22.11.2018

Mobiltelefone: Smarte Datensammler

Smartphones präsentieren sich als schlaue Alltagshelfer. Doch wer Apps, Messenger und Suchmaschinen nutzt, liefert deren Betreibern jede Menge Daten, wie eine aktuelle Studie von ÖAW-Wissenschaftler/innen zeigt.

© Pixabay

Das Handy ist bei vielen Menschen immer online mit dabei. Sie hinterlassen dadurch etliche Datenspuren, aus denen sich wertvolle Infos über ihren Alltag gewinnen lassen. Was mit diesen Daten passiert, wissen aber die wenigsten. Eine neue Studie des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) untersucht, welche Daten gesammelt und wie sie genutzt werden.

Studienleiter Walter Peissl rät Hanydnutzer/innen dazu, gut zu überlegen, welche Daten eine App zum Funktionieren unbedingt braucht und ist überzeugt: „Datenminimierung ist ein Gebot der Stunde.“

Herr Peissl, jeder von uns hinterlässt beim Handygebrauch Spuren. Welche Spuren sind das?

Walter Peissl: Das sind die sogenannten Verkehrs- und Standortdaten. Die Verkehrsdaten beinhalten die Kennungen der Kommunikationsgeräte, sowie die Dauer der Verbindung. Die Standortdaten, also die ungefähren Orte von denen aus kommuniziert wurde, müssen die Netzbetreiber technisch bedingt kennen, um eingehende Anrufe an das jeweilige Endgerät weiterleiten zu können. Dazu meldet sich jedes Endgerät – also das Mobiltelefon, Smartphone oder Tablet – in der nächstliegenden Funkzelle an. Diese Funkzellen sind in der Stadt kleiner als am Land. Auch deshalb sind die Standortdaten in der Stadt genauer.

Wer kann diese Standortdaten auslesen?

Peissl: Diese Daten stehen bisher nur den Netzbetreibern zur Verfügung. Auskunft darüber darf nur in Ausnahmefällen an Notrufdienste und Gerichte beziehungsweise an die Staatsanwaltschaften gegeben werden.

Was würde sich ändern, wenn diese Daten auch für andere auslesbar wären, also etwa für private Firmen? Nehmen wir einmal ein Shoppingcenter als Beispiel, das über Handys das Bewegungsmuster einzelner Kund/innen verfolgen könnte.

Peissl: Für Unternehmen ist es interessant zu wissen, wo wie viele Kundinnen und Kunden gehen, wo sie verweilen, wo demnach auch unterschiedliche Anreize für Werbebotschaften gesetzt werden können. Auch die Platzierung des Sortiments kann durch derartige Bewegungsstromanalysen optimiert werden. Für Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet das, dass sie selbst Daten liefern, deren Auswertung möglicherweise zu einem höheren Gewinn bei den Unternehmen führt. Da bleibt zu fragen, ob Konsumentin und Konsument fair an dieser Optimierung beteiligt werden.

2019 soll die so genannte e-Privacy-Verordnung in Kraft treten. Ursprünglich war sie dazu gedacht, Nutzer/innen von Online-Diensten vor elektronischer Überwachung zu schützen. Die AK fordert nun, dass es durch die Verordnung keine Verschlechterung der aktuellen Datenschutzbestimmungen geben darf.

Peissl: Die e-Privacy-Verordnung der EU ist heiß umkämpft. Sie sollte tatsächlich eine Verbesserung des Schutzes personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation bringen. Unter anderem geht es um das sogenannte Tracking beim Besuch von Webseiten beispielsweise durch Cookies. Hier sollten datenminimierende und userfreundliche Regelungen eingeführt werden. Wie die Auseinandersetzung ausgehen wird, ist derzeit noch offen.

 

 

Wie gehen Sie privat mit Ihrem Handy um? Schalten Sie es aus, wenn Sie es nicht nutzen?

Peissl: Das mache ich leider viel zu selten, denn wann braucht man das Handy nicht? Auch ich will ja meist erreichbar sein. Was aber getan werden kann, ist WLAN, Bluetooth und GPS auszuschalten, wenn man sie nicht braucht.

Gibt es Dienste, die sie lieber nicht aktivieren?

Peissl: Die automatische Cloud-Anbindung der großen Anbieter, digitale Assistenten, wie Siri oder Google Now, und natürlich sehr gezielt: sogenannte Ortungsdienste. Diese aktiviere ich nur bei Apps, die sie unbedingt brauchen, wie zum Beispiel beim Navi. Aber auch da nur „Beim Verwenden”. Eine dauerhafte Überwachung meines Standortes will ich durch diese Apps nicht zulassen. Sollte eine App die Alternative „Beim Verwenden“ nicht anbieten, sondern nur „Immer“ oder „Nie“, weiß ich, dass die Entwickler mit meinen Daten Geld verdienen wollen und deinstalliere die App sofort. Wir alle sollten uns überlegen, welche Daten eine App zum Funktionieren braucht, und ihr wirklich nur diese zur Verfügung stellen – auch wenn das von den Apps und deren Entwickler/innen oft erschwert wird. Datenminimierung ist ein Gebot der Stunde.

Gibt es Grundeinstellungen, die Sie Handynutzer/innen aktuell empfehlen würden, um auf Nummer sicher zu gehen?

Peissl: Dazu ist das Leben zu vielfältig. Jeder Nutzer und jede Nutzerin hat ja eigene Präferenzen. Es ist ein großes Thema wieviel mir Bequemlichkeit wert ist, aber auch wieviel ich bereit bin für den Schutz meiner Privatsphäre zu tun. Natürlich ist es einfacher alles automatisch „in der Cloud“ abzuspeichern, als sich selbst um ein Backup zu kümmern, natürlich ist es verlockend eine angenehme Systemstimme um Auskunft zu bitten und diese sogleich zu bekommen. Bevor ich aber noch mehr von meinem Leben, meinen Bedürfnissen preisgebe, versuche ich eher lokal und mit anderen Mitteln die gewünschte Auskunft zu erhalten. Suchmaschinen sind geniale Datenkraken. Aber wie zu fast jeder App, gibt es auch hier datenschutzfreundliche Alternativen.

Und wie sieht es bei der privaten Kommunikation aus?

Peissl: Messengerdienste können viel zur schnellen und unkomplizierten Kommunikation beitragen. Aber müssen sie dafür ganze Adressbücher auslesen? Mir scheint es wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir einerseits strenge Regeln im Cyberspace zum Schutz vor Datenausbeutung brauchen, dass aber für die Nutzerinnen und Nutzer auch Alternativen vorhanden sind. Jeder kann selbst zur Datenvermeidung beitragen!

 

Die Studie „Nutzung von Verkehrsdaten durch Mobilfunkbetreiber" wurde vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung der ÖAW im Auftrag der Arbeiterkammer durchgeführt und ist zum Nachlesen im Web zu finden.

Studie

Institut für Technikfolgen-Abschätzung der ÖAW