05.09.2019

Neues Buch stellt Friedensvertrag von Saint-Germain auf den Prüfstand

Zum hundertsten Jahrestag untersucht Historiker Arnold Suppan in einer neuen Monografie, welche problematischen Folgen die Friedensverträge von Saint-Germain und Trianon für die Geschichte hatten.

© Verlag der ÖAW

Am 10. September 1919, knapp ein Jahr nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, musste die noch junge Republik Österreich im Schloss Saint-Germain einen schmerzlichen Friedensvertrag unterzeichnen – schmerzlich insofern, als damit strenge Auflagen und große Gebietsverluste für Österreich einhergingen. Im Juni 1920 folgte der nicht weniger harte Friedensvertrag von Trianon, der zwischen der siegreichen Entente und Ungarn geschlossen wurde. 

Das Ende des 1914 von Österreich-Ungarn mit der Kriegserklärung an Serbien ausgelösten Ersten Weltkriegs brachte ein Aufatmen in ganz Europa, Demokratisierung und mehrere neue Staaten auf die mittel- und osteuropäische Landkarte, die zuvor von der Habsburgermonarchie dominiert war. Welche Folgen aber hatten die Friedensverträge für die Geschichte und wie sind sie aus heutiger Perspektive zu beurteilen? Der Historiker Arnold Suppan behandelt diese Fragen in seinem neuen, englischsprachigen Buch „Imperialist Peace Order – Saint-Germain and Trianon, 1919-20“, das um den hundertsten Jahrestag des Vertrags von Saint-Germain im Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erscheint.

Imperialistische Politik Berlins eindämmen

Für sein Buch hat Suppan bisher unbekanntes Archivmaterial insbesondere auch aus Ostmittel- und Südosteuropa gesichtet, um eine umfassende Perspektive auf die beiden Friedensverträge zu entwickeln. Entstanden ist dabei eine Zusammenschau der wichtigsten politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme, die sich aus der Auflösung der Habsburgermonarchie ergaben, aber auch der Interessen der alliierten Siegermächte und der neuen Nachfolgestaaten. 

Die beiden Verträge sollten, gemeinsam mit dem vor allem Deutschland betreffenden Friedensvertrag von Versailles (Juni 1919), nach der „Urkatastrophe“ des Ersten Weltkriegs Frieden stiften, hatten aber bekanntermaßen nicht lange Bestand. Ein Hauptgrund für die harte Behandlung Österreichs und Ungarns durch die Alliierten lag darin begründet, dass sowohl Wien als auch Budapest die imperialistische Politik Berlins unterstützt hatten und in der Befürchtung, dass sie diese möglicherweise weiterhin unterstützen würden.

Mit seinem Buch stellt sich Suppan nun gegen die jahrzehntelang überwiegend positive Beurteilung der beiden Verträge in der internationalen Geschichtswissenschaft. „Obwohl es damals warnende Stimmen auch bei den Siegermächten gab, war den Alliierten das weitere Schicksal des künftigen Österreichs und Ungarns gleichgültig. Auf die berechtigten Interessen der Verliererstaaten wurde keine Rücksicht genommen“, sagt Suppan.

Neue Staatsgrenzen ohne Rücksicht auf Minderheiten

Kritisch sieht der Historiker etwa, dass einige Staatsgrenzen nach dem Krieg vor allem nach strategischen, außenpolitischen oder wirtschaftlichen Überlegungen, nicht aber unter Berücksichtigung der ethnischen Zusammenhänge gezogen wurden, wie es US-Präsident Woodrow Wilson vor der Friedenskonferenz gefordert hatte. Weil mehrheitlich ungarische bzw. österreichische Gebiete anderen Staaten zufielen, waren Konflikte vorprogrammiert, etwa in den böhmischen Ländern, zwischen der Slowakei und Ungarn, zwischen Ungarn und Rumänien sowie um das Küstenland und Südtirol. Plötzlich lebten Millionen an Minderheiten im aus ihrer Sicht „falschen“ Land.

Nicht weniger problematisch seien auch eine Reihe von finanziellen und wirtschaftlichen Bestimmungen gewesen, so Suppan, wie etwa das Generalpfandrecht, das Österreich und Ungarn ein Pfand auf alle Besitzungen auferlegte und sie bis 1930 völlig von der Zustimmung der Siegermächte abhängig machte.

Diese und viele weitere Themen behandelt Suppan in „Imperialist Peace Order – Saint-Germain and Trianon, 1919-20“ – nicht zuletzt auch die Frage, wie sich der historische Blick auf die großen Friedensverträge im Lauf der Jahrzehnte verändert hat und welche Rolle sie bis heute für Österreich, Ungarn und Europa spielen. Das englischsprachige Buch erscheint am 15. September 2019 im Verlag der ÖAW, hat 250 Seiten, 28 Abbildungen und zwei Karten und kostet 29 Euro.

 

Pressebild

Das Cover des Buches ist auf der Website des ÖAW-Verlags zum kostenfreien Download zu finden. 

 

Rückfragehinweis 

Sven Hartwig 
Leiter Öffentlichkeit & Kommunikation
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Dr. Ignaz Seipel-Platz 2, 1010 Wien
T +43 1 51581-1331
sven.hartwig(at)oeaw.ac.at

Wissenschaftlicher Kontakt:
Arnold Suppan
Institut für Osteuropäische Geschichte
Universität Wien
Spitalgasse 2, 1090 Wien
T +43 1 734 2028 oder +43 1 734 2009
arnold.suppan(at)oeaw.ac.at