewählt werden, die aufgrund ihres Folsäurelevels und ihrer Genetik besonders gut auf BRD4 Inhibitoren ansprechen“, so Stefan Kubicek.

 

Publikation:

“MTHFD1 interaction with BRD4 links folate metabolism to transcriptional regulation”. Sara Sdelci et al. Nature Genetics, 2019
DOI: 10.1038/s41588-019-0413-z.

Förderung:

Die Studie wurde finanziert durch Fördermittel vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, der Österreichischen Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung, des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und des European Research Council (ERC) im Rahmen des Horizon 2020 Programms.

CeMM der ÖAW