22.05.2023

Die Bedeutung von Blitzen für Leben auf der frühen Erde

Das Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist Teil eines internationalen Teams, das den Beitrag von Blitzen zur Produktion von biologisch nutzbarem Stickstoff auf der frühen Erde untersucht hat. Die in der Fachzeitschrift "Nature Geoscience" veröffentlichte Studie liefert neue Erkenntnisse über die Rolle von Blitzen als Nährstoffquelle für frühe Lebensformen auf der Erde und Exoplaneten.

Foto von Michael Gusev auf Unsplash

Stickstoff als wichtige Zutat für Leben

Stickstoff ist ein Schlüsselelement für die Entstehung sowie das Bestehen von Leben, wie wir es kennen. Auch in der Atmosphäre der frühen Erde lag Stickstoff hauptsächlich in Form des sehr stabilen und daher für mögliche Lebensformen unzugänglichen N2-Moleküls vor. Vor der Entwicklung von Mikroorganismen, die den Stickstoff anderen Lebewesen zur Verfügung stellen können, mussten daher energiereiche, physikalische Prozesse, wie z.B. Blitze, die N2-Moleküle aufbrechen.

Blitze im Labor

Um zu untersuchen, wie Blitze Stickstoff für Lebewesen verfügbar machen können, haben Forscher:innen an der University of St Andrews in Schottland, gemeinsam mit Kolleg:innen vom IWF in Graz und von der Brown University in den USA, Blitzexperimente durchgeführt. Dabei wurden Glaskolben mit Wasser und verschiedenen Gasgemischen gefüllt, um die Atmosphäre der heutigen sowie die der frühen Erde zu imitierten. Diese Gase wurden elektrischen Entladungen von knapp 50.000 Volt ausgesetzt und es wurde untersucht, wie sich die Zusammensetzung des Gases durch die Blitze ändert. Von besonderem Interesse waren für die Forscher:innen die Konzentrationen der produzierten Stickstoffmoleküle: Stickoxide, Nitrit und Nitrat.

Blitze als Nährstofflieferant

"Blitze sind eine mögliche Nährstoffquelle für Leben auf der frühen Erde und auf Planeten außerhalb unseres Sonnensystems", sagt Patrick Barth.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass Blitze Stickoxide effizient in der CO2-reichen Atmosphäre der frühen Erde erzeugen können. Diese sind eine mögliche Nährstoffquelle für Leben auf der frühen Erde und auf Planeten außerhalb unseres Sonnensystems", sagt Patrick Barth, Erstautor der Studie und Doktorand am IWF und dem St Andrews Centre for Exoplanet Science (StA-CES).

Allerdings zeigt die Analyse von Stickstoffmolekülen in Gesteinsproben von der frühen Erde nicht die Isotopenzusammensetzung, die die Wissenschaftler:innen in ihren Blitzexperimenten gefunden haben. Dies legt nahe, dass Blitze kein wesentlicher Stickstofflieferant für die ersten Lebensformen auf der Erde waren. Stattdessen liefert dieses Ergebnis einen weiteren Hinweis darauf, dass Mikroorganismen schon vor mindestens 3,8 Milliarden Jahren für die Bereitstellung von Stickstoff verantwortlich gewesen sein müssten.

"Es gibt Gesteinsproben, deren Isotopenzusammensetzung teilweise durch Blitze erklärt werden kann", so Eva Stüeken.

"Es gibt jedoch Gesteinsproben aus dem Isua-Grünsteingürtel in Grönland, deren Isotopenzusammensetzung teilweise durch Blitze erklärt werden kann", so Zweitautorin Eva Stüeken, Dozentin an der University of St Andrews. Dies zeigt, dass Blitze möglicherweise die ersten Lebensformen auf der Erde zumindest unterstützt haben. "Mit Hilfe dieser Ergebnisse könnte auch der Ursprung von Nitratproben auf dem Mars erklärt werden", ergänzt Barth.

Von Science zu Science Fiction

"Interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Exoplanetenforschung, auch über die Grenzen der Naturwissenschaften hinaus, ist wichtig", betont Christiane Helling.

Diese Arbeit inspirierte Emma Johanna Puranen, Doktorandin am StA-CES, zu ihrer Kurzgeschichte A Spark in a Flask, in der ein Roboter auf dem Mond eine Anlage mit Blitzexperimenten betreut. Diese Geschichte erschien in der Science-Fiction-Sammlung Around Distant Suns. Christiane Helling, Direktorin des IWF und Mitbegründerin von StA-CES, merkt dazu an: "Interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Exoplanetenforschung, auch über die Grenzen der Naturwissenschaften hinaus, ist wichtig, da die Suche nach und die Erforschung von Leben außerhalb der Erde ethische und philosophische Konsequenzen für das Leben auf der Erde hat."

Wissenschaft und Kunst

Das IWF ist mit Video-Beiträgen von Wissenschaftler:innen zum Thema Atmosphären und der Suche nach Leben in der Ausstellung im Mobilen Pavillon der Steiermark Schau 2023 beteiligt. Darunter findet sich auch ein Beitrag von Patrick Barth zu Blitzen in den Atmosphären von Exoplaneten.

Barths Arbeit inspirierte den Künstler Markus Jeschaunig zu seinem Werk Electric Atmospheres. „Ein Ziel des Mobilen Pavillons, der für Besucher frei zugänglich ist, ist die außerordentliche Besonderheit der Erdatmosphäre im astronomischen Kontext zu reflektieren“, fasst Christiane Helling zusammen.

 

Kontakt
Patrick Barth, MSc
T +43 316 4120-354
patrick.barth(at)oeaw.ac.at

Prof. Dr. Christiane Helling
T +43 316 4120-301
christiane.helling(at)oeaw.ac.at

 

Publikation
P. Barth, et al.: Isotopic constraints on lightning as a source of fixed nitrogen in Earth’s early biosphere, Nature Geoscience, doi: 10.1038/s41561-023-01187-2, 2023.