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Als die Tschechoslowakei mit der Vertreibung und Aussiedlung der Deutschen begann, waren Zwangsumsiedlungen in Europa bereits zu einem gängigen politischen Mittel geworden. Zwischen 1938 und 1950 wurden in Europa etwa 35 Millionen Menschen umgesiedelt. Hitler drohte auch der Tschechischen Protektoratsregierung nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich (im Mai 1942) mit der Aussiedlung von einigen Millionen Tschechen und der Neuansiedlung von zwei bis drei Millionen Deutschen, also mit einer weitgehenden Germanisierung Böhmens und Mährens.

Die Zügellosigkeit der NS-Terrorpolitik beseitigte im Kriegsverlauf alle Hemmschwellen bei jenen tschechischen Politikern, die durch Anwendung von Kollektivschuld möglichst alle Deutschen aus der Tschechoslowakei vertreiben wollten.

Die Vertreibung begann unmittelbar nach Kriegsende, also lange bevor die Aussiedlung auf der Potsdamer Konferenz im August 1945 offizielle internationale Zustimmung fand. Bis dahin wurden 800.000 Deutsche auf gewaltsame und so desorganisierte Weise vertrieben, dass es vielfach zu einem Massensterben vor allem von Kindern und älteren Menschen kam. Politisch ungeplant waren die „wilden“ Vertreibungen deshalb nicht. Die politische Führung wusste davon. Präsident Edvard Beneš, Prokop Drtina (1946–48 Justizminister) und andere hatten sie durch nationale Brandreden gefördert.

Ein großer Teil der österreichischen Interviewpartnerinnen und -partner oder deren Familien mussten am „Brünner Todesmarsch“ teilnehmen. 26.000 Menschen – die Hälfte der ehemaligen deutschen Bevölkerung Brünns – wurden ab 30. Mai 1945 aus der Stadt getrieben. Die Opferzahl ist bis heute nicht zu eruieren. Mit Sicherheit belegt sind etwa 2000 Todesfälle, Schätzungen reichen bis 5000.

Zugleich mit den wilden Vertreibungen wurde ein weit verzweigtes System von etwa 2000 Arbeits- und Anhaltelagern errichtet. Diese bestimmten das Schicksal vieler Deutscher – vor allem der Männer und der arbeitsfähigen Bevölkerung – und hielt die Menschen in Angst und Schrecken.

Die Transporte der 2,2 Millionen nach der Potsdamer Konferenz regulär Ausgesiedelten führten nach West- und zu einem kleineren Teil nach Ostdeutschland. Daher kamen nach Österreich vor allem Opfer der wilden Vertreibungen oder Menschen, die über die eigentliche Vertreibung und Aussiedlung, die Ende 1946 abgeschlossen war, hinaus in der Tschechoslowakei bleiben konnten und sich schließlich aufgrund von Diskriminierung, drohender Zwangsumsiedlung innerhalb der Tschechoslowakei oder nach dem kommunistischen Putsch im Februar 1948 selbst entschieden, zu gehen.