Immer wieder überraschen neue Eigenschaften von Licht die Forschungswelt. So kann man Licht etwa in eine korkenzieherartige Form bringen, um sogenannte „Schrauben aus Licht“ zu erzeugen, wie es Anton Zeilinger, Quantenphysiker an der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), bezeichnet. Das erstaunliche dabei ist, dass man jedem einzelnen Lichtteilchen, also Photonen, eine im Prinzip beliebige Anzahl an Windungen aufprägen kann. Je größer die Anzahl an Windungen, desto größer die so genannte Quantenzahl, mit der man das Photon beschreibt. Diese Eigenschaft haben sich nun die Wissenschaftler des Vienna Centers for Quantum Science and Technology (VCQ) an der Universität Wien und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation Wien (IQOQI Wien) der ÖAW in zwei Arbeiten zu Nutze gemacht und dabei bisherige Rekorde bezüglich der Übertragungsdistanz sowie Größe der Quantenzahl gebrochen.
Nachrichten mit Lichtschrauben über 143 Kilometer übermittelt
Lichtschrauben können im Prinzip beliebig viel Information pro Photon enthalten, im Gegensatz zur Polarisation, der Schwingungsrichtung des Lichts, mit der sich nur ein Bit pro Lichtteilchen an Information übertragen lässt. So wurden unter Laborbedingungen bereits Datenraten von bis zu 100 Terabit pro Sekunde erreicht, was dem Inhalt von etwa 120 Blue-Ray-Discs entspricht. Die Übertragung in realistischen Szenarien steckt hingegen noch in den Kinderschuhen. Neben der Übertragung über kurze Distanzen in speziellen Glasfasern konnten über freie Wegstrecken – benötigt etwa zur Satellitenkommunikation – bisher nur drei Kilometer zurückgelegt werden; ein Rekord, den dasselbe Team 2014 aufgestellt hatte (https://www.youtube.com/watch?v=OEupkfMqKGY).
In der aktuellen Studie zeigen die Forscher um Anton Zeilinger und Mario Krenn, dass in Lichtschrauben kodierte Information selbst nach über 100 Kilometern noch immer rekonstruiert werden kann. Das Experiment fand zwischen den Kanarischen Inseln von La Palma und dem 143 Kilometer entfernten Teneriffa statt. „Die Nachricht ‚Hello World!‘“ wurde mithilfe eines optischen Hologramms auf einen grünen Laser aufgeprägt, und auf der anderen Insel mithilfe eines neuronalen Netzes entschlüsselt“, erklärt Krenn, Dissertant in Zeilingers Gruppe. Nachdem nun gezeigt wurde, dass diese Lichteigenschaften im Prinzip über große Distanzen erhalten bleiben, müssen sie mit modernen Kommunikationstechnologien verbunden werden – woran bereits mehrere Gruppen weltweit arbeiten.
Quantenverschränkung mit fünfstelligen Quantenzahlen
Im zweiten Experiment gingen die Forscher, in Zusammenarbeit mit einer Gruppe aus Canberra in Australien, der Frage auf den Grund, wie stark sich einzelne Photonen schraubenartig verdrehen lassen, ohne eindeutige Quanteneigenschaften zu verlieren. Stimmt die Quantenphysik also auch im Limit der großen Quantenzahlen oder übernimmt dann wieder die klassische Physik bzw. Alltagswelt das Ruder? Die Wissenschaftler nutzten hierfür eine neue Technik der australischen Kollegen, so genannte spirale Phasenspiegel, mit welchen sich noch nie da gewesene Verdrehungen und somit riesige Quantenzahlen erreichen lassen. Die speziell für das Experiment in Wien hergestellten Spiegel erzeugen Lichtschrauben mit einer Quantenzahl von über 10.000 und sind damit hundertmal Mal stärker verdreht als in früheren Experimenten.
Im Experiment erzeugten die Wiener Forscher zunächst verschränkte Photonenpaare, d.h. zwei Lichtteilchen, die trotz räumlicher Trennung scheinbar miteinander in Verbindung stehen; einem quantenmechanischen Phänomen, welches Einstein bereits zu den Worten „spukhafte Fernwirkung“ veranlasste. Anschließend verdrehten sie eines der Teilchen mit Hilfe der australischen Spiegel ohne die Verschränkung zu zerstören und zeigten damit, dass die Quantenphysik auch im Bereich der fünfstelligen Quantenzahlen die richtigen Vorhersagen liefert. Obwohl das grundlegende Interesse zunächst im Vordergrund stand, sind zukünftige Anwendungen nicht ausgeschlossen. „Schon die enorme Komplexität des erzeugten Lichtstrahls ist beeindruckend und kann als ein anschauliches Zeichen gesehen werden, wie viel Information auf so einem einzelnen Lichtquant Platz haben sollte“, erläutert Robert Fickler, der gerade als Postdoc an der Universität von Ottawa, Kanada, arbeitet.
In beiden Studien ist es den Wissenschaftlern gelungen, kleine Weltrekorde aufzustellen, um einerseits grundlegenden Frage zu klären und andererseits den Weg zu möglichen Zukunftstechnologien aufzuzeigen.