28.09.2018

Krieg ist keine Männersache

Welche Rolle spielen Frauen im Militär? Damit beschäftigt sich die Politikwissenschaftlerin Saskia Stachowitsch. In ihrer Forschung zeigt sie, warum Frauen das Militär gerettet haben und dennoch in der Minderheit sind.

© ÖAW

Krieg ist Männersache? So einfach ist es heute nicht mehr. Die soziale Wirklichkeit ist längst komplexer, wie die Forschung von Saskia Stachowitsch deutlich macht. Die Politikwissenschaftlerin an der Universität Wien, die heuer in die Junge Akademie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) aufgenommen wurde, beschäftigt sich seit Langem mit Themen wie Krieg und Frieden, Sicherheit und Unsicherheit sowie Militarisierung. „Mit meinem wissenschaftlichen Hintergrund in Politikwissenschaft und Gender Studies weiß ich, dass all diese Bereiche nur verständlich sind, wenn man auch gesellschaftliche und insbesondere geschlechtsspezifische Machtverhältnisse miteinbezieht.“

So erforscht die Wissenschaftlerin etwa, wie Frauen im Militär integriert und vertreten sind, zum Beispiel in den USA, dem Land mit der mächtigsten Armee der Welt. „Mit Ende des Kalten Krieges hat sich hier der militärische Arbeitsmarkt stark gewandelt. Ohne die Beteiligung von Frauen wäre das Militär schlichtweg nicht zu erhalten gewesen“, meint Stachowitsch hinsichtlich der Quantität wie Qualität. Denn: „Das US-Militär brauchte mehr besser ausgebildete Menschen, weil nur noch ein kleiner Teil traditionelle Kampfrollen übernahm. Der Großteil war nun in technischen, logistischen, medizinischen und im IT-Bereich tätig und Frauen wiesen ein durchschnittlich höheres Bildungsniveau auf.“

Frauen noch immer in der Minderheit

Doch auch wenn Frauen für das Militär vor allem nach Ende des Kalten Krieges entscheidend waren, sind sie heute nach wie vor in der Minderheit, betont Stachowitsch. Über die letzten zehn Jahre lag der Frauenanteil über alle Streitkräfte hinweg bei etwa 14 Prozent. Jedoch: „Je nach Teilstreitkraft gibt es starke Unterschiede. In der Air Force sind über 20 Prozent Frauen, im Marine Corps sind es zwischen vier und sechs Prozent. Das hat auch mit der Art der Aufgabe zu tun. Bei den Marines wird etwa vermehrt am Boden gekämpft und es gibt weniger unterstützende Funktionen.“

Mit Ende des Kalten Krieges hat sich hier der militärische Arbeitsmarkt stark gewandelt. Ohne die Beteiligung von Frauen wäre das Militär schlichtweg nicht zu erhalten gewesen.

Aber auch im privaten Militärsektor, der in Sachen Krieg und Sicherheit immer wichtiger wird, spielen Frauen kaum eine Rolle. „Als sich der ‚War on Terror‘ langsam dem Ende zugeneigt hatte, war klar, dass fast die Hälfte der Personen, die von amerikanischer Seite in Afghanistan und dem Irak eingesetzt wurden, keine staatlichen Truppen waren, sondern Angestellte von privaten Sicherheits- und Militärfirmen. Das ist ein großer Trend, der bis jetzt noch nicht vollständig wissenschaftlich aufgearbeitet und analysiert wurde.“

Dass Frauen hier wenig vertreten sind, liegt allerdings nicht daran, dass sie für diese Arbeit weniger geeignet sind. Das erklärten auch Vertreter von Sicherheitsfirmen, so Stachowitsch. „Man bezweifelt nicht, dass Frauen genauso gute oder teilweise sogar bessere Arbeit im Sicherheitsbereich leisten könnten. Als Begründung für ihre Unterrepräsentation wird aber angeführt, dass weibliches Sicherheitspersonal schlechter zu vermarkten sei.“ Denn für die Gesellschaft stünden Sicherheit und Schutz stark mit Männlichkeit in Verbindung. Eine Frau als Bodyguard sei für viele Auftraggeber aus diesem Grund nur in bestimmten Situationen denkbar und wünschenswert, so die Genderforscherin.

Vermännlichung des militärischen Arbeitsmarkts

Aus diesem Grund rekrutieren private Sicherheits- und Militärfirmen Personal auch aus Einheiten wie der Infanterie oder den Special Forces. Bereiche, von denen Frauen bis vor kurzem auch in den USA ausgeschlossen waren. „Private Sicherheitsfirmen müssen bei ihrer Rekrutierung nicht auf Gleichberechtigung achten wie das staatliche Militär. Für sie geht es vielmehr darum, ein gesellschaftlich kompatibles Bild von Sicherheit zu verkaufen“, schlussfolgert die Wissenschaftlerin. Stachowitsch warnt jedoch davor, dass dadurch eine Vermännlichung des militärischen Arbeitsmarktes stattfindet und Frauen von neu geschaffenen Arbeitsplätzen im Sicherheitsbereich ausgeschlossen blieben.

Private Sicherheitsfirmen müssen bei ihrer Rekrutierung nicht auf Gleichberechtigung achten wie das staatliche Militär.

Dass Frauen im Militär und in Sicherheitsfragen besseren Zugang haben sollten, sei laut Stachowitsch aber weniger dadurch zu begründen, dass Frauen in diesen Bereichen besser wären als Männer oder dass es mit mehr Frauen keine Kriege oder weniger Konflikte gäbe. „Ich wehre mich dagegen, dass Frauen immer besser sein müssen, um Zugang zu bestimmten Berufen zu haben. Zudem haben Frauen wie Männer das gleiche kriegerische und aggressive Potenzial, wenngleich sie meist unterschiedlich sozialisiert werden.“

Vielmehr gehe es laut Stachowitsch darum, Frauen wie Männern grundsätzlich gleiche Rechte einzuräumen. Pointiert formuliert: „Gleichstellung haben wir erst erreicht, wenn durchschnittliche Frauen ebenso in gute Positionen kommen, wie auch viele durchschnittliche Männer, die diese wichtigen Rollen einnehmen und unsere Gesellschaft gestalten.“

 

Saskia Stachowitsch ist Professorin für Internationale Politik am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien sowie Wissenschaftliche Direktorin des oiip – Österreichisches Institut für Internationale Politik. Sie ist Elise Richter-Stipendiatin des Wissenschaftsfonds FWF und wurde 2018 zum Mitglied der Jungen Akademie der ÖAW gewählt.

Die Junge Akademie der ÖAW besteht aus bereits etablierten Nachwuchswissenschaftler/innen aller Fachrichtungen und hat bis zu 70 Mitglieder. Diese bilden die Stimme einer jungen Generation in der Wissenschaft und setzen sich für interdisziplinären Austausch und die Identifizierung innovativer Forschungsfelder ein.

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