02.07.2019 | Sommerserie: Neue Mitglieder

Auf Du und Du mit dem Tumor

Die Molekularbiologin und Junge Akademie-Mitglied Anna Obenauf sucht nach neuen Therapien für Krebs.

©ÖAW

In der Behandlung diverser Krebsarten ist in den vergangenen Jahren viel passiert. Neue Therapien versprechen Erfolge auch in Situationen, in denen Ärzt/innen noch vor kurzem kaum Möglichkeiten gehabt hätten, den Krankheitsverlauf zu beeinflussen. Die Erforschung von zielgerichteten Therapien und neue Ansätze zur Aktivierung des Immunsystems gelten zudem als Hoffnungsträger, die die Chancen von Patient/innen in Zukunft noch weiter verbessern sollen. Auch in Österreich wird auf diesem Gebiet gearbeitet. Anna Obenauf, seit heuer Mitglied der Jungen Akademie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), hat sich mit ihrem Team am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) auf Hautkrebs spezialisiert.

Wir wollen herausfinden, wie die Krebszellen Resistenzen gegen zielgerichtete Therapien ausbilden.

“Uns interessieren vor allem Tumore, die bereits metastasiert haben. Wir wollen herausfinden, wie die Krebszellen Resistenzen gegen zielgerichtete Therapien ausbilden und welche Rolle die Interaktion mit dem Immunsystem bei der Metastasierung spielt”, sagt Obenauf. Im Zentrum des Interesses steht der schwarze Hautkrebs, das Melanom. “Mit Melanomen beschäftige ich mich schon seit meinem Postdoc. Für diese Art von Tumor existieren bereits einige zielgerichtete Therapien. Allerdings entwickeln die entarteten Zellen auch oft Resistenzen”, sagt Obenauf. Daneben beschäftigen sich die Forscher/innen in Kollaboration mit Thomas Wiesner von der Meduni Wien auch mit selteneren Tumoren, etwa dem Merkelzellkarzinom.

Kombination aus Therapien

Zur Behandlung von Melanomen, die bereits metastasiert haben, wird auch das Immunsystem gezielt genutzt. “Allerdings schlagen nur etwa 40 Prozent der Patienten auf das genutzte Verfahren an. Warum das so ist, wissen wir noch nicht genau, das wollen wir gerade herauszufinden”, erklärt die Molekularbiologin. Moderne Behandlungen setzen oft auf eine Kombination aus zielgerichteter Therapie, bei der ein spezifischer Signalweg in den Tumorzellen gestört wird, und Immuntherapie, bei der das Immunsystem beim Kampf gegen die Krebszellen unterstützt wird. “Wir passen die Behandlung auf den Tumor an. Bei Melanomen gibt es therapierelevante Veränderungen im Erbgut, die bei fast 50 Prozent der Karzinome auftreten. Darauf können wir aufbauen”, sagt Obenauf.

Obwohl Tumore sehr verschieden sind, lassen sie sich also in Gruppen einteilen, die für eine bestimmte Behandlungsform zugänglich sind. “Die Wunderwaffe für viele verschiedene Krebsarten, also der eine Signalweg, der bei einer Blockierung zum Zelltod führt, existiert wohl leider nicht”, erklärt die Forscherin. Genau deshalb wird auf die Erforschung von Immuntherapien viel Augenmerk gelegt. “Das Immunsystem passt sich automatisch an die Bedrohung an. Das heißt, dass es sich auch auf Tumore einstellen kann, die sehr heterogen sind oder sich während des Wachstums verändern”, sagt Obenauf.

Komplexes Immunsystem

Die Erforschung der Melanome passiert über menschliche und tierische Zelllinien. Die Forscher/innen können Krebszellen genetisch so verändern, dass sie ein bestimmtes Verhalten zeigen. Bestimmte Tumormerkmale, wie besonders hohe Mutationsraten, machen das menschliche Immunsystem auf Wucherungen aufmerksam. Deshalb eignen sich etwa Melanome oder Lungenkarzinome, die durch Rauchen ausgelöst wurden, besonders gut zur Erforschung von Immuntherapien.

Wenn das Immunsystem einen Tumor erkannt hat und bereits T-Zellen im Krebsgewebe aktiv sind, spricht man von einem heißen Tumor. Es kann passieren, dass Oberflächenmoleküle auf dem Tumor mit Rezeptoren auf den T-Zellen interagieren und das Immunsystem so ausbremsen.

Ein möglicher Therapieansatz ist, diese Verbindung mit Antikörpern zu stören. Dann können die T-Zellen ihre Arbeit wieder aufnehmen. Ein kalter Tumor hingegen wird vom Körper nicht erkannt, hier sind keine T-Zellen im Gewebe aktiv. Dann muss dem Immunsystem unter die Arme gegriffen werden, um den kalten in einen heißen Tumor zu verwandeln.

Sensibles Geichgewicht

“Das ist eine Problemregion. Wir wissen heute nicht genau, warum die Immunantwort in bestimmten Fällen ausbleibt. Es gibt aber bereits einige Ansätze, um die Abwehr des Körpers zu aktivieren”, sagt Obenauf. Problematisch bei Immuntherapien ist, dass sich das körpereigene Verteidigungssystem immer im Gleichgewicht befinden muss. Wenn das Immunsystem überreagiert, kann das zu Autoimmunkrankheiten und unter Umständen sogar zum Tod führen. Deshalb gelten Kombinationstherapien, die den Tumor zielgerichtet angreifen und gleichzeitig das Immunsystem auf den Plan rufen, als beste Option. Die Entwicklung derartiger Behandlungen ist aber langwierig und kostenintensiv.

Bei Melanomen mit Metastasen lag die Lebenserwartung vor wenigen Jahrzehnten noch bei wenigen Monaten bis Jahren, heute können diese Patienten mehr als zehn Jahre lang leben, wahrscheinlich sogar noch deutlich länger.

Das heißt jedoch nicht, dass es keine klinischen Fortschritte gibt. “Bei Melanomen mit Metastasen lag die Lebenserwartung vor wenigen Jahrzehnten noch bei wenigen Monaten bis Jahren, heute können diese Patienten mehr als zehn Jahre lang leben, wahrscheinlich sogar noch deutlich länger”, sagt Obenauf. Die Behandlung wird in derartigen Fällen bereits auf den Patienten abgestimmt. Bei den 40 Prozent, bei denen eine Immuntherapie anspricht, gibt es gute Langzeiterfolge. Auch die zielgerichteten Therapien wirken gut und rasch, aber hier kommt es immer wieder zur Ausbildung von Resistenzen.

Evolution

“Die Tumore entwickeln sich nach den Gesetzen der Evolution. Wenn ein bestimmter Signalweg blockiert wird, kann es sein, dass Zellen im Tumor die Oberhand gewinnen, die das relevante Merkmal nach unter regulieren. Oder sie wechseln das Oberflächenmolekül. Manche Tumore nutzen das Immunsystem sogar für sich. Die rekrutieren bestimmte Immunzellen, die die T-Zellen angreifen, das Immunsystem bekämpft sich dann selbst”, sagt Obenauf.

Bei der Vielzahl der Zellteilungen, die ständig im Körper passieren, ist es eigentlich unglaublich, dass so wenige Tumorzellen entstehen.

Warum einige Menschen Krebs bekommen und andere nicht, ist nicht abschließend geklärt. “Das menschliche Immunsystem ist sehr effizient. Bei der Vielzahl der Zellteilungen, die ständig im Körper passieren, ist es eigentlich unglaublich, dass so wenige Tumorzellen entstehen. Dafür müssen die Reparaturmechanismen, der Zelltod und das Immunsystem sehr gut funktionieren. Wir wissen auch, dass Menschen mit unterdrücktem Immunsystem, etwa Organempfänger, manchmal auch anfälliger für Krebs sind. Das ganze System ist sehr komplex. Für uns gibt es hier noch viel zu tun.”

 

Auf einen Blick

Anna Obenauf ist Gruppenleiterin am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien. Forschungsschwerpunkt der Molekularbiologin ist die Metastasierung von Krebs.  2018 erhielt sie einen ERC Starting Grant, um zu erforschen wie Tumore gegen Krebstherapien Resistenzen entwickeln. Anfang 2019 wurde sie zum Mitglied der Jungen Akademie der ÖAW gewählt.

Die Junge Akademie der ÖAW besteht aus bereits etablierten Nachwuchswissenschaftler/innen aller Fachrichtungen und hat bis zu 70 Mitglieder. Diese bilden die Stimme einer jungen Generation in der Wissenschaft und setzen sich für interdisziplinären Austausch und die Identifizierung innovativer Forschungsfelder ein.

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