22.04.2016

Walter Kohn verstorben

Der Tod des in Österreich geborenen Nobelpreisträgers für Chemie sorgt in der internationalen Fachwelt für große Trauer. Die Akademie beklagt den Verlust ihres 93-jährigen Ehrenmitgliedes, dessen Lebensgeschichte reich an herausragenden Erfolgen, aber auch an Schicksalsschlägen war.

Bild: Privat/ÖAW
Walter Kohn. Bild: Privat/ÖAW

Zwei wirklich genialen Gymnasiallehrern, bekannte der gebürtige Wiener Walter Kohn einst in einem Interview, sei er zu Dank verpflichtet: Sie hätten ihn in der Faszination für Naturwissenschaften bestärkt und damit wichtige Akzente für die Entwicklung seines weiteren berufliches Lebens gesetzt. Viel mehr Positives verband der gebürtige Wiener und spätere Nobelpreisträger lange Zeit freilich nicht mit Österreich. Denn schon als Jugendlicher musste der in eine jüdische Familie Geborene Repressalien und Verfolgung durch die Nationalsozialisten erleben, um letztlich mit einem Kindertransport über England ins kanadische Exil zu flüchten.

Nachdem er das NS-Regime als Soldat in den Reihen der kanadischen Armee bekämpft hatte, wandte er sich in seiner neuen Heimat bald seinem Studium der Physik und Angewandten Mathematik zu, um bereits 1948 in Harvard promoviert zu werden und einen wissenschaftlichen Werdegang einzuleiten, der ihn letztlich zu einem der bedeutendsten Forscher seines Fachs machen sollte. In Pittsburgh lehrte er von 1950 an Physik, wo er noch im selben Jahrzehnt eine Professur übernahm, um 1960 an die University of California in San Diego und 1979 nach Santa Barbara zu wechseln. Hier wirkte er als Gründungsdirektor des National Science Foundation Institute for Theoretical Physics, das mit seinen weit über die Physik hinaus reichenden Forschungsergebnissen weltweite Bekanntheit erlangen sollte.

Nobelpreis für bahnbrechende Forschungen

Kohn selbst war bereits lange vor der Gründung des Instituts zu einer internationalen Größe geworden. Insbesondere mit seinen Forschungen auf dem Gebiet der Festkörperphysik leistete er entscheidende Beiträge zur sogenannten Theorie der Dichtefunktionale, die unter anderem in der Quantenchemie bahnbrechende neue Methoden ermöglichte und die 1998 mit der Verleihung des Nobelpreises für Chemie an Kohn geehrt wurde. Auch abseits der Dichtefunktionaltheorie sorgte Kohn mit Arbeiten zu Halbleiter, Supraleiter, Oberflächenphysik und Katalyse für Aufsehen.

Menschenrechte und Naturwissenschaften

Bei allen naturwissenschaftlichen Erfolgen verlor Kohn seine persönliche Vergangenheit nicht aus dem Blickfeld. So machte er die Beziehungen zwischen Menschenrechten und Naturwissenschaften zu einem Thema, zu dem er wiederholt öffentlich Stellung bezog – unter anderem an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW): Bei einem öffentlichen Gespräch teilte Kohn im Jahr 2014 seine Einschätzungen und Lebenserfahrungen mit Schülern des Wiener Akademischen Gymnasiums und der Zwi Perez Chajes Schule.

Die Akademie wählte Kohn drei Jahre zuvor, 2011, zu ihrem Ehrenmitglied. 1999 wurde er mit dem  Österreichischen Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet. Als Träger dieses Ehrenzeichens war er auch Mitglied der Kurie für Wissenschaft und Kunst. Zudem wurde ihm 2009 das Große Silberne Ehrenzeichen mit Stern für Verdienste um die Republik Österreich verliehen.

Seine außergewöhnliche Biografie rufe in Erinnerung, was nicht vergessen werden dürfe, wie ÖAW-Präsident Anton Zeilinger anlässlich seines Todes bekräftigt: „Walter Kohn half uns zu verstehen, wie schmerzhaft die Vertreibung durch die Nationalsozialisten war und wie wichtig die Aufarbeitung der Vertreibung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist, um für die Zukunft daraus zu lernen. Walter Kohns Tod bedeutet den großen Verlust eines Zeitzeugen und Mahners, eines herausragenden Wissenschaftlers und eines Menschen, dessen Leben und Forschung zutiefst beeindruckend waren. Die Akademie wird ihrem Mitglied ein ehrendes Andenken bewahren.“