23.11.2015

Unterschätzter Schnee

Der Gebirgsforscher Kay Helfricht nutzt präzise Lasersensorik, um Schneeniederschlag besser messen zu können

Bild: Wikimedia/CC
Bild: Wikimedia/CC

In Paris findet Ende des Jahres die UN-Klimakonferenz statt. Die Vertreter/innen von mehr als 190 Ländern kommen zusammen, um einen Nachfolgevertrag des Kyoto-Protokolls mit verbindlichen Klimazielen für alle Mitgliedstaaten zu vereinbaren. Dass diese Verhandlungen entscheidend für die Zukunft unseres Klimas sind, wurde besonders in diesem Rekordsommer deutlich. Bis jetzt gehört das Jahr 2015 zu einem der wärmsten Jahre seit der Wetteraufzeichnung. Und das nicht nur in Österreich, sondern weltweit.


Niederschlagsmessung bei Schneefall schwierig

Während in unseren Breiten dadurch der Gesamteindruck eines schönen Sommers geblieben ist, wäre eine ähnliche Temperaturabweichung im Winter für Skigebiete, die vom Tourismus leben, ein großes Problem. Dabei sind Veränderungen der Temperatur aber nur eine Seite des Klimawandels. Durch Umstellung von Druckverhältnissen und Großwetterlagen kann sich auch der Niederschlag verändern. Ein vermehrtes Auftreten von Dürren ist ebenso möglich wie starke Regenfälle, Schnee- oder Hagelstürme. Für den Wintertourismus ist die Vorhersage von natürlichem Schneefall besonders wichtig.


Aber gerade den zu messen ist schwierig. Denn mit den gängigen Messgeräten, die zwar Regenfälle gut abbilden können, lässt sich Schneeniederschlag nur sehr ungenau aufzeigen. „Erfahrungsgemäß fliegt der Schnee bei Wind und Minusgraden am Messzylinder vorbei. Schneeflocken, welche den Weg durch die Öffnung des Messzylinders finden, können gleich an den beheizten Messgeräten verdunsten anstelle als Niederschlag gemessen zu werden“, sagt Kay Helfricht vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung. Dies sowie einige weitere Probleme führen dazu, dass die Menge des Winterniederschlages im Hochgebirge und damit das in der Schneedecke gespeicherte Wasser bis zu 50% unterschätzt werden.


Neues Forschungsprojekt: pluSnow

Das Problem der Messungenauigkeit des Winterniederschlags beschäftigt die Klimaforschung schon seit langem. Auch die World Meteorological Organization WMO hat jahrelang nach einer Lösung gesucht. Nun startet das Projekt „pluSnow“ - ein gemeinsames Forschungsprojekt vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung (IGF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Projektleiter Kay Helfricht vom IGF erhielt als 1. Preisträger  des  von der Dr. Gottfried und Dr. Vera Weiss Wissenschaftsstiftung ausgeschriebenen Preises die Förderung des Projektes.  Der Preis ist mit 200.000 Euro dotiert. Ziel von pluSnow ist es, Messfehler von herkömmlichen Niederschlagsmessungen bei Schneefall unter Verwendung  von präziser Lasersensorik zu minimieren. Dabei werden zeitlich hoch aufgelöste Schneehöhenmessungen mit Niederschlagsdaten in Zusammenhang gebracht. Ein wesentlicher Bestandteil des Projektes wird die Untersuchung von Neuschneedichten unter Einbeziehung von weiteren meteorologischen Messgrößen wie Wind und Temperatur sein.
„Das Projekt zielt auf die Verbesserung der Niederschlagsmessung und -vorhersage im Hochgebirge ab“, erläutert Kay Helfricht. „Denn Dienstleistungen wie Straßenräumung, Hochwasserwarnsysteme und Lawinenwarnung, aber auch die Stromerzeugung aus Wasserkraft und der Skibetrieb sind auf möglichst genaue Informationen über die Niederschlagsmenge bei Schneefall angewiesen.“  


Daten für Klimaforschung

Die Ergebnisse des Projektes  können zunächst die Genauigkeit von Wettervorhersagen im Winter verbessern und werden über längere Zeit gesehen auch engmaschigere Trendanalysen für Hochgebirgsregionen ermöglichen. Damit trägt pluSnow  zu einer verbesserten Aufzeichnung des Gebirgsklimas und dessen Entwicklung bei. Dies ist nicht zuletzt wichtig, um Klimaveränderungen auf der Grundlage möglichst exakter Daten dokumentieren und die Entscheidungen von Paris in den nächsten Jahren richtig bewerten zu können.