CLARIN


Das Phonogrammarchiv als CLARIN K-Centre

Seit 2015 ist das Phonogrammarchiv so genanntes Knowledge Centre (K-Centre) im Netzwerk Common Language Resources and Technology Infrastructure (CLARIN). CLARIN wurde im Jahr 2012 gegründet und ist ein europäisches Forschungsinfrastruktur-Konsortium (ERIC). Ziel von CLARIN ist es, den Zugang zu Daten und Metadaten im Bereich Sprache sowie zu Tools für linguistische Forschung zu erleichtern. Innerhalb des CLARIN-Netzwerks unterstützen derzeit 31 K-Centres Institutionen und Individuen mit ihrer Expertise in ihren spezifischen Kompetenzbereichen in Bezug auf Sprachen und Dialekte. Als österreichisches K-Centre ist das Phonogrammarchiv Teil des Konsortiums CLARIAH-AT.

Open Science seit 1899

Bereits vor 125 Jahren wurde das Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit einem Open Science-Ansatz gegründet: Von Beginn an war es Ziel, Aufnahmen für wissenschaftliche Forschung zu produzieren, wobei Sprachen und Dialekte schon zu den Schwerpunkten der Gründungsphase gehörten. Das Phonogrammarchiv ist nach wie vor aktiv und beherbergt heute umfangreiche Bestände von Tonaufnahmen – seit 2002 auch Videoaufnahmen – aus aller Welt, die die globale Sprach- und Dialektentwicklung über mehr als ein Jahrhundert dokumentieren. Einige unserer Bestände wurden als UNESCO Memory of the World oder Memory of Austria registriert.


Ressourcen & Dienstleistungen

Als ältestes Tonarchiv der Welt verfügen wir über eine lange Tradition und reiche Erfahrung in verschiedenen Formaten der Dissemination von Wissen und in praktischen Trainings. Als CLARIN K-Centre bieten wir Zugang zu unseren Sammlungen (Daten und Metadaten) – je nach rechtlichen und ethischen Bedingungen entweder online, auf Anfrage oder vor Ort. Zugang zu unseren Sammlungen bietet unser Online-Katalog.

Wissenschaftler:innen waren schon immer unsere Hauptnutzer:innen, aber wir möchten unsere Sammlungen so weit wie möglich zugänglich machen, z. B. für Bildung, Museen, die Medien, die Künste und die breite Öffentlichkeit. Besonders wichtig ist uns dabei die Kollaboration mit den Nachkommen derjenigen, die aufgezeichnet wurden.

Neben dem Zugang zu unseren Ressourcen bieten wir Beratung und Trainings in den folgenden Bereichen an:

  • Konservierung, Restaurierung & Digitalisierung von historischen Ton- und Videoträgern
  • Abspielgeräte & Obsoleszenz
  • Methoden und Technologien der AV-gestützten Forschung in den Sozial- und Geisteswissenschaften mit Schwerpunkt auf Feldforschung
  • Erschließung & Kontextualisierung
  • Provenienzforschung & Rezirkulierung
  • Rechtliche & ethische Fragen

Detailliertere Einblicke in unsere aktuellen Aktivitäten finden Sie in unserem neuen Beitrag zur Tour de CLARIN.


Kontakt

Wenn Sie unsere Ressourcen nutzen oder unsere Services in Anspruch nehmen möchten, kontaktieren Sie uns bitte unter pha(at)oeaw.ac.at.


  

UNESCO


„TONAUFNAHMEN ÖSTERREICHISCHER DIALEKTE 1951–1983“ IN DAS NATIONALE „MEMORY OF THE WORLD“-REGISTER DER UNESCO AUFGENOMMEN

Die Tonaufnahmen, entstanden zwischen 1951 und 1983, stellen eine flächendeckende Audio-Dokumentation der österreichischen Dialektlandschaft dar: sie repräsentieren in quantitativ und qualitativ umfassendem Maße die dialektalen Varietäten nach der Mitte des 20. Jahrhunderts, die zum Entstehungszeitpunkt in methodisch neuartiger Weise erhoben wurden.

Das Korpus von 1748 Tonaufnahmen auf Magnetband entstand in den Jahren 1951–1983 im Rahmen einer Kooperation des Phonogrammarchivs der ÖAW und der sog. „Wörterbuchkanzlei“ der ÖAW (i.e. „Kommission zur Schaffung des Österreichisch-Bayerischen Wörterbuches“, ab 1969 „Kommission für Mundartkunde und Namenforschung“) und bildet einen gewichtigen Teil der Dialektaufnahme­bestände des Phonogrammarchivs. Die im Zuge groß angelegter Feldforschung in zahlreichen Orten in sämtlichen Bundesländern hergestellten Tonaufnahmen stellen eine wertvolle  Primärquelle für verschiedene Forschungsdisziplinen dar und repräsentieren darüber hinaus einen besonderen Teil des kulturellen Erbes Österreichs und der Identität seiner Bevölkerung.

Erstmalig wurde mit diesem Korpus, das sich durch eine große Streuung an Orten und Sprecher/innen auszeichnet, eine Dokumentation dialektaler Sprache in ihrem tatsächlichen Gebrauch erstellt, indem die Sprecher/innen in Konversationen und in freier Rede aufgenommen wurden. Entsprechend der realen demographischen Situation wurden dabei neben Varietäten des Deutschen auch solche von anderen Erstsprachen österreichischer Volksgruppen aufgenommen. Durch das erhebliche Alter der Aufnahmen sind dialektale Ausprägungen dokumentiert, die heute längst verschwunden sind. Auch gewährt die drei Jahrzehnte umspannende Dokumentation Einblick in den Wandel von in Österreich gesprochenen Sprachvarietäten. Da sich die aufgenommenen Sprecher/innen oft zu Thematiken aus ihrem unmittelbaren Lebensumfeld und Aspekten ihrer Kultur äußerten, mitunter auch Proben des traditionellen Erzählgutes darboten, sind die Aufnahmen zudem von hoher sozial- und kulturgeschichtlicher Relevanz.

Die Aufnahmen werden nun auch im Rahmen des Kooperationsprojekts Korpus Österreichische Dialektaufnahmen im 20. Jahrhundert aufgearbeitet, das in enger Zusammenarbeit zwischen der Forschungsabteilung "Variation und Wandel des Deutschen in Österreich" des ACDH, dem Phonogrammarchiv und dem SFB "Deutsch in Österreich. Variation – Kontakt – Perzeption"(F60) durchgeführt wird.

 

Links:

Memory of Austria-Verzeichnis, Tonaufnahmen österreichischer Dialekte 1951-1983

ORF Science: Geistberger / Wieselberg: Dialektarchiv ist UNESCO-Welterbe

ÖAW: Dialektaufnahmen der ÖAW im „Gedächtnis der Menschheit“

Hörbeispiele

Kooperationsprojekt Korpus Österreichische Dialektaufnahmen im 20. Jahrhundert


„SAMMLUNG KOTEK“ IN DAS NATIONALE „MEMORY OF THE WORLD“-REGISTER DER UNESCO AUFGENOMMEN

Die bedeutende Sammlung von frühen Volksmusikaufnahmen aus den Beständen des Phonogramarchivs der ÖAW und des Archivs des Österreichischen Volksliedwerkes der ÖNB wurde 2014 in das nationale „Memory of the World“-Register aufgenommen.

Die sogen. „Kotek-Sammlung“, seinerzeit von ihrem Initiator beiden Institutionen gleichermaßen überantwortet, stellt ein einzigartiges Konvolut von Tonaufnahmen dar, welches sowohl aus ethnomusikologischer, medienhistorischer als auch forschungsgeschichtlicher Sicht von außerordentlicher Bedeutung ist.
 

Die 63 Schellackplatten (mit 118 Matrizen-Nummern) sowie 17 Decelith-Selbstschnittfolien – heute allesamt Unikate – enthalten hunderte Einzeltitel bzw. individuelle Darbietungen von zahlreichen Sängerinnen und Sängern bzw. Singgruppen aus allen österreichischen Bundesländern. Aufgenommen wurden diese Darbietungen in den Jahren 1934-37 während 12 „Volksliedersingen“, die für die Radio-Verkehrs-AG von dem Wiener Volksliedforscher und -pfleger Dr. Georg Kotek organisiert und gem. mit dem Reporter Andreas Reischek durchgeführt wurden. (Diese Mitschnitte von Teilen der jeweiligen Veranstaltungen dienten überdies als Grundlage für zeitversetzte Rundfunk-Übertragungen.) Damit stellt die Sammlung das Ergebnis des ersten Versuchs dar, die Vielfalt der aktuellen Singpraktiken und Interpretationen von traditionellen Liedern und Jodlern quasi landesweit unter gleichen Bedingungen mittels Tonaufnahmen live zu dokumentieren. (Vergleichbares zu diesem Konvolut lässt sich weder unter den wenigen Forschungsaufnahmen jener Zeit noch unter den unter Studiobedingungen entstandenen Plattenproduktionen der damaligen Unterhaltungsindustrie finden.)

Die „Kotek-Sammlung“ stellt heute eine der wichtigsten historischen Quellen für die Volksmusikforschung in Österreich dar: Denn sie vermittelt ein repräsentatives Bild des von zeitgenössischen Experten als authentisch erachteten Repertoires und – wohl noch wichtiger – der aktuellen Musizierpraxis in Österreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Die unverändert erhaltenen Originalplatten, sowie deren analoge Kopien auf Magnetband werden im Phonogrammarchiv nach dem Stand der Technik aufbewahrt. Digitalisate wurden auf der Basis einer neuen Abtastung der Originale hergestellt.


HISTORISCHE BESTÄNDE (1899–1950) IN DAS WELTREGISTER „MEMORY OF THE WORLD“ DER UNESCO AUFGENOMMEN

1999 wurden die Historischen Bestände (1899–1950) des Phonogrammarchivs (Stimmporträts, ethnologische Sammlungen Pöch, Dirr, Trebitsch, Idelsohn, u.a.) in das Weltregister „Memory of the World“ der UNESCO (Weltdokumentenerbe) aufgenommen.


UNESCO/JIKJI PREIS AN DAS PHONOGRAMMARCHIV VERLIEHEN

Das Phonogrammarchiv wurde 2007 mit diesem internationalen Preis für seine Leistungen im Bereich der Bewahrung von Audio- und Videodokumenten geehrt. Der Jikji-Preis wurde von der Stadt Cheongju City in der Republik Korea gestiftet und ist nach dem ältesten Buch der Welt benannt, das von buddhistischen Mönchen in einem Kloster der Stadt im Jahr 1377, d.h. 78 Jahre vor Gutenberg, mit beweglichen Metall-Lettern gedruckt wurde. Der Preis wird alle zwei Jahre für „signifikante Beiträge zur Bewahrung des Dokumentenerbes“ verliehen und ist mit 30.000,- US Dollar dotiert.

Die Preisverleihung fand am 4. September 2007 im Kulturzentrum der Stadt Cheongju in Gegenwart von 1200 geladenen Gästen statt. Dietrich Schüller und Bernhard Graf übernahmen seitens des Archivs den Preis aus den Händen von Nam Sang-Woo, dem Bürgermeister der Stadt. Unter den Gratulanten befanden sich der Kulturminister der Republik Korea sowie, im Wege von Video-Botschaften, Ban Ki-Moon, Generalsekretär der Vereinten Nationen, und Kodchiro Matsuura, Generaldirektor der UNESCO.

Botschaft des Generaldirektors der UNESCO Kodchiro Matsuura