Die Toten von Ovilava – ein römerzeitliches Gräberfeld aus einer interdisziplinären Perspektive
Vortragsreihe »Neue Bioarchäologische Forschungen«
»Die Toten von Ovilava – ein römerzeitliches Gräberfeld aus einer interdisziplinären Perspektive«
Sylvia Kirchengast & Dominik Hagmann | Universität Wien
Die römische Stadt Ovilava (heute Wels in Oberösterreich) repräsentierte aufgrund ihrer günstigen Lage an der Kreuzung zweier bedeutender Fernstraßen eines der wichtigsten Handels- Kultur- und Verwaltungszentren der Provinz Noricum. Gegründet im 1.Jht. n.Chr. blieb Ovilava bis zu ihrem Untergang Ende des 5.Jhts eine Zivilstadt, deren Bevölkerung in den Nekropolen vor den Stadttoren, meist entlang der Fernstraße von Lauriacum nach Iuvavum bestattet wurden. Heute liegen die meisten Bereiche dieser Bestattungsareale in der dicht bebauten Stadt Wels und sind daher einer systematischen Freilegung nicht zugänglich.
Im Rahmen von Rettungsgrabungen konnten zwischen 2004 und 2010 insgesamt 135 Körpergräber und 292 Brandgräber im Gräberfeld Ost freigelegt werden. Bis dato wurden 153 Individuen unter Einschluss von Methoden der digitalen Archäologie und Bioarchäologie untersucht. Radiokarbondatierungen weisen auf eine Nutzung des Bestattungsareals zwischen etwa 50 und 750 n. Chr. hin. Räumliche Analysen identifizierten verschiedene Clusterbereiche des Gräberfeldes, und eine spatio-temporale Auswertung belegt sowohl chronologische als auch demographische Unterschiede zwischen den Bereichen. Besonders auffällig ist aber die deutliche Unterrepräsentanz weiblicher Individuen im Gräberfeld. Obwohl für eine Zivilstadt ein eher ausgeglichenes Geschlechterverhältnis zu erwarten wäre, stellen Frauen im Gräberfeld von Ovilava eine Minderheit dar. Dies wirft Fragen nach dem Verbleib der Frauen von Ovilava auf, die im Rahmen des Vortrags in verschiedenen Erklärungsansätzen kritisch diskutiert werden.