22.06.2017

Technikfolgen-abschätzung der ÖAW berät das Parlament

Ab sofort wird das Institut für Technikfolgen-Abschätzung der ÖAW gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology den österreichischen Nationalrat wissenschaftlich beraten. Die beiden Einrichtungen konnten in einer europaweiten Ausschreibung überzeugen.

V.l.n.r.: Nationalratsabgeordnete Ruperta Lichtenecker, Michael Nentwich vom Institut für Technikfolgenabschätzung der ÖAW, Petra Schaper-Rinkel vom AIT, Parlamentsdirektor Harald Dossi, Nationalratspräsidentin Doris Bures. © Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
V.l.n.r.: Nationalratsabgeordnete Ruperta Lichtenecker, Michael Nentwich vom Institut für Technikfolgenabschätzung der ÖAW, Petra Schaper-Rinkel vom AIT, Parlamentsdirektor Harald Dossi, Nationalratspräsidentin Doris Bures. © Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Nationalratspräsidentin Doris Bures präsentierte am 22. Juni 2017 bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit der Vorsitzenden des Forschungsausschusses, Ruperta Lichtenecker, sowie mit Parlamentsdirektor Harald Dossi das Projekt „Foresight und Technikfolgenabschätzung im Österreichischen Parlament“. Ab sofort unterstützen das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und das Austrian Institute of Technology (AIT) die Abgeordneten auf regelmäßiger Basis in diesem Bereich.

Die beiden Institute erhielten als Bietergemeinschaft bei einem europaweiten Ausschreibungsverfahren den Zuschlag zur Durchführung dieses Projekts – die gelieferten Konzepte wurden im Parlament einhellig als qualitativ überzeugend bewertet. Das Gesamtbudget des von der Parlamentsdirektion ausgeschriebenen Auftrags beläuft sich auf 200.000 Euro pro Jahr.

Vertiefte Zusammenarbeit zwischen Politik und Wissenschaft

Damit werde die Zusammenarbeit zwischen dem österreichischem Parlament und der Wissenschaft vertieft, verstärkt und optimiert, betonte Nationalratspräsidentin Doris Bures, Politik und Wissenschaft rücken näher zusammen.

„Mit dem Projekt Foresight und Technikfolgenabschätzung erhalten die Abgeordneten ein Werkzeug in Form von wissenschaftlicher Unterstützung in die Hand, das die Entscheidungsfindung im Parlament optimiert und die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Hohem Haus weiter vertieft. Dadurch fließen in die Arbeit der Abgeordneten regelmäßig neueste wissenschaftliche Entwicklungen ein. Das Parlament ist damit noch stärker am Puls der Zeit und kann so auf künftige Herausforderungen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft besser und schneller reagieren", so die Nationalratspräsidentin bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Parlament, ÖAW und AIT.

"Diese Vertiefung der wissenschaftlichen Unterstützung des Parlaments ist außerordentlich zu begrüßen und ein wichtiger Schritt nach vorne für den österreichischen Parlamentarismus", unterstrich Bures die Bedeutung des Projekts. "Die Welt, in der wir leben, ist nicht zuletzt aufgrund wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen einer rasanten und permanenten Veränderung ausgesetzt. Unsere Aufgabe als Parlament ist es dabei, schon heute das Morgen zu gestalten."

Meilenstein für den Parlamentarismus

Vorangegangen war der Ausschreibung im September 2014 der Auftrag zu einer Pilotstudie und einem Pilotprojekt, um auszuloten, wie andere Parlamente in diesem Bereich vorgehen, was die Abgeordneten konkret benötigen und wie eine mögliche Institutionalisierung der Technikfolgenabschätzung umsetzbar ist. Im Oktober 2016 erfolgte dann die Einigung in der Präsidialkonferenz, die Begleitung des Parlaments durch wissenschaftliche Technikfolgenabschätzung europaweit auszuschreiben.

Wie Parlamentsdirektor Harald Dossi betonte, biete man mit Foresight und Technikfolgenabschätzung den Abgeordneten eine weitere wichtige Serviceleistung. Die Vorsitzende des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie, Ruperta Lichtenecker, zeigte sich überzeugt: "Die Integration von Foresight und Technikfolgenabschätzung in der Gesetzeswerdung ist ein Meilenstein für den österreichischen Parlamentarismus." Denn: "Die Abgeordneten sind laufend mit Entscheidungen zu komplexen Zukunftsthemen – von Digitalisierung über Klimawandel bis hin zu Biomedizin – konfrontiert. Die Unterstützung mit Expertise von einer unabhängigen Einrichtung ist daher sehr wichtig und unterstützend für fundierte Entscheidungen". Es gelte, so Lichtenecker, Chancen technologischer Entwicklung zu nutzen, aber auch zeitgerecht die Risiken zu erkennen.

Ort des Nachdenkens für die Zukunft

Auch Michael Nentwich, Direktor des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der ÖAW verwies auf die Bedeutung der Entscheidung des Parlaments: „Technische Entwicklungen sind vielschichtig und verbreiten sich rasant in den unterschiedlichsten Lebensbereichen. Politikerinnen und Politiker haben jetzt die Chance, immer am neuesten Stand zu sein und zu erfahren, wohin die Reise geht."

In Europa gibt es in vielen Staaten seit rund 30 Jahren Einrichtungen der Technikfolgenabschätzung, die ihre jeweiligen Parlamente in Fragen der Technologiepolitik beraten. Diese sind im EPTA-Netzwerk (European Parliamentary Technology Assessment) zusammengeschlossen, dem seit 1993 auch das ÖAW-Institut angehört. Es hat punktuell seit Anfang der 1990er-Jahre das österreichische Parlament und seit 2010 laufend das Europäische Parlament unterstützt. "Mit diesem Rahmenvertrag und dieser richtungsweisenden Entscheidung des Parlaments treten wir in eine neue Phase", erklärte Nentwich, "das Parlament ist in noch stärkerem Ausmaß Ort des Nachdenkens für die Zukunft."

Wichtig sei der systematische Ansatz und nicht nur einzelne technologische Entwicklungen zu analysieren, umriss Petra Schaper-Rinkel, Senior Scientist am Austrian Institute of Technology die Zielsetzung. Die technologischen Entwicklungen greifen tief in das Arbeits- und Wirtschaftsleben ein, daher gelte es, Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Aktuelle Trends, vertiefende Analysen

Beide Einrichtungen werden im Rahmen eines Monitorings die Abgeordneten in Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik wissenschaftlich beraten, damit sich diese rasch einen wissenschaftlich fundierten Überblick über aktuelle Entwicklungen und Trends verschaffen können.

Die Unterstützung der Abgeordneten erfolgt dabei auf zwei Arten: Das Monitoring soll ein Werkzeug sein, um aus der Vielzahl von Entwicklungen die gesellschaftlich und politisch relevanten Themen zu identifizieren. Technikfolgenabschätzungsstudien sollen Antwort darauf geben, welche Auswirkungen neue Entwicklungen und Technologien auf unser Leben und unsere Gesellschaft haben und wo Handlungsbedarf vorliegt. Auch das neue Projekt wird vom Beirat der Forschungssprecher/innen begleitet.

AIT und ITA werden in Zukunft halbjährlich schriftliche Informationen über relevante wissenschaftliche und technische sowie damit verbundene gesellschaftliche Entwicklungen an das Parlament übermitteln.

Die Berichte gliedern sich in zwei Teile: Zunächst soll ein allgemeiner Überblick über die Entwicklungen im vergangenen Halbjahr (einschließlich der wichtigsten Themen der internationalen und nationalen wissenschaftlichen und forschungspolitischen, aber auch gesellschaftlichen Debatte) gegeben werden. Die Auswahl der Vertiefungsthemen erfolgt durch die Forschungsinstitute selbst, nach Maßgabe von Aktualität und politischer bzw. parlamentarischer Relevanz. Dabei soll vor allem herausgearbeitet werden, welche möglichen positiven wie auch negativen Auswirkungen die Entwicklungen haben können und welchen Einfluss das auf Österreich haben könnte. Die Monitoring-Berichte werden auch auf der Website des Parlaments veröffentlicht.

Zusätzlich können die Ausschüsse des Nationalrats – in Kooperation mit dem Beirat – im Konsens zu von ihnen ausgewählten Themen vertiefende Studien anfordern. Für die Politik soll dadurch ersichtlich werden, welche Themen zu fördern sind, aber auch wo mit Regeln gegenzusteuern ist. Dabei kann es sich um Kurzstudien (drei bis fünf Monate) und längerfristige Studien (sechs bis 18 Monate) handeln. Es ist in Aussicht genommen, auch diese Studien über die Website der Parlamentsdirektion öffentlich zugänglich zu machen.