„Wir sind alle aus Elektronen und Quarks, auch Sie Herr Präsident“, sagte Fabiola Gianotti, Generaldirektorin des Europäischen Kernforschungszentrums – kurz CERN – bei ihrer Begrüßung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen am 27. Februar 2018 an der größten Forschungseinrichtung der Welt für Teilchenphysik bei Genf.
Das österreichische Staatsoberhaupt zeigte sich bei seinem Besuch beeindruckt von der dort betriebenen Forschung: „Es ist faszinierend, wie viele Menschen aus unterschiedlichen Nationen und hochprofessionellen Sektoren am CERN zusammenarbeiten. Derzeit sind etwa 200 österreichische Wissenschaftler/innen mit dem Forschungsprogramm verbunden und leisten einen großen Beitrag zu diesem wichtigen Forschungsbetrieb“, twitterte Van der Bellen. Auch Heinz Faßmann, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, war angetan von seinem Aufenthalt am CERN und verdeutlichte den Stellenwert für die Wissenschaft: „Die Hochenergiephysik ohne CERN ist wahrscheinlich so, wie ein Historiker ohne Archiv.“ Zugleich regte er Reformen an, etwa um neue Mitglieder zu gewinnen oder die Kosteneffizienz zu steigern.
Zusammenarbeit von 22 Nationen
Insgesamt 22 Mitgliedsstaaten zählt die Europäische Organisation für Kernforschung mit Sitz im schweizerischen Genf derzeit. Österreich ist seit 1959 an Bord. Österreichische Universitäten und die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) forschen unmittelbar vor Ort oder tragen durch eigene Forschungen und Entwicklungen zur wissenschaftlichen Arbeit am CERN und zu neuen Erkenntnissen zum Ursprung des Universums bei.
So ist das Institut für Hochenergiephysik (HEPHY) der ÖAW eines der Gründungsmitglieder des CMS-Experiments. CMS steht für Compact-Muon-Solenoid und bezeichnet einen Teilchendetektor am Large Hadron Collider (LHC) des CERN. Der LHC ist der weltweit größte Teilchenbeschleuniger und besteht aus einem 27 Kilometer langen ringförmigen Tunnel. Darin werden Wasserstoffkerne auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt.
ÖAW-Forschung zum Ursprung des Universums
Das HEPHY ist an der Detektorentwicklung, der Datenauslese und -analyse beteiligt. Aktuell arbeitet das ÖAW-Institut etwa an der Entwicklung von neuen Sensoren, gemeinsam mit Infineon Technologies Austria. Diese Sensoren könnten bei der nächsten Generation des neuen CMS-Spurdetektors zum Einsatz kommen, da beim neuen Detektor ab 2025 rund zehnmal mehr Teilchenspuren entstehen werden als derzeit. Durch das am HEPHY entwickelte Triggersystem können dann zukünftig aus den riesigen Datenmengen die interessanten Kollisionen gefiltert werden.
Auch das Stefan-Meyer-Institut für subatomare Physik (SMI) der ÖAW ist mit Forschungen am CERN eingebunden, insbesondere beim ASACUSA-Experiment, dessen Sprecher SMI-Direktor Eberhard Widmann ist. Dabei geht es um die Untersuchung der Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie, die im Standardmodell der Teilchenphysik exakt gleiche oder exakt entgegengesetzte Eigenschaften haben müssen. Beim Experiment erzeugen die ÖAW-Forscher/innen Antiwasserstoff und vergleichen dessen Energiezustände mit jenen von Wasserstoff. Die Beobachtung einer Abweichung wäre ein direkter Hinweis auf bisher unverstandene Eigenschaften der (Anti)Materie und könnte einen möglichen Hinweis auf die Ursache des Nichtvorhandenseins von Materie im Universum liefern.
Derzeit gehören fünfzig Österreicher/innen zum Stammpersonal des CERN, weitere achtzehn sind als sogenannte Fellows dort tätig. Insgesamt sind rund 200 österreichische Wissenschaftler/innen mit am CERN laufenden Forschungsprogrammen verbunden. Auch eine der höchsten Positionen am CERN wird von einem Österreicher eingenommen. Der gebürtige Wiener Manfred Krammer leitet seit 2016 das Department für experimentelle Physik am CERN mit etwa 900 Mitarbeiter/innen. Die ÖAW kennt Krammer gut. Zuvor war er stellvertretender Direktor des HEPHY der ÖAW.