17.12.2015

Mündig in der Medienwelt

Wie steht es eigentlich um Verantwortung und Ethik in der medialen Gesellschaft? Dieser Frage widmete sich eine internationale Konferenz an der ÖAW.

Bild: Wikimedia/CC

Von „Gefällt mir“ bis zum Hassposting: Wie ein funktionierendes Miteinander im Zeitalter der „neuen Medien“ aussehen kann, ist in vielen Bereichen noch ungeklärt. Öffentliche Diskussionen zu Verhetzungsparagraphen oder umstrittene Zensurmechanismen sozialer Netzwerke zeigten zuletzt, welche Herausforderungen dieses Defizit für Medienmacher/innen sowie Nutzer/innen darstellt. Die Konferenz „Responsibility and Resistance: Ethics in Mediatized Worlds“ am 10. und 11. Dezember 2015 machte daher Aspekte von Verantwortung und Ethik in der medialen Welt zum Thema einer großen internationalen Tagung. Veranstaltet vom Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung (CMC) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), wo zeitgleich ein interdisziplinäres Zentrum für Medienethik aus der Taufe gehoben wurde, wurden diese Aspekte aus vielfältigen Perspektiven beleuchtet. Im Gespräch erläutert CMC-Forscher und Konferenz-Organisator Tobias Eberwein, warum die Beschäftigung mit diesem Thema nicht nur in der Wissenschaft längst überfällig, sondern auch für die Gesellschaft von höchster Relevanz ist.

Der Konsum von Medien ist in nahezu alle Bereiche des Lebens vorgedrungen. Werden speziell die neuen Medien zu unkritisch genutzt?

Tobias Eberwein: Leider viel zu häufig! Die so genannten „neuen Medien“ sind zwar längst nicht mehr neu, ein verantwortungsvoller Umgang damit muss sich aber trotzdem erst noch etablieren. Das gilt für professionelle Medienmacher/innen ebenso wie für den einfachen Bürger. Gerade in sozialen Netzwerken werden allzu oft Informationen preisgegeben, die eigentlich nicht für eine breite Öffentlichkeit gedacht sind. Nicht jeder, der mal schnell etwas postet, macht sich Gedanken über mögliche Konsequenzen. Da gibt es noch viel Nachholbedarf, der sich am ehesten über eine möglichst früh ansetzende Medienbildung korrigieren lassen würde.

Stichwort Hasspostings: Bedarf es für Medien wie soziale Netzwerke einer gänzlich neuen Ethik?

Nicht alles, was derzeit aus ethischer Perspektive an der Netz-Kommunikation beklagt wird, ist gänzlich neu. Ehrverletzende Äußerungen waren auch in der öffentlichen Kommunikation des analogen Zeitalters schon problematisch. Neu ist allerdings die auffällige Ballung derartiger Äußerungen, wie sie durch die niedrigen Kommunikationsbarrieren in sozialen Netzwerken möglich wird. Schaut man in die journalistischen Ethik-Kodizes, die es gegenwärtig im In- und im Ausland gibt, dann sieht man, dass das Thema Internet vielerorts noch keine Rolle spielt. Das sollte sich ändern, denn nur wo es klare Regeln im Umgang mit „Hate Speech“ gibt, kann man dieses Problem auch in den Griff bekommen.

Die Konferenz an der ÖAW lief unter dem Titel „Responsibility and Resistance“. Wer trägt denn ethische Verantwortung in der medialen Welt? Und wer leistet Widerstand?

Die Referentinnen und Referenten auf unserer Tagung gaben darauf ganz unterschiedliche Antworten: Mal lag der Fokus mehr auf den traditionellen Medienschaffenden, also vor allem Journalist/inn/en, mal ging es um Unternehmenskommunikation, mal um politische Akteure, mal mehr um die Zivilgesellschaft. Aus diesem breiten Themenspektrum lässt sich ablesen, dass Medienethik ein Thema ist, welches uns alle betrifft. Das gilt in der mediatisierten Gegenwartsgesellschaft mehr als je zuvor. Wenn wir dafür ein Bewusstsein herstellen können, ist ein wichtiger Schritt getan.

Internationale Medienunternehmen wie Facebook, aber auch große Nachrichtenagenturen, Fernsehanstalten und Websites prägen den Informationsfluss. Hat der einzelne Medienkonsument überhaupt noch Möglichkeiten, Einfluss auf die Gestaltung der medialen Welt zu nehmen?

Na klar, die Partizipationsmöglichkeiten für den Einzelnen sind heute größer denn je. Über die zur Verfügung stehenden Online-Kanäle kann im Prinzip jeder zum Produzenten von Medieninhalten werden – oder wenigstens kritisch Stellung nehmen, wenn er mit den Veröffentlichungen der traditionellen Massenmedien nicht einverstanden ist. Allerdings werden diese Möglichkeiten bis heute noch nicht in dem Maße genutzt, wie dies wünschenswert wäre. In der Mediengesellschaft von heute sind eben auch die Rezipient/inn/en gefragt, wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen. Ob sie dies tun oder lassen – diese Entscheidung bleibt am Ende natürlich ihnen selbst überlassen.

Die Debatte über die mediale Darstellung von Sex und Gewalt gewann unter anderem durch das Internet und Videospiele neue Relevanz. Welche Bedeutung hat diese Debatte in ethischer Hinsicht?

Der Umgang mit Sex und Gewaltdarstellungen in den Medien kann schon fast als „Klassiker“ der medienethischen Reflektion gelten. In der Tat bekommt dieses Themenfeld aktuell aufgrund der Medienentwicklung einen neuen Aufmerksamkeitsschub. Auch hier gilt aber: Die medienethische Diskussion darüber muss sich nicht gänzlich neu erfinden, sie muss aber in gewisser Weise neu operationalisiert werden, um auch angesichts sich rapide verändernder Medientechnologien realitätsnah zu bleiben.

Welche Chancen birgt Medienkonsum für eine Verbesserung des gesellschaftlichen Zusammenlebens?

Medien und Journalismus werden vielfältige gesellschaftliche Funktionen zugeschrieben: eine Informationsfunktion, die Mitwirkung an der Meinungsbildung, Kritik und Kontrolle anderer gesellschaftlicher Akteure, gesellschaftliche Integration, Bildung und Erziehung, auch Unterhaltung – die Liste ließe sich beliebig verlängern. Die Realisierung dieser Funktionen kritisch und reflexiv zu begleiten, ist eine zentrale Aufgabe zeitgenössischer Medienethik. Auch aus diesem Grunde setzen wir uns für mehr empirisch fundierte Forschung in diesem Kontext ein. Das ist unser Dienst an der Gesellschaft.


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