19.03.2024

In memoriam Klaus Torkar

Tief betroffen teilen wir mit, dass unser Kollege Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Klaus Torkar (1950 – 2024) am 17. März verstarb.

Klaus Torkar war über Jahrzehnte eine der prägendsten Forscher am Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Am 17.3.2024 ist er friedlich für immer eingeschlafen.

Unmittelbar nach dem Abschluss seines Diplomstudiums im Fach Elektrotechnik/Elektronik begann Dr. Torkar 1975 seine Laufbahn am Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. In seiner Diplomarbeit beschäftigte er sich mit Softwareentwicklung (Stichwort Lochkarte!) für frühe Raketenexperimente an der TU Graz. Neben den Experimenten mit Raketen arbeitete er auch an solchen mit Ballonen und begann sich parallel in die Themen Plasmaphysik, Ionosphärenphysik sowie die Physik der hohen Atmosphäre einzuarbeiten. Basierend auf diesem Themenfeld erfolgte das Rigorosum Ende 1977. Der dazugehörende Doktortitel wurde ihm Anfang 1978 verliehen.

Mit „Spacelab“ begann ein neues Kapitel in Klaus Torkars Laufbahn. Spacelab war ein von der ESA organisiertes Labor, das in die Ladebucht eines Space Shuttle integriert war. Das IWF war am Magnetometer und am Teilchenspektrometer beteiligt. Die beiden Geräte sollten die Auswirkungen von künstlich erzeugten Elektronen- und Ionenstrahlen auf die Umgebung des Space Shuttle vermessen. Dr. Torkar interessierte sich für die Datenauswertung und kam in Kontakt mit den damals so genannten „Aktiven Experimenten“, die auf künstlichen Teilchenstrahlen basieren. Ähnliche Geräte gab es auf russischen und skandinavischen Raketenexperimente, an denen Klaus Torkar durch seine Verbindungen aus Diplomarbeitszeiten beteiligt war. 1989 reichte er seine Habilitationsschrift zum Thema „Aktive Experimente“ ein und war nach erfolgreicher Verteidigung Universitätsdozent mit der Lehrbefugnis für experimentelle Weltraumforschung.

Zu diesem Zeitpunkt war Österreich bereits zwei Jahre Vollmitglied der ESA, die den Einfluss der Sonne auf die Umgebung der Erde in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses stellte. Die ESA plante das Projekt CLUSTER, bei dem vier gleichartige Satelliten im Formationsflug die Erde zur Erforschung der Erdmagnetosphäre umkreisen sollten. Dr. Rudolf Schmidt, Project Scientist von CLUSTER und ehemaliger Kollege von Klaus Torkar aus Grazer IWF-Zeiten, propagierte ein Instrument mit Ionenemittern zur Regelung des elektrischen Potentialunterschieds zwischen den Satelliten und ihrer Umgebung. Ähnliche Konzepte zur Potentialkontrolle, die die Messgenauigkeit anderer Instrumente auf einem Satelliten verbessern sollten, wurden seit den frühen 1980er Jahren diskutiert, und waren bereits in anderen Missionen wie GEOTAIL, AUSTROMIR oder INTERBALL - auch mit Beteiligung aus Graz - getestet worden. Das damalige Forschungszentrum Seibersdorf hatte passende Ionenemitter im Portfolio und das IWF und im Speziellen Klaus Torkar also reichlich Erfahrung mit „Aktiven Experimenten“. Das Instrument ASPOC – Active Spacecraft Potential Control – wurde für CLUSTER akzeptiert und unter der technischen Leitung von Dr. Torkar mit österreichischer, norwegischer und niederländischer Beteiligung gebaut. Trotz des frühen Endes von CLUSTER - die vier Satelliten stürzten nach der Explosion der Ariane-5-Rakete bei deren Erstflug nach 50 Sekunden in den südamerikanischen Urwald – wurde ASPOC auf längere Sicht zur Erfolgsgeschichte. Unter Klaus Torkars Projektleitung baute das IWF gemeinsam mit internationalen Partnern Varianten des Gerätes, für die vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik durchgeführte Mission EQUATOR-S, für CLUSTER II, für das europäisch-chinesische Projekt Double Star und schlussendlich acht ASPOC-Flugmodelle für die NASA-Mission Magnetospheric Multiscale, die ähnlich der europäischen Mission CLUSTER II mit vier identen Satelliten die Magnetosphäre der Erde vermisst. Die Mission CLUSTER II endet im Jahr 2024 – der letzte ASPOC Emitter hat seinen Dienst 2008 quittiert - aber auf MMS arbeiten die am weitest fortgeschrittenen ASPOC-Varianten 10 Jahre nach Missionsbeginn immer noch weitgehend einwandfrei.

Bei CLUSTER II übernahm Dr. Torkar die Federführung von ASPOC als Principal Investigator von Prof. Willibald Riedler, bei MMS war er es von Anfang an. Die intensive Beschäftigung mit dem Thema Potentialkontrolle machte ihn zum ausgewiesenen und international hoch angesehenen Experten für Effekte rund um die elektrische Aufladung von Satelliten und die Maßnahmen zu ihrer Kontrolle. Bis kurz vor seinem Tod stand Dr. Torkar dazu noch immer im regen Austausch mit Kolleg*innen am IWF, was seine tiefe Verbundenheit mit diesem Forschungsthema bezeugt.

Zwei weiteren Gerätebeteiligungen des IWF hat Klaus Torkar seinen Stempel aufgedrückt. Als PI von MIDAS (Micro Imaging Dust Analysis System) für die ROSETTA-Mission zum Kometen Churyumov-Gerasimenko war er maßgeblich für die Entwicklung des Instruments verantwortlich, dessen Messprinzip auf der Rasterkraftmikroskopie zur Charakterisierung von Kometenstaubpartikeln beruht. Die nicht nur durch die lange Laufzeit äußerst schwierige Mission erregte bei der Ankunft beim Kometen im Jahr 2014 großes internationales Aufsehen und brachte auch dem IWF eine beachtliche Medienpräsenz ein. Das erlebte Klaus Torkar bereits als Pensionist, die Lorbeeren durften bereits seine Nachfolger ernten.

Ähnliches gilt auch für die letzte Neuentwicklung unter Dr. Torkars Leitung, dem Ionenspektrometer PICAM (Planetary Ion Camera). Diesem Messgerät, das als Teil des Instrumentenpakets SERENA unter italienischer Leitung für die ESA Mission BepiColombo zum Merkur gebaut wurde, stand Klaus Torkar als Co-Principal Investigator vor.

PICAM stand anfangs unter keinem guten Stern. So erwies sich das ursprüngliche Design als zu wenig zuverlässig. Die beteiligten Teams aus Deutschland, Frankreich, Irland, Ungarn und Österreich erkannten erst beim Bau des ersten Prototyps die Schwierigkeiten, die sich aus dem komplizierten mechanischen und elektrischen Design sowie den extremen thermischen Anforderungen ergaben. Klaus Torkars Hartnäckigkeit und großem Einsatz ist es zu verdanken, dass bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2014 die gröbsten Probleme überwunden waren. So konnten seine Nachfolger die ESA schlussendlich davon überzeugen, PICAM als Teil der Mission zuzulassen und auf dem Mercury Planetary Orbiter zu installieren. Heute, 2 Jahre vor dem eigentlichen Beginn der wissenschaftlichen Missionsphase beim Merkur und nach Messungen während des Fluges im interplanetaren Raum und während der Vorbeiflüge bei Erde, Venus und Merkur sowie nach drei erfolgten Software-Updates erweist sich PICAM als voll funktionsfähig und hat schon jetzt die Daten für einige wissenschaftliche Publikationen geliefert.

Die zahlreichen Projektbeteiligungen sind ein Markenzeichen für  Klaus Torkars wissenschaftlichen Exzellenz. Sie machten ihn auch zum Experten für kürzeste Verbindungswege zwischen Flugsteigen und für so manch andere Geheimnisse auf den Flughäfen dieser Welt. Davon haben mitreisende Kolleg:innen immer wieder profitiert.

Klaus Torkar publizierte 40 Publikationen als Erstautor, fast 30 davon in mit Peer-Review-Verfahren begutachteten Zeitschriften, sowie weitere ca. 240 wissenschaftliche Artikel als Mitautor.

Er war Wissenschaftler, Ingenieur und Manager mit Personalverantwortung in einer Person, und hat so das Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und die Menschen, die mit ihm arbeiten durften, ganz entscheidend geprägt.

Ruhe in Frieden!

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