Nach Schätzung der UNESCO sind etwa die Hälfte der 6000–7000 Sprachen der Erde davon bedroht, bis zum Ende des Jahrhunderts zu verschwinden. Viele dieser Sprachen sind ungeschrieben und kaum dokumentiert. Die Erforschung und Dokumentation bedrohter Sprachen ist daher ein zentrales linguistisches Anliegen.

Im Phonogrammarchiv hat linguistische Feldforschung zu kaum oder undokumentierten Sprachen von Anfang an eine wichtige Rolle gespielt. Durch die Verfügbarkeit der Tonaufnahmetechnologie war die klingende Wiedergabe gesprochener Sprache möglich geworden, was der sprachwissenschaftlichen Forschung und Dokumentation eine neue Dimension eröffnete. So wurden mit dem am Phonogrammarchiv entwickelten Archiv Phonograph bereits im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts Feldforschungen in so abgelegenen Gebieten wie Papua-Neuguinea, Brasilien, der Kalahari oder Grönland durchgeführt. Als Magnetbandaufnahmegeräte verfügbar wurden, wurden in den 1950er und 1960er Jahrenlandesweit flächendeckend Proben österreichischer Dialekte des Deutschen und anderer in Österreich gesprochener Sprachen aufgenommen.

Heute bedient sich die sprachwissenschaftliche Feldforschung des Phonogrammarchivs auch der Videoaufnahme, und Forschung und Dokumentation konzentrieren sich auf eine Reihe bedrohter westhimalajischer Sprachen aus dem Distrikt Kinnaur des indischen Bundesstaates Himachal Pradesh, die im Verlauf des FWF-Projekts P15046 Dokumentation oraler Traditionen in Spiti und Upper Kinnaur (wieder)entdeckt wurden und die nur in einigen wenigen Dörfern gesprochen werden. Seit Januar 2019 widmet sich das Kooperationsprojekt Korpus Österreichische Dialektaufnahmen im 20. Jahrhundert der Aufarbeitung der Tonaufnahmen zu österreichischen Dialekten des Deutschen.