14.10.2016

Jungbrunnen für alternde Pflanzen

Langlebige Pflanzen erhalten sich auch im Alter stets „jugendliche“ Stammzellen für Blüten und Blätter. Wie sie sich vor Alterungsprozessen schützen, darüber berichten nun Pflanzenbiolog/innen der ÖAW in der Fachzeitschrift „PNAS“.

© Klaus Pichler / ÖAW
© Klaus Pichler / ÖAW

Wie schaffen es knorrige Obstbäume Jahr für Jahr köstliche Früchte hervorzubringen? Äußerlich sieht man ihnen ihr Alter an der ausladenden Krone und dem dicken Stamm an. An ihren Fortpflanzungsorganen, den Blüten, scheinen die Jahre aber spurlos vorüberzugehen. Und die Nachkommen haben meistens keine schlechteren Startbedingungen, obwohl sie von „alten Eltern“ stammen.

Forscher/innen des GMI – Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sind nun der Frage nachgegangen, wie bei solchen langlebigen Pflanzen verhindert wird, dass die üblichen Alterungsphänomene wie Mutationen oder die Verkürzung der Telomere auftreten. In den „Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA“ berichten sie nun, dass Zellen, die letztendlich die Blüte bilden, sich in der vegetativen Wachstumsphase nur selten teilen – wenn überhaupt. Andere Zellen hingegen teilen sich wesentlich häufiger. Diese hierarchische Aufteilung der Zellteilungsarbeit ermöglicht offenbar, dass langlebige Pflanzen stets junge Fortpflanzungsorgane haben.

Pflanzen altern ungleich

Denn anders als Tiere wachsen Pflanzen jeweils von ihrer Spitze, dem Sitz des sogenannten „Apikalmeristems“. Alle in einer Pflanze existierenden Zellen sind daher Abkömmlinge der Stammzellen des ursprünglichen „Apikalmeristems. Dieses ist schon im Embryo angelegt und produziert zuerst Zellen, die Blätter bilden, später dann die Zellen für die Blüten. Die Forscher/innen am GMI der ÖAW rund um James Matthew Watson und Karel Riha wollten herausfinden, ob explizite Stammzellen für Blüten bereits in einem sehr frühen Wachstumsstadium angelegt werden, und ob ihre Teilungsrate von den benachbarten Stammzellen für Blätter und Stängel abweichen.

Um den Einfluss des Alters auf die Teilungsraten ganz knapp unter der Wachstumsspitze einer Pflanze vergleichen zu können, wurde eine Untersuchungspflanze gewählt, deren Lebenszyklus innerhalb weniger Wochen abgeschlossen ist: die Ackerschmalwand „Arabidopsis“. Bei diesem Gewächs kann man zudem Blattbildung und Blütenansatz recht einfach beeinflussen, indem man es bei unterschiedlichen Tageslängen wachsen lässt. Bei 16 Stunden Licht pro Tag blüht Arabidopsis bereits 30 Tage mit nur zehn Blättern. Bei nur acht Stunden Licht braucht sie hingegen 90 Tage, hat davor aber 70 Blätter produziert.

Im Labor wurden die Wachstumszonen der beiden Varianten hinsichtlich der Teilungsaktivität aller Zellen verglichen. Entsprechend eingeschleuste Fluoreszenzfarbstoffe verrieten, welche Zellen teilungsaktiv waren und welche in „Wartestellung“ verharrten. Zudem wurde der Alterungseffekt der DNA zwischen Eltern- und Tochtergeneration zu einem klar definierten Zeitpunkt geprüft.

Das Geheimnis der ewigen Jugend

Die Forscher/innen hatten eigentlich erwartet, dass die später blühenden, blattreichen Pflanzen mehr Zellteilungen im Apikalmeristem durchführen – in erster Linie um mehr zusätzliche Blätter produzieren zu können. Die Folge wäre eine erhöhte Mutationsrate. Doch genau das hat sich nicht bestätigt. Die Teilungsaktivität im Bildungsgewebe an der obersten Pflanzenspitze blieb weitgehend unbeeinflusst von den – durch Lichtmangel induzierten – Wachstumsveränderungen.

Und auch jene Zellen, die letztendlich Jahr für Jahr frische Blüten hervorbringen, scheinen ihre Fähigkeit zur Teilung nicht vorzeitig zu nutzen, während sich ihre „Schwestern“ für Stängel und Blätter ein wenig unterhalb des „Apikalmeristems bereits aktiv teilen. Besonders deutlich wird das bei jenen unter Lichtmangel gezogenen, alten blattreichen Pflanzen. Ihr Blütenbildungsgewebe und schließlich auch die Blüten selbst blieben durch das vergleichsweise späte Einsetzen der Zellteilungen ebenso „jugendlich“ wie jene der lichtverwöhnten Vergleichsvariante.

„Wir schließen daraus, dass wir unser Bild vom Apikalmeristem revidieren müssen“, fasst ÖAW-Forscher James Matthew Watson zusammen: „Alles deutet darauf hin, dass die Teilungsaktivität einer Hierarchie unterworfen ist – ähnlich wie bei menschlichen Stammzellen-Nischen. Pflanzen und Tiere haben demnach ähnliche Mechanismen entwickelt, um ihre Genome vor zu hohen Mutationsraten zu schützen und gleichzeitig die hohe Anzahl von Zellteilungen zu ermöglichen, die für Wachstum und Entwicklung nötig sind.“

 

Publikation:

„Germline replications and somatic mutation accumulation are independent of vegetative life span in Arabidopsis”. James Matthew Watson, Alexander Platzer, Anita Kazda, Svetlana Akimcheva, Sona Valuchova, Viktoria Nizhynska, Magnus Nordborg, and Karel Riha. PNAS 2016
http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1609686113

GMI-GREGOR MENDEL INSTITUT FÜR MOLEKULARE PFLANZENBIOLOGIE DER ÖAW