16.11.2016

Antiker Pfusch am Bau

Wer musste in der Antike zahlen, wenn beim Häuserbau Fehler gemacht wurden? Dieser Frage geht der deutsche Rechtshistoriker Wolfram Buchwitz nach. Seine Ergebnisse präsentiert er bei einer Tagung zur antiken Rechtsgeschichte an der ÖAW.

Relief eines Römischen Baukrans. © arachne.uni-koeln.de
Relief eines Römischen Baukrans. © arachne.uni-koeln.de

Heute führen sie oftmals vor Gericht: Baufehler. Das war jedoch nicht immer so, wie zum Beispiel zu Zeiten des römischen Rechts, das während der gesamten Antike galt. Antiker Pfusch am Bau und dessen rechtliche Konsequenzen sind für Wolfram Buchwitz von der Universität Bonn Forschungsalltag. Der Jurist befasst sich u.a. mit den Bauvorschriften aus der Zeit zwischen dem 1. Jhdt. v. Chr. bis zur Mitte des 3. Jhdt. n. Chr. „Dies nennt man die Zeit des ‚klassischen‘ römischen Rechts, da wir hier die beste Überlieferung haben, sowohl was die Anzahl der Texte betrifft als auch im Hinblick auf die inhaltliche Qualität der Schriften“, erklärt Buchwitz.

Er war kürzlich zu Gast beim 4. Wiener Rechtsgeschichte-Kolloquium des Instituts für Kulturgeschichte der Antike der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), das sich dem „Recht am Bau in der Antike“ widmete. Im Interview erzählt Buchwitz wie die Römer mit baulichen Mängeln umgingen, wie sie es mit der Gewährleistung hielten – und was man tun konnte, wenn einem im antiken Rom ein Ziegel auf den Kopf fiel.

Herr Buchwitz, angenommen eine Frau geht in Rom unter einem Balkon durch und es fällt ihr ein loses Stück Ziegel auf den Kopf, das aufgrund eines Baufehlers locker geworden ist – was konnte sie machen? Den Eigentümer verklagen?

Hierfür sah das römische Recht allgemeine Rechtsbehelfe vor, nämlich die „Actio Iniuriarum“ und die „Actio Legis Aquiliae“. Diese konnte man gegen jene Person erheben, die für den Schaden direkt verantwortlich war. Das wäre in dem Fall der Bauunternehmer, der das Haus gebaut hat, nicht der Eigentümer. Diese Klagen standen den Bürgern aber allgemein bei körperlichen Verletzungen zur Verfügung.

Um beim Beispiel zu bleiben: Könnte der Eigentümer des Hauses, dessen Balkon wegen eines Baufehlers nun kaputt ist, gegen den Bauunternehmer vorgehen?

Das ist das Interessante, denn das römische Recht hat hinsichtlich diverser Bauangelegenheiten nichts geregelt – auch nicht zu der Frage, wer den Schaden zu tragen hat, wenn das Bauwerk nicht ordnungsgemäß gebaut wurde. Die Vertragsparteien hätten eine solche Regelung aber natürlich in die Vereinbarung mit aufnehmen können. Hier überließ ihnen das römische Recht absolut freien Spielraum.

Das heißt, um diese Frage beantworten zu können, müsste man wissen, was der Bauherr und der Bauunternehmer im konkreten Bauvertrag vereinbart haben. Nach der römischen Rechtspraxis haftete der Bauunternehmer nur während der Ausführungsphase für auftretende Baumängel. War das Bauwerk aber einmal abgenommen, lag die Gefahr eines Mangels grundsätzlich beim Hauseigentümer.

Gibt es Hinweise darauf, ob die Römer früher solche Rechtsbehelfe regelmäßig in ihre Verträge aufgenommen haben?

Es sind leider nur wenige Bruchstücke römischer Bauverträge überliefert. Das macht es schwierig, zu erfahren, was damals in der Regel vertraglich festgehalten wurde. Es ist aber auffällig, dass uns mehrere Vertragsklauseln bekannt sind, in denen die Parteien eine Haftung bei nicht rechtzeitiger Fertigstellung des Bauwerks vereinbart haben, jedoch keine Klauseln, in denen eine Haftung für Baumängel statuiert worden wäre. Zudem gibt es auch keine Hinweise, dass solche Streitigkeiten vor Gericht gebracht wurden. Es scheint also, als ob Baumängel im antiken römischen Baurecht nach der Abnahme keine Rolle mehr spielten.

Im deutschen wie im österreichischen Recht ist das heute selbstverständlich – der Bauunternehmer bleibt für Sachmängel, die er verursacht hat, grundsätzlich haftbar. Es sei denn, die Vertragsparteien schließen dies aus. Wie erklären Sie sich, dass es in der Antike nicht so war?

Das stimmt, heute gilt die Gewährleistung, damit wird der Bauunternehmer nicht komplett aus dem Vertrag entlassen. Nach der Abnahme kehrt sich im deutschen Recht aber auch heute die Beweislast um und der Geschädigte muss nun beweisen, dass der Schaden auf einen Fehler des Bauunternehmers zurückzuführen ist, was manchmal schwierig sein kann. Grundsätzlich kann man ihn heute aber auch noch nach diesem Zeitpunkt für Baufehler belangen.

Warum das im antiken Rom noch nicht so war, erkläre ich mir damit, dass man vielleicht eine andere ökonomische Realität hatte als heute. Das heißt, man vereinbarte für einen Hausbau einen geringeren Preis, weil man das Risiko eines Baumangels mit einrechnete.
Es ist aber nicht so, dass man das Prinzip der Gewährleistung damals überhaupt nicht kannte. In Kaufverträgen haftete zum Beispiel derjenige für die mangelhafte Ware, der die Sache verkauft hatte – auch nach der Übergabe.   

Ist das nicht paradox, dass man eine solche Regelung nicht auch bei Häusern vorsah? Immerhin geht es bei Baumängeln um viel mehr Geld.

Auch manche römische Juristen der damaligen Zeit sahen darin ein Paradoxon, wie zum Beispiel Ulpian, der seine Verwunderung über den Ausschluss der Gewährleistung bei den Verdingungsverträgen, zu denen auch die Bauverträge gehörten, in einem seiner Kommentare zum Ausdruck brachte. Erst im 4. Jahrhundert führte man zumindest für alle öffentlichen Bauten eine Werkmängelhaftung ein.

Noch einmal zurück zu den Verträgen der damaligen Zeit – welche Vertragsklauseln waren damals typisch?

Natürlich der Preis. Der wurde damals nämlich auf unterschiedliche Weise bestimmt. Beim Mauerwerk berechnete man oftmals den Preis pro Längeneinheit oder pro verbautem Material. Aber auch Festpreisvereinbarungen für den gesamten Bau waren bekannt, oder die vorherige Einholung eines Kostenvoranschlags. Insgesamt waren daher ganz ähnliche Berechnungsweisen verbreitet wie in der heutigen Baupraxis.

Außerdem gab es viele Klauseln, die Sanktionen bei nicht rechtzeitiger Fertigstellung des Bauwerks vorsahen. Der Bauunternehmer musste dann die Mehrkosten tragen, welche aus dem Verzug resultierten, oder sogar eine Vertragsstrafe in vorher festgelegter Höhe zahlen. Man sieht also, dass die Römer genau wie wir heute mit Verzögerungen am Bau zu kämpfen hatten und sich dagegen vertraglich absicherten.

 

 

Wolfram Buchwitz ist Akademischer Rat a.Z. am

Institut für Römisches Recht und Vergleichende Rechtsgeschichte der

Universität Bonn. Er ist zudem Mitglied im Jungen Kolleg der

Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

Derzeit habilitiert er sich mit einer Arbeit zur

Prozessrechtsgeschichte. Zuletzt hat er den Band „Alter und

Gesellschaft: Herausforderungen von der Antike bis zur Gegenwart“

mitherausgegeben.

Das 4. Kolloquium zur Antiken Rechtsgeschichte

fand vom 10. bis 11. November 2016 unter dem Titel „Bau und Recht in

der Antike“ an der ÖAW statt.

Programm

Institut für Kulturgeschichte der Antike der ÖAW