24.04.2017

Scharfer Blick auf das Immunsystem

Mit einer neu entwickelten Mikroskopie-Methode schaffen Mokekularmediziner/innen der ÖAW neue Möglichkeiten für die Analyse von Wechselwirkungen der Immunzellen und dem Einfluss von Medikamenten auf das Immunsystem.

© Wolfgang Däuble/CeMM

Eine neue Mikroskopie-Methode ermöglicht bisher unerreichte Einblicke in die Interaktionen zwischen einzelnen Zellen des Immunsystems: Das „Pharmacoscopy“ getaufte und patentierte Verfahren, entwickelt von Wissenschaftler/innen am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), kann in hoher Auflösung und mit großem Durchsatz eine Vielzahl an Wirkstoffen auf ihren Effekt auf Immunzellen testen. Die im Fachmagazin „Nature Chemical Biology“ beschriebene Methode eröffnet damit neue Möglichkeiten zur Entdeckung und Entwicklung von Wirkstoffen, insbesondere für die Krebsimmuntherapie, die personalisierte Immuntherapie sowie für die Erforschung der Signalwege des Immunsystems.

Das Immunsystem besteht aus einer großen Vielfalt an Zelltypen mit unterschiedlichsten Aufgaben. Um die reibungslose Zusammenarbeit dieses hochkomplexen Systems zu gewährleisten, bedarf es einer fein abgestimmten Koordination: Immunzellen nutzen dafür eine breite Palette an biochemischen Signalwegen, die sie über spezielle lösliche Proteine oder direkte Zellkontakte aktivieren. Solche Signalwege sind auch das Ziel moderner Wirkstoffe, zum Beispiel in der Krebsimmuntherapie. Mit ihnen kann das Immunsystem gezielt gegen bestimmte Strukturen oder Zelltypen gerichtet werden.

Doch die Suche nach Medikamenten, die in der Lage sind, einen solchen Einfluss auf das Immunsystem zu nehmen, gestaltet sich oft als schwierig: Einerseits sind die Signale häufig sehr subtil und in ihrer Feinheit nur schwer zu erfassen. Andererseits mangelte es bisher an robusten Technologien, mit denen insbesondere die Veränderungen der Zellkontakte zwischen Immunzellen rasch und zuverlässig erkannt und verfolgt werden können.

Präzise Messungen

Hier soll die neue Methode „Pharmacoscopy“ künftig Abhilfe schaffen: Die Interaktionen von Immunzellen aus dem Blut können mit der von Wissenschaftler/innen am CeMM unter der Leitung von Giulio Superti-Furga entwickelten und in Kollaboration mit der Medizinischen Universität Wien getesteten Methode präzise und zuverlässig vermessen werden, wie sie in der Fachzeitschrift „Nature Chemical Biology“ nachwiesen. Möglich ist dies durch die Kombination eines hochmodernen, automatisierten Hochdurchsatz-Fluoreszenzmikroskops, eines hochauflösenden Bildanalyseverfahrens, das einzelne Zellen erfassen kann, sowie eines speziell entwickelten analytischen Algorithmus.

Vorteile versprechen sich Wissenschaftler/innen von der neuen Methode auch hinsichtlich der Geschwindigkeit von Messungen und der Möglichkeit zur vollständigen Automatisierung. Mit „Pharmacoscopy“ ist es nun möglich, große Wirkstoffdatenbanken auf ihre immunverändernde Wirkung zu überprüfen. „Wir konnten mit der Methode bereits feststellen, dass 10 Prozent aller zugelassenen Medikamente auf die ein oder andere Weise einen Einfluss auf das Immunsystem haben - bei vielen war das bisher völlig unbekannt“ so Gregory Vladimer, einer der beiden Erstautoren der Studie.

„Dies ist die weltweit erste Methode, mit der die Modulation des Immunsystems in solch hoher Auflösung und mit einem derartigen Durchsatz analysiert werden kann“ sagt auch Superti-Furga. „Pharmacoscopy kann somit nicht nur für die Entdeckung neuer Wirkstoffe eingesetzt werden, die Methode ist auch in der Grundlagenforschung anwendbar um die Effekte von Signalstoffen auf das Immunsystem zu visualisieren“, so der wissenschaftliche Direktor des CeMM. An weiteren Anwendungsmöglichkeiten für „Pharmacoscopy“ mangelt es zudem nicht. So soll die neue Methode künftig auch die Analyse individueller Patientenproben und neuartige Tests zur Wirkung verschiedener Medikamente ermöglichen – und könnte damit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung einer personalisierten Präzisionsmedizin leisten.

 

Die Studie „Global survey of the immunomodulatory potential of common drugs“ erschien in der Zeitschrift Nature Chemical Biology am 24. April 2017. DOI:10.1038/nchembio.2360

CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin