Viele von uns tun es tagtäglich. Wir versuchen gesünder zu essen, uns fit zu halten, weiterzubilden und interessante Hobbies zu pflegen, mit dem Ziel ein bestimmtes gesellschaftliches Ideal zu erreichen, das wir auf den sozialen Netzwerken präsentieren können. Und wofür wir „Likes“, „Shares“, „Follower“ oder Kritik bekommen. Angesichts einer Kultur der permanenten Selbstvermarktung und Außenwirkungskontrolle, wie es neue digitale Technologien ermöglichen, stellt sich aber die Frage, wie eigentlich Jugendliche damit umgehen und was der Trend zur Selbstoptimierung mit Ihnen macht.
Ein Thema, drei Perspektiven
Kürzlich haben drei Wiener Forscherinnen ein DOC-team Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erhalten, um in den nächsten drei Jahren die Herausforderungen im Umgang mit Emotionen bei Jugendlichen zu untersuchen. Analysiert werden dabei Jugendliche aus Wien zwischen 14 und 18 Jahren.
Wir wollen herausfinden, ob digitale Technologien einen Druck zur Selbstoptimierung ausüben.
Das Interessante an dem Projekt: Jede der drei Stipendiatinnen promoviert zwar an der Universität Wien, aber jeweils in einem anderen Fachgebiet. Dayana Hristova, ist Doktorandin im Bereich der Kognitionswissenschaft an der “Cognitive Science platform”, Barbara Göbl forscht an der Fakultät für Informatik und Suzana Jovicic arbeitet am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie. Die gemeinsame Forschungsfrage fasst Dayana Hristova folgendermaßen zusammen: „Uns interessiert wie Jugendliche heutzutage mit ihren Emotionen umgehen und welche Rolle hierbei digitale Technologien spielen. Und wir wollen herausfinden, ob diese Technologien in Zusammenhang mit der Selbstdarstellung einen Druck zur Selbstoptimierung ausüben“, erklärt die Kognitionswissenschaftlerin. Die Studie konzentriert sich vor allem auf Smartphones, die Verwendung von Apps und die Teilnahme an Online-Communities wie Facebook, Snapchat oder Instagram, die ununterbrochen und auch „unterwegs" genutzt werden.
Gesellschaft, Technik und Emotionen
Durch den interdisziplinären Ansatz des DOC-teams kann diese Fragestellung auf drei Ebenen behandelt werden. Im sozialanthropologischen Teil der Studie soll der gesellschaftliche Kontext näher beleuchtet und die Jugendlichen im Umgang mit Sozialen Medien beobachtet und interviewt werden. Mit Hilfe der Informatik werden die technischen Entwicklungen und innovative Technologien untersucht, wie etwa „Chatbot“, ein Computerprogramm, das eine Konversation über auditive oder textuelle Methoden durchführt.
„Ich werde in meiner Doktorarbeit die mittlere Ebene behandeln, um herauszufinden, wie der Umgang mit Emotionen passiert und wie die aktuellen technologischen Entwicklungen einzelne Personen beeinflussten. Dafür arbeite ich mit einzelnen Personen und befrage sie über Strategien im Umgang mit Emotionen“, erzählt Hristova über den kognitionswissenschaftlichen Ansatz.
Der Mensch als Ich-AG
Als Grundlage der Projekte dient die 2007 erschienene Studie „Das unternehmerische Selbst“ des deutschen Soziologen Ulrich Bröckling. „Heutzutage werden die Menschen durch den gesellschaftlichen Diskurs dazu gebracht, zu glauben, dass sie nur für sich selbst verantwortlich sind und sich ständig weiterentwickeln und immer weiter verbessern müssen“, sagt Hristova. In der derzeitigen Gesellschaft gehe die Verantwortung immer weiter weg von der Gemeinschaft. „Verschiedene Ideale werden uns tagtäglich von vielen Seiten, wie beispielsweise den Medien zugespielt, wie etwa unabhängig zu sein“, so Hristova.
Aus diesem Gesellschaftsbefund ergeben sich einige Fragen: Welche Strategien wenden Jugendliche an, um diesen gesellschaftlichen Vorgaben gerecht zu werden? Gibt es Bewältigungsstrategien mit Hilfe von sozialen Medien und welche neuen Möglichkeiten gibt es um mit starken Emotionen umzugehen – besuchen Jugendliche etwa öfter Facebook, wenn sie traurig sind?
Wir beobachten Jugendliche in einem Alter, in dem sie schon reflektiert, aber auch in einer schwierigen Position sind, da sie gerade den Wandel vom Schulkind zum Erwachsenen durchmachen.
„Wir hoffen, dass wir Informationen bekommen, mit denen die Jugendlichen dann auch etwas anfangen können“, sagt Hristova. Diese könnten dann vielleicht sogar zur Prävention von Pathologien beitragen. „Wir beobachten Jugendliche in einem Alter, in dem sie größtenteils schon reflektiert, aber auch in einer schwierigen Position sind, da sie gerade den Wandel vom Schulkind zum Erwachsenen durchmachen, die Schule wechseln oder eine neue Ausbildung beginnen“, so Hristova.
Eines jedenfalls ist schon jetzt sicher: Mit ihren Studien werden die drei Wissenschaftlerinnen einen interessanten Beitrag zu aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen beisteuern, die die zunehmende Komplexität und Integration neuer Technologien in den Alltag beleuchten.