07.02.2020 | Aussprache und Akzent

Warum wir uns bei Fremdsprachen überschätzen

Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften untersuchte, ob wir unseren eigenen Akzent tatsächlich besser einschätzen als jenen anderer – und lieferte deutlich messbare Ergebnisse, warum das so ist.

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Es stimmt natürlich: Wenn Deutschsprachige Englisch reden, hören wir den Akzent der Anderen immer sehr deutlich. Ein Extrembeispiel ist Arnold Schwarzenegger: „Er spricht sechs Sprachen, aber alle mit steirischem Akzent“, war in einer Zeitung über eine seiner Rollen zu lesen. Aber: Wie gut ist unsere eigene Aussprache beim Lernen einer Fremdsprache? Stimmt es, dass wir bei uns selbst den Akzent viel weniger bemerken?

Genau das haben Wissenschaftler/innen von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und der University of Malta untersucht. Sie haben getestet, ob deutschsprachige Lernerinnen des Englischen tatsächlich ihren eigenen Akzent als besser einschätzen als den Akzent anderer Lernerinnen. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlicht.

Akustisch veränderte Sätze

Das Design der Untersuchung sah vor, dass 24 Studentinnen englische Sätze vorlesen, die von den Forscher/innen aufgenommen wurden. Dabei handelte es sich um strukturell und inhaltlich einfache Sätze wie „The family bought a house“, „The jug is on the shelf“ oder „They heard a funny noise“. Dann wurden die Stimmen verfremdet und von Frauen- in Männerstimmen umgewandelt. „Durch die Verfremdung blieben alle akustischen Merkmale des Akzents erhalten, aber die Stimmen wurden nicht mehr als die eigenen erkannt“, erklärt Eva Reinisch vom Institut für Schallforschung der ÖAW und der LMU München.

Nach einigen Wochen kamen die Probandinnen zurück ins Labor und wurden gebeten die Aussprache der vermeintlichen Männer zu bewerten. Jede hörte sich vier verfremdete Stimmen an, darunter auch die eigene. „Wir haben nur Frauen untersucht, damit die Verfremdung der Stimme immer ähnlich blieb. Es gibt aber keinen Grund anzunehmen, dass unsere Ergebnisse mit Männern anders gewesen wären“, so die Phonetikerin.

Deutlich bessere Bewertung

Die Resultate der Studie zeigen, dass die Probandinnen die Aussprache ihrer eigenen, aber verfremdeten Stimmen als besser bewerteten als sie von anderen bewertet wurden – und das, obwohl die eigene Stimme nicht erkannt wurde. Aber welche Erklärungen gibt es dafür? Reinisch: „Wir wissen aus früheren Studien, dass Akzente, die man gut kennt, einfacher zu verstehen sind. Eine andere mögliche Erklärung ist der Mere-Exposure-Effekt, also der Effekt der Darbietungshäufigkeit aus der Psychologie. Der Effekt beschreibt, dass wir Dinge, die wir kennen, als angenehmer einschätzen.“ Wenn uns etwas vertraut ist, dann natürlich unser eigener Akzent.

Was diese Resultate für die Zukunft des Fremdsprachenerwerbs bedeuten? Dass man sich ruhig mehr Kritik aussetzen soll, empfiehlt Eva Reinisch: „Solange wir denken, dass wir eigentlich schon ganz gut sind, können wir uns nicht verbessern. Daher brauchen wir externes Feedback, das uns unsere Fehler bewusstmacht.“

Kleiner Trost: Es sei es gar nicht notwendig wie ein Engländer zu klingen, räumt die Phonetikerin ein. „Im Deutschen finden wir es ja auch unproblematisch, wenn wir erkennen können, dass jemand aus Wien oder Berlin kommt. Warum sollte man dann im Englischen klingen, als ob man aus London kommt?“ In einem möglichen Folgeprojekt möchte das Forscherteam untersuchen, wie Aussprache zum Beispiel mit Apps, die externes Feedback generieren, verbessert werden könnte.

 

FÖRDERUNG

Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt.

PUBLIKATION

Mitterer, H., Eger, N. A., Reinisch, E. (2020). My English sounds better than your: Second-language learners perceive their own accent as better than that of their peers.
DOI: 10.1371/journal.pone.0227643

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