Solarenergie, Wind- und Wasserkraft stehen an erster Stelle, wenn es um die Frage geht, wie die Energiewende gelingen kann. Also jene Transformation, die Kohle, Erdgas und Öl durch erneuerbare Energien ersetzen will. Auf diese Weise soll es funktionieren, den globalen CO2-Ausstoß sukzessive zu reduzieren und die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Im 22. Jahrhundert soll schließlich nicht mehr CO2 ausgestoßen werden, als durch Bäume und Sträucher wieder aufgenommen werden kann.
Mit den „Erneuerbaren“ allein wird man dieses Ziel jedoch nicht erreichen, meint der Physiker Carlo Rubbia, der 1984 für die Entdeckung der sogenannten W- und Z-Bosonen den Nobelpreis erhielt. An Flugzeuge, die von Solar- oder Windenergie betrieben werden, glaubt er eher nicht. Was ist also die Lösung? Seine Antwort auf diese Frage scheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, denn er setzt auf die fossile Energien – genauer gesagt auf Erdgas: „Möglicherweise können wir in der Zukunft fossile Energie genauso sicher nutzen, wie erneuerbare.“
Um zu erklären, wie das funktionieren könnte, holte Rubbia am 25. Jänner 2017 im vollbesetzten Festsaal der ÖAW weit aus und begann seinen Vortrag mit der Entwicklung von Sonne, Erde und schließlich der Menschheit – eine Entwicklung, die nicht zuletzt durch fossile Energie angetrieben wurde. Doch mit der industriellen Revolution kam es auch zu einem stetigen Anstieg des Energieverbrauchs und damit zu einem wachsenden Ausstoß an CO2, der Hauptursache des gegenwärtigen Klimawandels.
CO2-freie fossile Energie
„Es geht also darum, künftig fossile Energie ohne CO2-Ausstoß zu nutzen“, erklärte der Physiker und ehemalige Direktor des Europäischen Kernforschungszentrums CERN. Seine Methode, mit der Energie umweltfreundlich aus Erdgas gewonnen werden soll, steht bereits in den Startlöchern. Sie soll Gas zu schwarzem Kohlenstoff umwandeln und nicht verbrennen, wodurch sich normalerweise CO2 freisetzt. Laut Rubbia wird in einer senkrechten Säule – einem Säulenreaktor – Zinn auf 800 Grad Celsius erhitzt und mit kleinen Methan-Bläschen versetzt. Während sich die Bläschen ihren Weg an die Oberfläche suchen, zerfällt das Methan in Wasserstoff und festen Kohlenstoff. Ersterer liefert schließlich die Energie. Fester Kohlenstoff liefert zwar keine Energie, ihn könnte man unter anderem aber für die Herstellung von Autoreifen verwenden.
Rubbia zufolge wäre dieses Verfahren sogar weder teuer noch schwierig in der Umsetzung. „Erneuerbare sind hingegen sehr kostspielig. Wenn wir Deutschland als Beispiel nehmen, wo 20 Prozent des Energiebedarfs durch Wind und Co. abgedeckt werden, so sind die Energiekosten hier doppelt so hoch wie in Frankreich, das auf Atomkraft setzt.“
Windenergie: eine lange Leitung
Aber auch Rubbia will nicht gänzlich auf eine Energiewende ohne erneuerbare Energie setzen. So arbeitet er parallel an einer Möglichkeit, wie sich die Versorgung mit Wind und Sonne besser und effizienter verteilen lässt. Um noch einmal das Beispiel Deutschland zu betrachten: hier müsse die Energie aus Windrädern, die zum Großteil aus dem Norden des Landes stammt, weite Strecken bis in den windärmeren Süden zurücklegen, erläuterte Rubbia. Aufgrund der Beschaffenheit der Leitungen geht dabei durch den erzeugten Widerstand viel Energie verloren.
Der Physiker und sein Team erforschen daher den Einsatz alternativer Materialien für Übertragungskabel, wie zum Beispiel Magnesiumdiborid (MgB2) – ein metallischer Supraleiter. Damit soll es möglich sein, elektrische Energie bei niedrigen Temperaturen ohne Verlust zu transportieren. Durch die gekühlten Erdkabel müssten Betreiber weniger Strom erzeugen, um die Verbraucher mit der gleichen Energiemenge versorgen zu können. Mit einem baldigen Einsatz solcher supraleitenden Kabel ist zwar nicht zu rechnen, denn dafür sei noch einiges an Forschung notwendig. Doch immerhin: eine alternative Idee für die bessere Nutzung alternativer Energien ist da – und die Menschheit damit dem Ziel der Bekämpfung des Klimawandels einen Schritt näher.