25.05.2020 | Neue Methoden

Quantenphysik: Verschränkung ist widerspenstiger als gedacht

Physiker/innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften konnten zeigen, dass es eine große Zahl von Verschränkungszuständen in der Quantenphysik gibt, die sich mit den herkömmlichen Methoden nicht nachweisen lassen. Darüber berichten sie nun in der Fachzeitschrift Physical Review Letters.

© Andy Sproles/ORNL/www.flickr.com/photos/olcf/28434461768

Die Verschränkung ist eines der grundlegenden Konzepte der Quantenmechanik und spielt eine wichtige Rolle in vielen zukunftsträchtigen Technologien, vom Quantencomputer bis zur Quantenkryptografie. Der Nachweis, dass eine Verschränkung zwischen zwei Aspekten eines Experiments vorliegt, ist allerdings nicht immer einfach. “In vielen Experimenten wird der maximal verschränkte Zustand genutzt. Bei zwei Photonen kann das zum Beispiel ein spezieller Überlagerungszustand ihrer Polarisationen sein. Diese Verschränkungszustände können wir bestätigen, dafür gibt es Standardmethoden”, sagt Mirjam Weilenmann vom Wiener Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Verschränkungsnachweis wichtig für neue Quantentechnologien

Aus mathematischer Sicht weist man Verschränkung nach, indem ein abstraktes Objekt konstruiert wird, ein sogenannter „Entanglement Witness“. Es gibt eine Standardkonstruktion solcher „Verschränkungszeugen“, die beispielsweise für maximal verschränkte Zustände gut funktionieren, allerdings nicht für die meisten anderen Quantenzustände, wie die Physiker/innen in einer aktuellen Arbeit im Fachjournal Physical Review Letters zeigen.

“Man kann sich die möglichen Zustände eines Quantensystems wie einen Ball vorstellen. In dem Ball gibt es ein konvexes Objekt, das die nicht verschränkten Zustände enthält. Wir haben gezeigt, dass nur die verschränkten Zustände in den äußeren Schichten des Balls für die Standardmethode zugänglich sind”, sagt Studien-Erstautorin Weilenmann.
 
Auch für den Nachweis spezieller Eigenschaften verschränkter Zustände, etwa für den Nachweis einer Mindestanzahl von Freiheitsgraden in denen Systeme verschränkt sind, kommt die Standardkonstruktion schnell an ihre Grenzen. Solche höherdimensionalen Verschränkungszustände nachweisen zu können ist im Hinblick auf technologische Anwendungen aber äußerst wichtig. So lässt sich mit ihnen beispielsweise mehr Information transportieren oder die Rauschtoleranz der Zustände kann besser ausfallen.
 
Bisher keine Alternativen zu Standardmessmethoden
 
Selbst die Verschränkungszustände, die Forscher/innen gerne im Labor herstellen, widersetzen sich teilweise einem Nachweis. “Bei gewissen Zuständen hoher Verschränkung wird durch Hinzufügen von Signalrauschen ein Punkt erreicht, an dem der Nachweis ihrer Verschränkung mithilfe der Standardkonstruktion nicht mehr möglich ist. Das ist auch relevant für Experimente, bei denen relativ viel Rauschen vorhanden sein kann”, sagt Weilenmann. Es gibt zwar schon einige alternative Ansätze zum Nachweis von Verschränkung, diese sind aber nur für spezifische Fälle nutzbar.
 
Dass ein Großteil der Verschränkungszustände sich einer Bestätigung mit den herkömmlichen Methoden entzieht, hat Konsequenzen für quantenphysikalische Experimente. “Für Kryptografie ist es momentan wohl besser, bei den verschränkten Zuständen zu bleiben, die sich bewähren und die wir gut nachweisen können. In natürlichen Systemen kommen aber auch viele andere Zustände vor, auch hier ist der Nachweis von Verschränkungen interessant”, sagt Weilenmann. International arbeiten mehrere Gruppen an der Entwicklung von Möglichkeiten, die Verschränkung und ihre Eigenschaften in immer allgemeineren Klassen von Quantenzuständen nachweisbar zu machen.

 

PUBLIKATION

„Entanglement detection beyond measuring fidelities“, M. Weilenmann, B. Dive, D. Trillo, E. A. Aguilar, and M. Navascués, Phys. Rev. Lett., 2020
DOI: https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.124.200502