»Neuere Forschungen zum Neandertaler in Neumark-Nord«
»Neuere Forschungen zum Neandertaler in Neumark-Nord (Sachsen-Anhalt, D)«
Sabine Gaudzinski-Windheuser | Archäologisches Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution des Römisch-Germanischen Zentralmuseums MONREPOS
Aus dem ehemaligen Braunkohletagebau von Neumark-Nord ist seit den 1980er Jahren eine 26 ha große Seenlandschaft bekannt, die über lange Phasen der letzten Warmzeit, dem Eem Interglazial, vom Neandertaler genutzt wurde. Durch hervorragende Erhaltungsbedingungen, hochauflösende Korrelationen zwischen archäologischem Nachweis, Landschaftsrekonstruktionen und Vegetationsphasen der letzten Warmzeit, ermöglicht Neumark-Nord mit einzigartiger Detailtiefe Einblicke in die Art und Weise wie der Neandertaler seine ökologische Nische vor 120.000 Jahren ausbuchstabierte.
In Neumark-Nord sind zwei zeitgleich vom Menschen belegte Beckenstrukturen nachgewiesen. Neumark-Nord 1 repräsentiert einen 24 ha umfassenden See, dessen Ränder während verschiedener Regredationsphasen vom Menschen genutzt wurden. Charakteristisch ist hier die selektive Überlieferung großer Thanatocoenosen in hervorragender Überlieferung und gelegentliche anthropogene Signale. Die Ursachen für diesen Befund wurden sehr lange diskutiert und die Interpretationen reichen von anthropogener Einflussnahme bis hin zu natürlichen Katastrophen.
Der Nachweis im kaum mehr als 200 Metern entfernten Becken Neumark-Nord 2 kann dagegen nicht unterschiedlicher sein. Auch dieses Becken wird von einem Gewässer dominiert, das indes mit einer Tiefe von ca. einem Meter eher einem Tümpel gleicht. An seinen Rändern wurden auf sehr kleinem Bereich der nicht mal 500m² umfassenden Gesamtfundstreuung rund 120.000 Faunenreste und ca. 20.000 Steinartefakte entdeckt. Die Faunenreste lassen sich zu nahezu 170 vollständigen Tierkarkassen unterschiedlicher Großsäuger rekonstruieren, die vollständig vom Menschen ausgebeutet wurden.
Der Vortrag fokussiert auf den aktuellen Stand der Forschungen in Neumark-Nord und darüber, wie die Ergebnisse unsere Wahrnehmung über den Neandertaler verändern.