27.03.2018

Antimaterie – die große Unbekannte

Young Academics: Beim Big Bang sind Materie und Antimaterie entstanden, sagt zumindest die Theorie. Jedoch löschen sich laut dieser beide gegenseitig aus, wenn sie aufeinandertreffen. Die Physikerin Bernadette Kolbinger will wissen, woher dann die überschüssige Materie kommt, aus der unser Universum besteht.

© ÖAW/Klaus Pichler

All die Materie, die uns umgibt, wie auch wir selbst, wurde während des Big Bang – dem Urknall – aus Energie erschaffen. Dabei wurde nicht nur Materie, sondern auch Antimaterie in gleichen Mengen produziert. Teilchen und Antiteilchen, die die Antimaterie aufbauen, haben die gleichen Eigenschaften, nur ihre Ladungen haben ein umgekehrtes Vorzeichen. Materie gibt es reichlich in unserem Universum, was bisher aber noch nicht gefunden werden konnte, sind große Cluster an Antimaterie. Woher also kommt die scheinbare Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie?

Am Stefan-Meyer-Institut für subatomare Physik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) versuchen Forscher/innen genau diese Frage in ihren Experimenten zu beantworten. Eine der Wissenschaftler/innen ist Bernadette Kolbinger. Sie ist Dissertantin am Institut. „Die Menge an Materie, die im Universum existiert, lässt sich mit dem Standardmodell der Teilchenphysik nicht erklären. Dieses besagt, dass das Universum symmetrisch ist und dass es zu jedem Teilchen ein Antiteilchen gibt, das sich nur in der Ladung unterscheidet. Wenn ein Teilchen auf sein Antiteilchen trifft, löschen sie einander aus. Demnach hätten sich Materie und Antimaterie kurz nach dem Urknall gegenseitig aufgehoben. Aber warum gibt es dann uns und das Universum um uns herum?“

Warum gibt es uns und das Universum um uns herum?


Wasserstoff gibt Antworten

Gute Frage. Liegt der Fehler vielleicht in der Theorie? Um das herauszufinden braucht es die experimentelle Überprüfung. Dabei versuchen die Wissenschaftler/innen einen Unterschied zwischen Materie und Antimaterie zu finden. „Die Elektronen in einem Atom können von einer Schale in die andere springen und dabei wird Energie abgegeben. Diese Übergänge vergleichen wir im Wasserstoff und Antiwasserstoff in unseren Experimenten und schauen, ob wir da einen Unterschied finden“, erklärt Kolbinger.

In einem ersten Schritt muss zunächst also Antiwasserstoff hergestellt werden, wofür sogenannte Positronen und Anti-Protonen benötigt werden. Positronen erhält man relativ leicht, da sie bei radioaktivem Zerfall entstehen. Anti-Protonen kommen hingegen in der Natur nur selten vor, wie zum Beispiel in der kosmischen Strahlung, einer hochenergetischen Teilchenstrahlung, die von der Sonne, der Milchstraße und von fernen Galaxien kommt. Hier auf der Erde können Anti-Protonen allerdings auch hergestellt werden - und zwar im Labor am europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf.

„In meiner Dissertation beschäftige ich mich mit dem Detektor, der sich ganz am Ende des Versuchsaufbaus im Labor befindet. Der Detektor dient dazu, zu zählen, wie viele Antiwasserstoffatome am Ende der Apparatur ankommen“, so Kolbinger. „Die Frage ist dann, ob bei den Messungen von Antiwasserstoff dasselbe herauskommt wie bei Wasserstoff. Wenn ein Unterschied in den Energieübergängen zwischen Materie und Antimaterie gefunden werden sollte, kann das dazu beitragen, die ungleiche Verteilung von Materie und Antimaterie zu erklären“.

„Machine Learning“ am CERN

Da alle Experimente am CERN durchgeführt werden, verbringt Kolbinger etwa die Hälfte des Jahres an einer der spannendsten Forschungseinrichtungen der Welt. „Es ist wahnsinnig aufregend hier zu arbeiten. Die Versuchsanlage, die ich verwende, teile ich mir mit vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der ganzen Welt, sodass wir in Schichten arbeiten müssen“, erzählt Kolbinger von ihrer Arbeit in der Schweiz.

Es ist wahnsinnig spannend, sich mit Dingen zu beschäftigen, die noch niemand zuvor erforscht hat.


Der Detektor, den die junge Forscherin in ihren Experimenten verwendet, setzt „Machine Learning“ ein. Ein Algorithmus kann trainiert werden, um Daten in Signal und Background einzuteilen. „Denn im Detektor sieht man nicht nur das Signal des Antiwasserstoffs, sondern auch andere Teilchen, wie kosmische Teilchen – die müssen auseinandergehalten werden“, erklärt Kolbinger.

Noch konnte kein Unterschied bei den Elektronenübergängen zwischen Materie und Antimaterie gefunden werden. Doch Kolbinger hat noch etwas Zeit, um ihre Dissertation fertigzustellen. Auch danach möchte die Wissenschaftlerin weiterhin in der Forschung arbeiten, denn: „Mir macht es großen Spaß und es fühlt sich gar nicht wie Arbeit an. Es ist so faszinierend solch essentielle Fragen zu ergründen. Ich finde es auch toll, in einer internationalen Kollaboration mitzuarbeiten, bei Konferenzen meine Arbeit zu präsentieren und interessante Menschen zu treffen. Es ist wahnsinnig spannend, sich mit Dingen zu beschäftigen, die noch niemand zuvor erforscht hat.“

 

Bernadette Kolbinger ist PhD-Student am Stefan-Meyer-Institut für subatomare Physik der ÖAW. Sie studierte an der Fakultät für Physik der Universität Wien. Eine Hälfte des Jahres forscht sie am ÖAW-Institut, die andere Hälfte am Genfer CERN, an dem Österreich eines von 22 Mitgliedsländern ist.

Stefan-Meyer-Institut der ÖAW