01.08.2016

WIE LANDWIRTSCHAFT ZU NATURSCHUTZ WIRD

Sommerserie Young Academics: Die ÖAW-Ökologin Heidi Humer-Gruber führte Interviews mit Landwirtinnen und Landwirten in Biosphärenparks, um mehr über ihre Wahrnehmung und Sichtweisen zu erfahren.

© IQOQI INNSBRUCK/Markus Knabl
© IQOQI INNSBRUCK/Markus Knabl

Der Gedanke ist naheliegend: Landwirte leben und arbeiten mit der Natur. Denn die natürlichen Ressourcen bilden ihre Einkommensgrundlage. Die Interessensgruppe der Bauern müsste sich also am meisten für den Umweltschutz engagieren. Stattdessen stoßen aber Naturschutzvorhaben gerade in diesem Berufsstand häufig auf Widerstand. Warum ist das so?

Zwischen Naturschutz und Landwirtschaft

„Die lokalen Landwirte fühlen sich von externen Naturschützern in ihren Bedürfnissen und Bedenken missverstanden und unsachgemäß angegriffen. Und Naturschutzverordnungen werden oft als zusätzliche Einschränkung empfunden, da bereits eine Vielzahl von Richtlinien und EU-Verordnungen bestehen“, meint Heidi Humer-Gruber vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung (IGF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck. In ihrer Dissertation zum Thema „Agriculture in Biosphere Reserves“ untersucht die junge Forscherin in einem österreichischen und schweizerischen Kooperationsprojekt die Sichtweise von Landwirt/innen in alpinen Biosphärenparks.

„Wir brauchen ein besseres Verständnis für die Situation und Wahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern“, meint Humer-Gruber. Denn, so die 32-Jährige, „diese Berufsgruppe spielt für den Naturschutz eine wichtige Rolle, weil sie den größten direkten Einfluss auf die Entwicklung der Landschaft hat.“ So bewirtschaften und pflegen Landwirt/innen beispielsweise vielfältige Ökosysteme und erhalten dadurch die regionale Biodiversität. Sie verfügen über spezifische ökologische Kenntnisse, um sich an die erschwerten Bedingungen und Naturgefahren der Berggebiete anzupassen. Dieses Wissen macht sie zu einem wichtigen Partner für den Aufbau eines nachhaltigen und vielfältigen Ökosystems: „Die Integration traditionellen Wissens ist von höchstem Interesse für das Biosphärenmanagement“, sagt Heidi Humer-Gruber, die selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen ist.

Für ihr Forschungsprojekt hat die studierte Ökologin 40 qualitative Interviews mit Bäuerinnen und Bauern geführt, die in Biosphärenparks in Österreich und in der Schweiz leben, um mehr über die Situation der lokalen Landwirt/innen zu erfahren. Biosphärenparks sind UNESCO-Modellregionen für nachhaltiges Leben, Wirtschaften und Forschen. Das Ziel von Biosphärenparks ist u.a. der Schutz der biologischen Vielfalt, das Streben nach wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung und die Erhaltung kultureller Werte miteinander zu vereinen.

Wo drückt bei den Landwirten der Schuh?

Die ersten Ergebnisse von Humer-Grubers Forschungen zeigen, dass die Diskrepanz zwischen dem traditionellen Berufsbild vom Bauern als Lebensmittelproduzenten und den modernen Strukturen, in denen Landwirte größtenteils von Förderungen leben müssen, oft Anlass zu Spannungen geben kann.

„Fast alle Landwirtinnen und Landwirte, mit denen ich gesprochen habe, wünschen sich mehr Wertschätzung für ihre Produkte. Das bedeutet, dass sie es vorzögen primär mit ihren Produkten ihr Geld zu verdienen“, sagt Humer-Gruber. Doch das ist längst nicht mehr der Fall. Durch die niedrigen Marktpreise bei gleichzeitig gestiegenen Kosten für Maschinen und Geräte können Bauern nicht mehr von der Lebensmittelproduktion alleine leben. Zudem können sie in der Ertragseffizienz nicht mit den leistungsoptimierten Industriebetrieben konkurrieren.

Abhängigkeit von Fördergeldern

Das traditionelle eigene Berufsbild kollidiert also mit den modernen Strukturen, in denen vor allem kleine landwirtschaftliche Betriebe zusätzliches Einkommen über Landschaftspflege- und Forstarbeiten für die Kommunen und über EU-Förderprogramme erwirtschaften müssen. Um die Förderungen zu erhalten müssen allerdings Anträge geschrieben werden und alle Arbeitsschritte dokumentiert werden. „Ich fand es erschreckend, wie hoch der bürokratische Aufwand für den landwirtschaftlichen Betrieb ist“, resümiert Humer-Gruber eine Beobachtung aus den Interviews. Ein Großteil der Arbeit werde allein für das Dokumentieren von Arbeitsschritten und Ausfüllen von Förderformularen aufgewendet.

Modellregion für die Zukunft: Biosphärenparks

Allerdings bieten Veränderungen auch Chancen und gerade die Vertreter/innen der Almwirtschaft in Bergregionen galten schon immer als Beispiel für Resilienz und Anpassungsfähigkeit. Die noch verbliebenen landwirtschaftlichen Betriebe haben sich schon längst an die schwierige wirtschaftliche Situation angepasst und sich Alternativen zu den traditionellen Einkommensquellen erschlossen, wie beispielsweise durch touristische Angebote mit „Urlaub auf dem Bauernhof“, die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen oder die Vermarktung und Veredelung von Produkten. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie kreativ und einfallsreich sich Landwirte an neue Situationen anpassen“, sagt Humer-Gruber.

Ein weiteres Ergebnis von Humer-Grubers Forschungen ist, dass die befragten Landwirte in den untersuchten Schutzgebieten Biosphärenpark Salzburger Lungau, Kärntner Nockberge, Biosphärenpark Val Müstair und Biosphärenpark Entlebuch anfangs zwar skeptisch gegenüber dem Konzept Biosphärenparks waren. Da kämen manchmal Einwände wie ´ich bin gar kein Biobauer, warum soll ich im Biosphärenpark mitmachen?`. Je länger sie aber ein Teil davon sind, umso größer wird die Akzeptanz. „Man muss am Anfang viel Engagement aufbringen und den Dialog suchen, um die Landwirte vom Nutzen zu überzeugen“, sagt Humer-Gruber. Ein Aufwand, der sich letzten Endes aber lohnt: „Die lokalen Landwirtinnen und Landwirte gehören zu den Hauptakteuren in Schutzgebieten und verfügen über ein umfassendes Wissen über die Region. Ihre Sichtweisen und Ideen verdienen daher Gehör“.