21.12.2017

Auf der Suche nach den ersten Ackerbauern

Der Übergang vom Leben als Jäger und Sammler zur Sesshaftigkeit, war eine einschneidende Veränderung in der Geschichte und prägt die Menschheit bis heute. Archäolog/innen der ÖAW untersuchen nun zu welcher Zeit, an welchen Orten und mit welchen Technologien die ersten Ackerbauern Europa erreichten.

Bohrarbeiten für paläografische Untersuchungen in der Region Pusta Reka im südlichen Serbien © Felix Ostmann/OREA/ÖAW
Bohrarbeiten für paläografische Untersuchungen in der Region Pusta Reka im südlichen Serbien © Felix Ostmann/OREA/ÖAW

Die Menschen in Europa waren nicht immer sesshaft. Bis zum Beginn der Jungsteinzeit dominierte auf dem Kontinent die Lebensweise der Jäger und Sammler. Doch wie kam es zu diesem Wandel? Und woher kam die neue „Kulturtechnik“ des Ackerbaus? Darauf suchen Archäolog/innen der ÖAW nun mit neuen Forschungen am Balkan Antworten.

Wie der Ackerbau nach Europa kam

„In einem unserer vorangegangenen Projekte haben wir die Neolithisierung in der Westtürkei im Kontext von Anatolien und der Ägäis untersucht und dauerhafte menschliche Siedlungen gefunden. Darauf basiert unsere derzeitige Fragestellung. Wir möchten herausfinden wohin und in welcher Weise sich der Ackerbau in Richtung Europa ausgebreitet hat”, sagt Barbara Horejs, Direktorin des Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

In Kooperation mit dem Archäologischen Institut in Belgrad und dem Nationalmuseum in Leskovac, untersuchen Horejs und ihr Team die Gegend um die südliche Morava in Südserbien, eine Region, die vor ungefähr 8.000 Jahren eine wesentliche Verteilerfunktion eingenommen hat. Dabei handelt es sich um ein wichtiges Flusstal, das den Mittelmeerraum mit dem Donauraum verbindet. Heute ist dies eine bekannte Flüchtlingsroute, die aber schon in viel früheren Zeiten genutzt wurde.

Über einen Zeitraum von ungefähr 1.000 Jahren fehlen uns sämtliche Daten und niemand kann sagen, wie die Menschen rund 6.000 vor Chr. in dieser Region gelebt haben.

„Über einen Zeitraum von ungefähr 1.000 Jahren fehlen uns sämtliche Daten und niemand kann sagen, wie die Menschen rund 6.000 vor Chr. in dieser Region gelebt haben. Wir wollen wissen welche Technologien die Menschen aus dem Raum Ägäis und Anatolien mitgebracht haben könnten, ob es dauerhafte Siedlungen gab und ob es sich um bäuerliche Kulturen mit Haustieren, die Ackerbau betrieben haben, gehandelt hat“, erklärt Horejs.

Hinweise auf Reste von Besiedelungen

Vor kurzem haben die Wissenschaftler/innen mit einem archäologischen Survey in der Region begonnen, das bedeutet, dass die Oberfläche nach Hinweisen auf Spuren des frühen Neolithikums, also dem Beginn der Jungsteinzeit, abgesucht wurde. „Das Spannende daran ist, dass in dieser Region noch niemals zuvor systematisch prähistorisch geforscht wurde“, sagt Horejs. Parallel zu den archäologischen Surveys, wurden geographische Bohrungen und geophysikalische Untersuchungen durchgeführt. Die Bohrungen erbrachten Kulturschichten, deren Analyse gerade durchgeführt wird. Die daraus gewonnenen Radiokarbondaten sollten über das Alter dieser Ablagerungen informieren. Die geophysikalischen Messungen zeigten aber bereits Anomalien, die auf Reste von Besiedlungen schließen lassen.

Wir haben beispielsweise Steingeräte und Keramikgefäße gefunden. Wir rechnen damit, dass diese Funde um die 8.000 Jahre alt sind. Auch haben wir tatsächlich Geräte gefunden, die an den Orient erinnern.

Barbara Horejs und ihr Team waren positiv überrascht, dass sie bisher schon so viele, gut erhaltene Hinweise finden konnten. „Wir haben an diesem Ort nun mehrere potenzielle Plätze ausfindig machen können und beispielsweise Steingeräte und Keramikgefäße gefunden. Wir rechnen damit, dass diese Funde um die 8.000 Jahre alt sind. Auch haben wir tatsächlich Geräte gefunden, die an den Orient erinnern“, freut sich die Archäologin.

Klimawandel brachte Sesshaftigkeit?

Dies könnte darauf hindeuten, dass die Hypothese stimmt, die besagt, dass sich der Ackerbau von der Türkei, über den mittleren Balkan nach Europa ausgebreitet hat. „Der nächste Schritt ist dann auf Basis dieser Funde, jenen Platz auszuwählen, an dem wir Grabungen durchführen werden“, sagt Horejs. Die Wissenschaftler/innen hoffen auf Reste von kultiviertem Getreide und domestizierte Tiere, oder Geräte zur Getreideverarbeitung zu stoßen, die auf Sesshaftigkeit, Ackerbau und Viehzucht hinweisen.

Warum und auf welchen konkreten Wegen die Menschen von der Westtürkei in den mittleren Balkan weitergewandert sind, ist noch nicht vollkommen geklärt. Es wird derzeit angenommen, dass massive klimatische Veränderungen eine der Ursachen gewesen sein könnten. Lange nach dem Ende der letzten Eiszeit, vor rund 8.200 bis 8.000 Jahren, haben sich die klimatischen Bedingungen so geändert, dass die Menschen sich neue Lebensräume erschlossen haben, vermutlich um ihr Überleben zu sichern. Die Archäolog/innen der ÖAW hoffen mit ihren Forschungen nun diese Wissenslücke ein weiteres Stück schließen zu können.

 

Neolithic landscapes of the Pusta Reka region heisst das Forschungsprojekt bei dem Wissenschaftler/innen des Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie der ÖAW sich auf die Spuren der ersten Ackerbauern am Balkan begeben. Die Forschungen werden in Kooperation mit dem Archäologischen Institut in Belgrad und dem Nationalmuseum in Leskovac durchgeführt.

Projektbeschreibung

Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der ÖAW