20.09.2013

Weichenstellung für Österreichs Zukunft

Die ÖAW holte Standpunkte und Ziele der Parteien zu den Themen Forschung und Bildung ein

Forschung und Bildung sind die Grundlagen der Zukunft Österreichs. Bei der Nationalratswahl am 29. September entscheiden die Wählerinnen und Wähler auch darüber, wie diese Zukunft aussehen wird. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat anlässlich dieser politischen Weichenstellung die bundesweit zur Wahl antretenden Parteien anhand von zwei Fragen um ihre Ziele und Standpunkte zu den Bereichen Forschung und Bildung ersucht. Die in der Folge von acht der neun Parteien fristgerecht übermittelten politischen Konzepte und Ideen - die Antworten der FPÖ langten erst nach Ablauf der gesetzten Frist ein – offenbaren einige Übereinstimmungen, zugleich aber auch erhebliche Unterschiede und Gegensätze.

Von 2,76 auf 3,76 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in neun Jahren: Die 2011 von der Bundesregierung beschlossene Strategie für Forschung, Technologie und Entwicklung (FTI-Strategie) soll die in Österreich getätigten Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2020 deutlich anheben und das Land zu einem „Innovation Leader“ machen, der auch im internationalen Wettbewerb bestehen kann. Zur Realisierung dieser Strategie ist nach Erhebungen des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO eine Steigerung der Forschungsquote von 8 Prozent pro Jahr notwendig. Die ÖAW geht angesichts der bislang signifikanten Unterdotierung der Grundlagenforschung davon aus, dass allein für diese ein jährlicher Anstieg von 10 Prozent erforderlich sein wird.

Will man die in der FTI-Strategie formulierten Ziele erreichen, bedarf es zugleich neuer Konzepte für die Bildung: Eine effiziente Förderung individueller Begabungen junger Menschen sowie eine zielgerichtete Unterstützung beim Erwerb von Wissen, Kreativität und Originalität sind für den Erhalt von Dynamik und Innovationskraft in der Forschung und somit für unsere Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft unverzichtbar. Befunde, denen sich viele Parteien weitgehend anschließen, wie die an die ÖAW übermittelten Antworten auf die zwei gestellten Fragen verdeutlichen.


Frage der ÖAW zur Grundlagenforschung:
Wie steht Ihre Partei zur Förderung der Grundlagenforschung, insbesondere zur Steigerung der öffentlichen Mittel für Grundlagenforschung auf mindestens 10% pro Jahr ab 2014?


SPÖ und  ÖVP betonen grundsätzlich die Wirksamkeit der FTI-Strategie und den hohen Wert der Grundlagenforschung als Basis eines jeden Innovationssystems, ohne dabei die konkrete ÖAW-Forderung nach einer zehnprozentigen Anhebung der Mittel für Grundlagenforschung ab dem Jahr 2014 explizit zu unterstützen. Auf eine fix bezifferte Steigerungsrate will sich auch das Team Stronach nicht festlegen, eine Erhöhung erachtet man aber auch in dieser Partei für notwendig. Demgegenüber unterstützen BZÖ, KPÖ, Neos und Piratenpartei die Forderung der ÖAW. Nach Vorstellung der Grünen etwa könnte die Umsetzung dieses Vorhabens durch eine zehnprozentige Aufstockung des kompetitiv vergebenen Budgets des Wissenschaftsfonds FWF gelingen.

Darüber, wie sich die dafür erforderlichen zusätzlichen Mittel bereitstellen lassen, herrschen bei den Parteien unterschiedliche Ansichten. SPÖ, ÖVP, BZÖ und das Team Stronach setzen neben staatlichen Finanzierungen auch auf die Beteiligung des privaten Sektors, KPÖ und Piratenpartei sehen Forschungsförderung in erster Linie als eine Aufgabe des Staates.

 

Frage der ÖAW zur Förderung von Talenten:
Wie möchte Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode sicherstellen, dass insbesondere an Schulen individuelle Begabungen auch individuell gefördert werden, sowohl dort, wo besondere Unterstützung notwendig ist, als auch bei der Förderung von Hochbegabten?


Alle Parteien sind sich einig, dass an Schulen Begabungen der Schülerinnen und Schüler stärker individuell gefördert werden müssen. Zur Frage des „Wie?“ fallen die Standpunkte der Parteien allerdings sehr unterschiedlich aus.
Nicht nur für die SPÖ steht fest, dass „Spitzenleistungen eine breite Basis brauchen“. Sie plädiert für den Ausbau gemeinsamer Ganztagsschulen, in der alle Kinder individuell gefördert werden. Gelingen soll das auch dank kleinerer Klassen und spezieller Begabungsförderung. Als klare Befürworterin der Gesamtschule tritt auch die KPÖ auf, die die Förderung von Talenten in „ganztägigen, kostenlosen und ausreichend finanzierten öffentlichen Gesamtschulen“ fordert. Vorzüge einer gemeinsamen Schule auf Sekundarstufe 1 sehen auch die Grünen, die ab Sekundarstufe 2 zugleich für ein Modulsystem plädieren, in dem unter anderem „eigene Schwerpunkte über den Lehrplan hinaus“ gesetzt werden können. Modul-Modelle treffen auch bei der Piratenpartei auf Zustimmung, das BZÖ möchte wiederum bereits an einer gemeinsamen Schule der Sechs- bis Vierzehnjährigen eine breite Palette von Wahl- und Freifächern anbieten. Im Rahmen einer Vielfalt an „autonomen Mittelschulen oder auch neunjährigen Grundschulen“ sollen Interessen und Talente der Schülerinnen und Schüler nach Ansicht der Neos gefördert werden. Das Team Stronach vertraut bei der Begabungsförderung auf das Mitwirken der „besten und motiviertesten Lehrer/innen“, eine größere Schulautonomie sowie Schwerpunktbildungen unter Einbeziehung des wirtschaftlichen Umfelds.

Einen anderen Ansatz zur Förderung individueller Talente verfolgt die ÖVP. „Die Beibehaltung unseres differenzierten Bildungssystems“ sei die dafür notwendige Voraussetzung. Die ÖVP setzt auf Schulformen wie Gymnasium und Neue Mittelschule sowie auf das berufsbildende Schulwesen, die unterschiedliche Wege zum Ziel eines Bildungssystems darstellen, „das fordert und fördert“.

Die Hochbegabtenförderung ist mehreren Parteien ein explizites Anliegen: Die ÖVP, die „Mut zu Eliten fordert“, will dafür unter anderem die Kooperation zwischen Schulen und Universitäten weiter ausbauen. Der ausdrücklichen Förderung von Hochbegabten verschreiben sich ferner das BZÖ, das „künftige Eliten“ optimal unterstützen will und das Team Stronach, das für die Identifizierung von Hochbegabungen ein Supportsystem einschließlich „Talentescouts“ vorschlägt.

So unterschiedlich die dokumentierten Konzepte auch sind, so ist den befragten Parteien doch zumindest eine Einschätzung gemein: Ohne eine stärkere Hinwendung der Politik zu Forschung und Bildung ist eine erfolgreiche Zukunft Österreichs nicht vorstellbar. Wie auch immer die Wählerinnen und Wähler am 29. September 2013 entscheiden, die ÖAW erwartet angesichts der eingelangten Antworten der Parteien rasche und klare Maßnahmen in der kommenden Legislaturperiode, um Forschung und Bildung in Österreich deutlich zu stärken.