Mit der Einrichtung des Phonogrammarchivs (PhA) 1899 verfolgte die damals kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien die Absicht, die neue Technik der Tonaufzeichnung für die Wissenschaft nutzbar zu machen. Es sollte also mit der Herstellung und dem Sammeln von Tonaufnahmen die Erforschung der verschiedensten Sprachen, Dialekte und musikalischen Traditionen gefördert wenn nicht sogar erst ermöglicht werden.

Zudem erblickte man in der Aufnahme bedeutender Persönlichkeiten, den „Stimmporträts“, eine wesentliche Ergänzung der Dokumentation um den Aspekt der akustischen Dimension. Schon in den ersten Zeiten wurde dieses ursprüngliche Arbeitsprogramm auf Aufnahmen aus den Bereichen der Zoologie und Medizin sowie auf „Soundscape-Aufnahmen“ (Geräusche) ausgedehnt.

Zunächst stand jedoch die Bewältigung des Problems einer möglichst verlustfreien Duplizierung und Langzeitsicherung der Schallaufnahmen für den späteren Gebrauch im Vordergrund, welches durch die Konstruktion eines speziellen Archiv-Phonographen gelöst wurde: dieser wandte Thomas Alva Edisons Aufzeichnungstechnik an, schrieb jedoch auf Wachsplatten, von denen dann in einem galvanoplastischen Verfahren Metallmatrizen angefertigt wurden.

Vom Archiv-Phonographen wurden mehrere und immer leichtere Versionen konstruiert bis dann ab 1927 die Grammophontechnik auch im PhA Einzug hielt.

Sie wurde 1951 von der Aufzeichnung auf Magnetband abgelöst, doch es dauerte noch bis 1958, bis im PhA auch tragbare Tonbandgeräte für die Feldforschung zur Verfügung standen. 1985 wurden die ersten digitalen Aufnahmen gemacht, und mit der Einführung von R-DAT Geräten 1990 etablierte sich das digitale Format endgültig. 2002 beschloss die ÖAW die Erweiterung des Phonogrammarchivs um eine Videoabteilung, die nach den Prinzipien des Audiobereichs arbeitet.

Von Anfang an wurde auf eine möglichst detaillierte technische und inhaltliche Beschreibung und Annotierung der Aufnahmen Wert gelegt um ihre weitere Auswertung zu gewährleisten.

Seit Beginn der Aufnahme- und Sammeltätigkeit des PhA sind daher auch laufend zahlreiche Publikationen erschienen, die Teile der Sammlungen bzw. vielfältige Forschungsergebnisse zu den Ton- und Videodokumenten und ihrem Kontext vorstellen (siehe Publikationen).

Die wissenschaftliche Ausrichtung und die Arbeitsweise des PhA hat seit seiner Gründung international Aufmerksamkeit erregt und so sind zahlreiche Schallarchive entstanden, die nach dem Muster des PhA angelegt wurden oder zu deren Einrichtung das PhA beratend beigetragen hat.

Die aus der Pflege der Sammlung erwachsene Kompetenz im Umgang mit historischen Tonträgern, ihrer Konservierung, Digitalisierung und Langzeiterhaltung, machte das PhA in den letzten Jahrzehnten auch zu einem anerkannten Spezialinstitut für das Abspielen historischer bzw. beschädigter Tonträger, neuerdings auch bereits obsolet gewordener Videoformate, und brachte dem Phonogrammarchiv 2007 die höchste internationale Auszeichnung auf dem Gebiet der Dokumentenbewahrung, den Jikji-Preis der UNESCO, ein.
 

Zu den Details der Gründungsphase und zur weiteren Entwicklung des PhA siehe bspw.

Exner, Sigmund (1900): Bericht über die Arbeiten der von der kaiserl. Akademie der Wissenschaften eingesetzten Commission zur Gründung eines Phonogramm-Archives. In: Anzeiger der mathem.-naturwiss. Klasse der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien 37, Beilage (= Mitteilungen der Phonogrammarchivs-Kommission; 1)

Hajek, Leo (1928): Das Phonogrammarchiv der Akademie der Wissenschaften in Wien von seiner Gründung bis zur Neueinrichtung im Jahre 1927. Wien (Sitzungsberichte der Phil.-hist. Klasse; 207/3. Mitteilungen der Phonogrammarchivs-Kommission; 58)

Graf, Walter (1964): Aus der Geschichte des Phonogrammarchivs der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. In: Bulletin phonographique 6, 9–39

Kowar, Helmut (2017): „Die Anlage einer Art phonographischen Archives“ – mehr als ein Archiv. Ein Überblick über die Geschichte des Phonogrammarchivs der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, in: Geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlicher Anzeiger, 152. Jg., Heft 1 (= 94. Mitteilungen des Phonogrammarchivs), 5–45