29.11.2019 | Zwischen Untergang und Skepsis

DAS KLIMA IN DEN MEDIEN

Was wir über die vom Menschen verursachten Veränderungen des Klimas wissen, wissen wir zumeist durch die Medien. Angesichts emotional aufgeladener Debatten zum Klimawandel kommt Journalist/innen eine besondere Verantwortung im öffentlichen Diskurs zu. Und nicht nur ihnen, auch die Wissenschaft ist gefragt. Marlis Prinzing plädiert für seriösen Journalismus und mehr Citizen Science. Die Medienwissenschaftlerin war kürzlich bei einer Konferenz an der ÖAW zu Gast.

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Bilder von schmelzenden Gletschern, Dürrekatastrophen und Überschwemmungen gehen seit Jahrzehnten um die Welt. Schon 1986 zierte das Cover des deutschen Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ ein unter Wasser stehender Kölner Dom mit der alarmierenden Schlagzeile: „Die Klima-Katastrophe“. Auch die wissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel und seiner Verursachung durch den Menschen liegen nicht erst seit gestern auf dem Tisch. Das Intergovernmental Panel on Climate Change – kurz IPCC – stellte seinen ersten Sachstandsbericht im Jahr 1990 fertig. Die Berichte des IPCC bilden eine zentrale Basis für die Klimakonferenzen der Vereinten Nationen. Die nächste wurde im Dezember in Madrid abgehalten.

Klima wieder in den Schlagzeilen

Bereits wenige Tage vor Madrid, am 29. November, fand der vierte weltweite Klimastreik der Bewegung „Fridays for Future“ statt. Das Engagement junger Menschen, allen voran von Greta Thunberg, hat das Klima wieder in die Schlagzeilen gebracht. „Das Thema Klima hat in den Medien und in der Öffentlichkeit eine enorme Bedeutung gewonnen“, erklärt die deutsche Medienwissenschaftlerin Marlis Prinzing.

Das Thema Klima hat in Medien und Öffentlichkeit eine enorme Bedeutung gewonnen.

Die Professorin für Journalistik an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in Köln war kürzlich an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zu Gast. Die Kommission Klima und Luftqualität der ÖAW diskutierte bei einem Symposium, welche Rolle Medien, aber auch die Wissenschaft in der Debatte um den Klimawandel spielen.

Forschung statt Emotionen

Denn mit der Sorge um und dem Engagement für das Klima sind auch die Leugner/innen und Skeptiker/innen des Klimawandels auf den Plan getreten – und medial präsent. „Im Grunde ist das schon lange so. Problematisch daran ist, welcher Raum ihnen gegeben wird. Viele Medien lassen einen Skeptiker und einen Klimaforscher zu Wort kommen, um so dem Gebot der Ausgewogenheit gerecht zu werden. Tatsächlich erzeugen sie auf diese Weise Schieflagen“, sagt Prinzing.

Denn die meisten Skeptiker/innen, so die Medienwissenschaftlerin, argumentieren geleitet von einem Gefühl oder einer politischen Überzeugung, Forscher/innen hingegen auf der Basis von Untersuchungsergebnissen. Darüber hinaus ist sich international die Forschung weitgehend einig, dass der Klimawandel eine ernsthafte Herausforderung darstellt. Diese Tatsache müsse also nicht ständig hinterfragt werden, so Prinzig.

Viele Medien lassen einen Skeptiker und einen Klimaforscher zu Wort kommen, um so dem Gebot der Ausgewogenheit gerecht zu werden. Tatsächlich erzeugen sie auf diese Weise Schieflagen.

Vielmehr sollten Medien darstellen, wie verschieden Forschungspositionen zu den Folgen des Klimawandels sind und wo Forscher/innen uneins oder unsicher sind. „Ausgewogenheit in der Klimaberichterstattung bedeutet, diverse dieser jeweils auf Forschung gestützten Befunde darzustellen und diejenigen zu Wort kommen lassen, die diese herausgefunden haben“, erklärt Prinzing. „Das kennzeichnet seriösen Journalismus.“

Polarisierung durch Social Media

Auch die sozialen Medien können dazu beitragen, dass das Klimathema emotionalisiert und polarisiert. Dort komme außerdem das Phänomen des „Trumpism“ hinzu, erläutert Prinzing, also der ichbezogenen politischen Kommunikation, die Menschen oft verletzend attackiere.

„Um Strategien für den Umgang mit Desinformation und Hassrede zu entwickeln, wäre aus meiner Sicht ein unabhängiger Digitalrat als zentrale Anlaufstelle für Expertise und für Bürgerbedenken zu Digitalthemen nötig“, erklärt sie. Ähnlich wie es auf der Basis von Selbstregulierung Anlaufstellen gebe wie Presserat, Werberat und PR-Rat.

Einbindung der Zivilgesellschaft

Und auch die Wissenschaft, vor allem Klimaforschung sowie Kommunikationswissenschaft, sieht die Medienexpertin gefordert: „Die Wissenschaft muss ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen, Fakten mediengerecht aufbereiten und ihre Forschungsergebnisse verständlich formulieren.“ Eine weitere Möglichkeit wie Wissenschaft offener für die Bevölkerung werden kann, sieht Prinzing in einer verstärkten Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, zum Beispiel im Rahmen von Citizen Science-Projekten. „Im Team mit Bürgerforscher/innen lässt sich zum Beispiel herausfinden, ob journalistische Texte wirklich verstanden werden und ob bei der Klimaberichterstattung auch die Bereiche erfasst sind, die viele Menschen in ihrem Umfeld umtreiben.“

Das hätte zudem einen für den Klimadiskurs bedeutsamen Effekt, ist Prinzing überzeugt: „Je vertrauter die Bürger/innen mit wissenschaftlichen Herangehensweisen sind, umso größer ist auch ihr Vertrauen in die Kompetenzen und das Engagement von Forscher/innen.“ Und auf Vertrauen komme es letztlich an, so Prinzing.

Die Wissenschaft muss ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen, Fakten mediengerecht aufbereiten und ihre Forschungsergebnisse verständlich formulieren.

Das gelte genauso für den Journalismus. Wenn dieser differenziert, methodisch und professionell vorgehe, steige auch das Vertrauen der Rezipient/innen in ihn. „Journalismus ist ein Beruf mit sehr großer Verantwortung.“ Das bedeute eine Form der Berichterstattung, konkretisiert Prinzing, die Dringlichkeit vermittelt ohne überzogene Dramatisierung, die Lösungen und Angriffspunkte zeigt, an denen jeder ansetzen und etwas tun kann, und die darlegt, dass mehr Klimaschutz nicht zwangsläufig weniger Lebenswert bedeute. Das schließe im übrigen auch ein, nicht bloß einfache Medienlogiken zu bedienen, zum Beispiel den Blick vor allem auf Greta Thunberg zu richten. Marlis Prinzing: „Es geht auch darum zu zeigen, inwiefern die Klimakrise für uns alle ein Anlass zum Nachdenken sein kann, was wir unter guter Zukunft verstehen.“

 

FORSCHUNG RUND UMS KLIMA

Die Ursachen und Folgen des Klimawandels für Umwelt, Mensch und Gesellschaft standen 2019 auch an der ÖAW im Mittelpunkt von Forschungsprojekten, Konferenzen und Vorträgen. Mehr zur Forschung rund ums Klima ist auf der Website der Akademie zu finden.

www.oeaw.ac.at/klimawandel